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27. September 2023: Studium ohne Tierleid: Neuer Hochschul-Wegweiser informiert über Tiernutzung und Alternativen

Viele Studierende der Biologie, Human- und Veterinärmedizin müssen sich irgendwann entscheiden, ob sie bereit sind, an lebenden oder getöteten Tieren zu üben, um den Leistungsnachweis für bestimmte Kurse zu erhalten. Dabei ist dieser sogenannte Tierverbrauch gar nicht nötig. Um den Studierenden eine umfassende Orientierungshilfe zu geben, wo in Deutschland ein weitgehend tierverbrauchsfreies Studium möglich ist, veröffentlicht der Bundesverband Menschen für Tierrechte heute den SATIS-Hochschul-Wegweiser für ein Studium ohne Tiereinsatz. In einer umfangreichen Umfrage und Recherche wurden dazu 462 Dozierende von 711 Kursen befragt. Daraus ist ein über 160-seitiges Nachschlagewerk entstanden, das sich nicht nur an Studierende richtet, sondern auch an Dozierende. Denn die Übersicht zeigt auf, mit welchen Alternativen an anderen Universitäten die Nutzung von lebenden oder getöteten Tieren für Übungen vermieden wird. Der Vergleich mit der letzten Umfrage vor elf Jahren belegt einen positiven Trend: In der Human- und Veterinärmedizin setzen sich zunehmend tierleidfreie Lehrmethoden durch.

In den Studiengängen Biologie sowie der Human- und Veterinärmedizin werden nach wie vor viele Lehrinhalte durch Übungen an Tieren vermittelt. Dies gilt insbesondere für anatomische, physiologische oder heilkundliche Kurse. Laut der amtlichen Statistik wurden im Jahr 2021 8.949 Wirbeltiere in Versuchen für die Hochschulausbildung eingesetzt (1). Darin sind jedoch nicht die Tiere enthalten, die für Präparationen oder Entnahmen von Organen oder Geweben getötet wurden. Währenddessen zeigt der zunehmende Einsatz von tierleidfreien Lehrmethoden, dass Studierende die Lernziele auch erreichen können, ohne dass Tiere dafür getötet werden müssen.

Immer mehr tierleidfreie Lehrmethoden
Immer mehr Universitäten nutzen tierleidfreie Lehrmethoden wie Videos, Modelle, Simulationsprogramme und -geräte, Selbstversuche, Dauerpräparate und Spendertiere, die natürlich verstorben sind oder aus medizinischen Gründen eingeschläfert wurden. Der neue Hochschul-Wegweiser (2) informiert auf über 160-Seiten, in welchen Biologie und der Biologie-verwandten Studiengängen sowie in der Human- und Veterinärmedizin tierleidfreie Alternativen angeboten werden. Der Wegweiser ist so aufgebaut, dass eine schnelle Suche durch einfaches Anklicken der je nach Tiereinsatz farblich gekennzeichneten Studienorte möglich ist. Die Darstellung der Kurse ermöglicht einen direkten Vergleich zwischen den Hochschulen (3).

Deutschlandweite Umfrage gibt Überblick
Die Basis für das Nachschlagewerk bildete eine Online- und Telefon-Umfrage bei 462 Kursleiter:innen, die der Bundesverband im Rahmen seines Projektes SATIS (4) durchführte. Die Antworten wurden durch Modulbeschreibungen und Informationen der Hochschulen ergänzt, so dass über 70 Prozent der 520 Pflicht- und Wahlpflicht-Kurse von deutschlandweit 118 Studiengängen bewertet werden konnten.

Auskunft zum Einsatz von Tieren und Alternativen
Die Dozent:innen wurden unter anderem befragt, ob und welche tierleidfreien Alternativen genutzt werden. Außerdem wurden Fragen zum Einsatz von lebenden und toten Tieren beziehungsweise Tierteilen gestellt und ob es Ausweichmöglichkeiten für Studierende gibt, die dies ablehnen. Weiterhin wurden Tierart, Herkunft der Tiere, Lernziele, Versuchsablauf und Bewertung von Alternativen im Vergleich zum Tiereinsatz abgefragt.

Positive Entwicklung in Human- und Veterinärmedizin
Im Vergleich zur letzten Umfrage vor elf Jahren zeigt sich ein positiver Trend in der Human- und Veterinärmedizin: Hier setzen sich zunehmend tierleidfreie Lehrmethoden durch. Wurden in der Humanmedizin vor elf Jahren noch in mindestens 46 Prozent der Studiengänge Tiere eingesetzt, sind es heute nur etwa 22 Prozent. In der Veterinärmedizin wurden 2011 an allen fünf Hochschulen Tiere „verbraucht“. Nach der aktuellen Umfrage ist dies nach den aktuellen auswertbaren Angaben nur noch an zwei Hochschulen der Fall (5). Enttäuschend ist jedoch die Entwicklung bei der Biologie: Bei mindestens 78 Prozent der Biologie-Studiengänge werden noch immer Tiere getötet oder in invasiven Versuchen eingesetzt.

Müssen tierleidfrei werden: Pflichtkurse im Biologie-Studium
„Das Festhalten vieler Dozent:innen an Übungen mit Tieren ist angesichts vorhandener und erprobter Ersatzmethoden inakzeptabel. Es gibt Hochschulen, die auch im Biologie-Studium die klassischen Pflichtkurse tierleidfrei durchführen. Es ist nicht nur unethisch, Tiere wegen des bloßen Lernzwecks zu töten, sondern auch unrechtmäßig, da das Lernziel auch tierleidfrei erreicht werden kann (6). Wir fordern, dass, sofern Alternativen vorhanden sind, diese konsequent in allen Kursen eingesetzt werden“, fordert Dr. Claudia Gerlach, Fachreferentin bei Menschen für Tierrechte.

Der Verband dankt allen teilnehmenden Dozent:innen für Ihre Auskunft. Er nutzt die Ergebnisse der Umfrage einerseits, um Studierende zu informieren, an welcher Universität sie tierleidfrei studieren können. Andererseits soll Kursleiter:innen, die noch immer am Tiereinsatz festhalten, aufgezeigt werden, dass in vergleichbaren Studiengängen an anderen Hochschulen bereits erfolgreich Alternativen eingesetzt werden.

Hier können Sie sich den „SATIS-Hochschul-Wegweiser für ein Studium ohne Tiereinsatz“ als PDF herunterladen.

Mehr Infos zum Thema tierleidfreie Lehrmethoden lesen Sie auf der Webseite des Projektes SATIS unter: www.satis-tierrechte.de

Quellen:
(1) Verwendung von Versuchstieren im Jahr 2021, Bf3R, Deutsches Zentrum zum Schutz von Versuchstieren, 19.12.2022.
(2) SATIS-Hochschul-Wegweiser für ein Studium ohne Tiereinsatz. Übersicht zur Nutzung von Tieren und Alternativen in den biowissenschaftlichen und (tier-)medizinischen Studiengängen an bundesdeutschen Hochschulen. Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V., September 2023.
(3) Die Studiengänge sind farblich geordnet nach einem eigens definierten Schweregrad des Tierverbrauchs in den Pflichtkursen. Dafür wurden alle Kurse, die potenziell Tiere einsetzen, in vier Kategorien eingeordnet, je nach Nutzung von Tieren/Alternativen/Ausweichoptionen, Wirbeltieren/Wirbellosen sowie invasiven/nicht-invasiven Eingriffen. Neben Anatomie, Physiologie, Bestimmungsübungen wurden u.a. auch Genetik, Entwicklungsbiologie, Neurobiologie und weitere Schwerpunkte erfasst. Detaillierte Kursinhalte sind separat aufgeführt. Die letzte Umfrage wurde 2011/2012 durchgeführt. Soweit vorhanden, befinden sich die Angaben in den Kursbeschreibungen, so dass die Entwicklungen sichtbar sind.
(4) Im Projekt SATIS (lat. „genug“) setzt sich der Bundesverband Menschen für Tierrechte für eine Ausbildung mittels tierleidfreier Lehrmethoden ein. SATIS informiert, berät und ist eine Plattform für Studierende, Dozent:innen und Hersteller:innen alternativer Lehrmaterialien.
(5) Da für viele Studiengänge nicht alle Pflichtkurse bewertet werden konnten, kann der Anteil auch höher liegen. Dennoch kann von einem positiven Trend zu tierleidfreien Lehrmethoden in der Human- und Veterinärmedizin ausgegangen werden.
(6) Die Tierversuchsrichtlinie der EU (2010/63/EU, Erwägungsgrund Nr. 12) gibt vor: „…Der Einsatz von Tieren zu wissenschaftlichen Zwecken oder zu Bildungszwecken sollte deshalb nur dann erwogen werden, wenn es keine tierversuchsfreie Alternative gibt…Im deutschen Tierschutzgesetz ist unter § 7a geregelt, dass Tierversuche, nur durchgeführt werden dürfen, soweit sie für bestimmte Zwecke, darunter Aus-, Fort- oder Weiterbildung, unerlässlich sind. Bei der Entscheidung, ob ein Tierversuch unerlässlich ist, ist der jeweilige Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zugrunde zu legen und zu prüfen, ob der verfolgte Zweck nicht durch andere Methoden oder Verfahren erreicht werden kann. Somit bedeuten Tierversuche in der Lehre bei vorhandenen tierleidfreien Verfahren ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. Die gesetzlichen Vorgaben werden jedoch unzureichend umgesetzt, da die meisten Tierversuche für die Hochschulausbildung genehmigt und nicht ausreichend auf vorhandene gleichwertige Alternativen geprüft werden.

Presse-Kontakt für den Hochschul-Wegweiser:
Dr. Claudia Gerlach (Biologie)
Leiterin des Projekte SATIS – für eine humane Ausbildung ohne Tierverbrauch
Fon: 03641 – 554 92 44, E-Mail: gerlach@tierrechte.de


Pressestelle:
Christina Ledermann
Fon: 05840/2900025
Mobil: 0179/450 46 80
E-Mail: ledermann@tierrechte.de


Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Severinusstr. 52, 53909 Zülpich
Tel: 02252/830 12 10
www.tierrechte.de
www.ausstieg-aus-der-tierhaltung.de
www.ausstieg-aus-dem-tierversuch.de
www.invitrojobs.de
www.satis-tierrechte.de
www.stadttauben.de


Der Bundesverband Menschen für Tierrechte setzt sich seit seiner Gründung 1982 auf rechtlicher, politischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene für die Anerkennung elementarer Tierrechte ein und kämpft gegen jeglichen Missbrauch von Tieren. Das langfristige Ziel ist eine grundsätzliche Veränderung des Mensch-Tier-Verhältnisses. Dem Dachverband mit Hauptsitz in Zülpich (früher Aachen) sind Vereine sowie private Fördermitglieder angeschlossen. Seine Stärke liegt im Zusammenwirken von Seriosität, Fachwissen und Lobbyarbeit auf höchster politischer Ebene. Dazu verfolgt der Verband einen Masterplan zum Ausstieg aus dem Tierversuch und eine Ernährungs- und Agrarwende von der tierischen zur pflanzlichen Eiweißproduktion. Mit dem Projekt Ausstieg aus der Tierhaltung zeigt er Landwirt:innen Alternativen auf, wie sie auch ohne sogenannte Nutztiere erfolgreich und nachhaltig wirtschaften können. Um tierversuchsfreie Methoden voranzubringen, veröffentlicht der Verband das „Ersatzverfahren bzw. Replace des Jahres“ sowie das: „Versuchstier des Jahres“, betreibt die Wissenschaftsplattform InVitro+Jobs für eine konsequente Förderung der tierversuchsfreien Forschung und setzt sich mit dem Projekt SATIS für eine humane Ausbildung ein. Außerdem unterstützt der Verband das tierschutzkonforme Stadttaubenmanagement und gibt mehrmals im Jahr das Magazin tierrechte heraus. Neben einem Themenschwerpunkt informiert die Zeitschrift Journalisten, Wissenschaftler, Politiker, Behörden und Verbandsmitglieder über aktuelle Entwicklungen in der politischen Tierrechtsarbeit. Zudem erscheint zweimal monatlich der Tierrechte Newsletter. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte ist seit seiner Gründung als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt. Beiträge und Spenden sind steuerlich absetzbar.

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