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13. Dezember 2023: 2022 starben 4,2 Millionen Versuchstiere in Deutschland

Hohe Zahl zeigt Dringlichkeit der angekündigten Reduktionstrategie

Die Zahl der sogenannten Versuchstiere ist im letzten Jahr zwar leicht gesunken, dennoch starben 2022 wieder mehr als 4,2 Millionen Tiere in Tierversuchen in Deutschland. Dies wäre vermeidbar, wenn die Bundesregierung endlich die angekündigte Reduktionstrategie umsetzen würde. Das Beispiel der nichtverwendeten Tiere zeigt, welches Potential in der Einsparung von „Versuchstieren“ steckt. Doch dies ist aus Sicht des Bundesverbandes Menschen für Tierrechte nicht ausreichend. Er setzt sich für einen Ausstieg aus dem Tierversuch ein und hat einen Maßnahmenplan dafür vorgelegt.

Wie im Vorjahr veröffentlichte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) im Auftrag der Bundesregierung den Bericht zur Erfassung der Versuchstierzahlen [1] des Vorjahres kurz vor Weihnachten. Die Entwicklungen sind ernüchternd: 2022 waren 1,73 Millionen Tiere tatsächlich Teil eines Tierversuchs. Knapp 1,77 Millionen sogenannte überzählige Tiere wurden gezählt, weniger als im Vorjahr. Stark angestiegen ist dagegen die Zahl der Tiere, die getötet werden, um Zellen und Gewebe für wissenschaftliche Zwecke zu entnehmen, auf rund 712.000 Tiere. Insgesamt starben 4.207.231Tiere im Jahr 2022 im Zusammenhang mit Tierversuchen.

Anstieg bei den Primaten
72 Prozent davon waren Mäuse, gefolgt von Fischen mit 12 Prozent. Der Anteil der Ratten sank leicht von 7,3 auf 6 Prozent, dafür wurden allerdings wieder mehr Kaninchen eingesetzt. Anders als in den vergangenen zwei Jahren mussten 2022 wieder deutlich mehr Affen in den Tierversuch (318 mehr Tiere als 2021). Ein möglicher Grund sind Tierversuche zur Entwicklung von Humanarzneimitteln auf der Basis von Antikörpern, die unter anderem in der Krebstherapie eingesetzt werden.

Tötung zur Verwendung von Organen und Gewebe
2022 wurden 711.939 Tiere getötet, um ihnen Gewebe oder Organe zu entnehmen. Im Vorjahr 2021 waren es 644.207, das entspricht einem Anstieg um 11 Prozent. Diese Entnahmen werden für manche Arten von sogenannten in-vitro-Versuchen – auch ex vivo genannt – durchgeführt. Bei diesen Versuchen findet die Forschung zwar nicht mehr am lebenden Tier statt – dennoch werden die Tiere unter Laborbedingungen gehalten und getötet.

Weniger „überzählige Tiere“
Seit 2021 werden erstmals die sogenannten überzähligen Versuchstiere in die Statistik miteinbezogen. Diese werden für wissenschaftliche Zwecke gezüchtet und getötet, aber nicht in Versuchen eingesetzt. Die erschreckende Zahl für das Jahr 2021 war 2.554.560 Tiere. Dadurch wurde erstmals das ganze Ausmaß sichtbar. In 2022 sank die Zahl überzähligen Versuchstiere um 31 Prozent auf 1.769.437 Millionen Tiere.

„Dies könnte ein Hinweis auf verbesserte Zuchtprogramme und sorgfältigere Planung sein, und ist möglicherweise eine direkte Folge der neuen Transparenz in diesem Bereich. Man könnte diesen bemerkenswerten Rückgang auch dahingehend verstehen, dass sich vorher niemand wirklich Gedanken um diese Tiere gemacht hat und eine entsprechende Verschwendung vorherrschte“, meint Dr. Stefanie Schindler, Fachreferentin beim Bundesverband Menschen für Tierrechte.

Mehr Gentechnisch veränderte Tiere
Der Anteil genetisch veränderter Tiere in Versuchen steigt weiter an und umfasste 53,2 Prozent aller Versuchstiere, auch hier mehrheitlich Mäuse und Fische. Jedes fünfte Individuum ist durch die Veränderung in seinem Wohlbefinden beeinträchtigt, schreibt der Bericht des BMEL. „Dies ist besonders bedenklich, da die Belastungserfassung gerade bei Fischen – vorsichtig ausgedrückt – schwierig ist. Der Anteil könnte durchaus höher liegen“, vermutet Schindler.

Tierversuche für die Forschung
In der Grundlagenforschung sanken die Tierzahlen insgesamt von 1.037.931 auf 956.933. Forschungsschwerpunkte waren das Nerven- und Immunsystem, für die zusammen 40 Prozent der Versuchstiere verbraucht wurden. In der angewandten Forschung sanken die Zahlen ebenfalls von 267.431 auf 239.885. Damit sind die Zahlen vergleichbar mit jenen aus 2020.

Tierversuche in der Regulatorik und Routineproduktion
In der sogenannten Regulatorik, wie Qualitätskontrollen, Toxizitätstests oder Wirksamkeitsprüfungen, wurden 2022 insgesamt 272.452 Tiere eingesetzt. Dies waren etwa 13 Prozent weniger als im Jahr 2021. Eine Verringerung gab es bei Hunden (-250). Dahingegen mussten 4.560 Kaninchen und 180 (Javaner-) Affen mehr in den Versuch als 2021. Von insgesamt 1.905 Javaneraffen wurden 1.828 allein für regulatorische Versuche eingesetzt.

Überfällig: Reduktionsstrategie für Tierversuche
Die immer noch hohe Zahl an Tieren, die in Tierversuchen leiden und sterben, zeigt, wie wichtig es ist, dass die Bundesregierung die angekündigte Reduktionsstrategie möglichst schnell umsetzt. Das Beispiel der nichtverwendeten Tiere zeigt, welches Potential in der Einsparung von „Versuchstieren“ steckt. Auf der anderen Seite zeigen die Zahlen, dass In-vitro nicht automatisch tierfrei bedeutet. In 2022 wurden vermehrt Tiere getötet, um ihre Organe oder Gewebe in der sogenannten in-vitro-Forschung einzusetzen. Das Ziel muss, nach Ansicht des Verbandes, eine Forschung ohne den Einsatz von Tieren (lebendig oder tot) und der Ausstieg aus dem Tierversuch sein. Dazu hat der Verband einen Maßnahmenplan für eine tierversuchsfreie Forschung vorgelegt.

[1] Verwendung von Versuchstieren im Jahr 2022 (BfR)


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Der Bundesverband Menschen für Tierrechte setzt sich seit seiner Gründung 1982 auf rechtlicher, politischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene für die Anerkennung elementarer Tierrechte ein und kämpft gegen jeglichen Missbrauch von Tieren. Das langfristige Ziel ist eine grundsätzliche Veränderung des Mensch-Tier-Verhältnisses. Dem Dachverband mit Hauptsitz in Zülpich (früher Aachen) sind Vereine sowie private Fördermitglieder angeschlossen. Seine Stärke liegt im Zusammenwirken von Seriosität, Fachwissen und Lobbyarbeit auf höchster politischer Ebene. Dazu verfolgt der Verband einen Masterplan zum Ausstieg aus dem Tierversuch und eine Ernährungs- und Agrarwende von der tierischen zur pflanzlichen Eiweißproduktion. Mit dem Projekt Ausstieg aus der Tierhaltung zeigt er Landwirt:innen Alternativen auf, wie sie auch ohne sogenannte Nutztiere erfolgreich und nachhaltig wirtschaften können. Um tierversuchsfreie Methoden voranzubringen, veröffentlicht der Verband das „Ersatzverfahren bzw. Replace des Jahres“ sowie das: „Versuchstier des Jahres“, betreibt die Wissenschaftsplattform InVitro+Jobs für eine konsequente Förderung der tierversuchsfreien Forschung und setzt sich mit dem Projekt SATIS für eine humane Ausbildung ein. Außerdem unterstützt der Verband das tierschutzkonforme Stadttaubenmanagement und gibt mehrmals im Jahr das Magazin tierrechte heraus. Neben einem Themenschwerpunkt informiert die Zeitschrift Journalisten, Wissenschaftler, Politiker, Behörden und Verbandsmitglieder über aktuelle Entwicklungen in der politischen Tierrechtsarbeit. Zudem erscheint zweimal monatlich der Tierrechte Newsletter. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte ist seit seiner Gründung als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt. Beiträge und Spenden sind steuerlich absetzbar.

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