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Der Bundesverband Menschen für Tierrechte e.V. zeigt sich bestürzt über die Recherchen der Berliner Zeitung zu den gravierenden Missständen im Genehmigungsverfahren bei Tierversuchen und unterstützt die Forderung der Berliner Landestierschutzbeauftragten an den Senat, eine umfassende Untersuchung einzuleiten. Der Verband kritisiert die aufgezeigten Mängel im Genehmigungsverfahren schon lange öffentlich und fordert die Bundesregierung erneut dazu auf, diese bei der laufenden Überarbeitung des Tierschutzgesetzes zu beseitigen.
Die veröffentlichten Recherchen der Berliner Zeitung [1] vom Wochenende zu den gravierenden Mängeln im Genehmigungsverfahren bei Tierversuchen unterstreichen, was Tierschutz- und Tierrechtsverbände schon seit Jahren anprangern: Es besteht dringender Handlungsbedarf für eine Überarbeitung der geltenden Vorschriften. Die Liste der aufgezeigten Missstände ist lang – dass die Tierversuchskommissionen, in denen Wissenschaftler und Tierschützer die Anträge für Tierversuche prüfen sollen, keine vollständigen Informationen zu den Vorhaben erhalten ist nur einer der herausragendsten Punkte. Der empathielose Umgang mit dem Thema der Tötung überzähliger Versuchstiere zu vermeintlich wissenschaftlichen Zwecken hat beim Bundesverband Bestürzung ausgelöst. Der Verband unterstützt darum die Forderung der Berliner Landestierschutzbeauftragten Dr. Kathrin Herrmann nach einer Untersuchung der aufgezeigten Probleme [2].
Empfehlungen der Kommissionen werden ignoriert
Laut offizieller Statistik wurden 2021 in Deutschland 1.859.475 Tiere lebend in Versuchen eingesetzt. Zusätzlich wurden 644.207 Tiere getötet, um ihnen Gewebe oder Organe zu entnehmen. Erstmals wurden für 2021 auch die sogenannten überzähligen Versuchstiere mit über 2,5 Millionen in die Statistik miteinbezogen. Das Schicksal von insgesamt über 5 Millionen Tieren wird demnach durch ein System besiegelt, welches nachweislich eklatante Mängel aufweist, wie ein aktuelles juristisches Gutachten belegt [3]. Die Recherchen der Berliner Zeitung zeigten auf, dass in Berlin im Jahr 2022 95 Prozent aller Tierversuchsanträge grünes Licht bekamen, obwohl für 86 Prozent der Anträge eine definitive bzw. Ablehnung mit dem vorgelegten Inhalt durch die Prüfkommissionen empfohlen wurde. Allein dies verdeutlicht nach Ansicht des Bundesverbands die systemischen Fehler im gesamten Verfahren.
Fehler müssen behoben werden
In seinem Magazin Tierrechte aus dem Jahr 2020 [4] beschäftigte sich der Bundesverband bereits intensiv mit den massiven Missständen im gesamten Genehmigungsprozess von Tierversuchen. Der Verband forderte schon damals eine umfassende Reform. Derzeit überarbeitet die Bundesregierung das Tierschutzgesetz, weshalb der Bundesverband Menschen für Tierrechte sich im Bündnis mit weiteren Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen wiederholt an die Bundesregierung gewandt hat, diese eklatanten Defizite im Tierversuchsrecht unbedingt im Zuge der aktuellen Überarbeitung zu beheben [5]. Nach Art. 38 der EU-Tierversuchsrichtlinie haben die Genehmigungsbehörden eine vollständige, selbstständige Beurteilungspflicht. In der aktuellen Gesetzgebung wird die wichtige Prüfkompetenz der Behörden jedoch noch immer auf eine Plausibilitätskontrolle reduziert.
Behörden müssen Anträge umfassend prüfen können
„Wir appellieren an die Bundesregierung, die Fehler der Vorgängerregierung jetzt durch Änderungen im Tierschutzgesetz und in der Tierschutzversuchstierverordnung zu korrigieren. Die Genehmigungsbehörden müssen Tierversuchsvorhaben endlich umfassend und selbstständig prüfen können. Deshalb müssen die Antragsteller dazu verpflichtet werden, den Behörden alle relevanten Informationen hierfür zu liefern. Den Empfehlungen der Tierversuchskommissionen muss mehr Beachtung geschenkt werden und die Besetzung dieser Kommission sollte auch mit einem kritischeren Blick erfolgen“, fordert Carolin Spicher, Fachreferentin zum Thema Tierversuche beim Bundesverband Menschen für Tierrechte.
[3] Jens Bülte, Barbara Felde, Christoph Maisack: „Reform des Tierschutzrechts“, 1. Auflage 2022
[4] Magazin Tierrechte 3/2020: Tierversuche: Missstände machen Genehmigungsprozess zur Farce
[5] Offener Brief an Cem Özdemir: Tierschutzbündnis fordert Korrektur des Tierversuchsrechts
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Der Bundesverband Menschen für Tierrechte setzt sich seit seiner Gründung 1982 auf rechtlicher, politischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene für die Anerkennung elementarer Tierrechte ein und kämpft gegen jeglichen Missbrauch von Tieren. Das langfristige Ziel ist eine grundsätzliche Veränderung des Mensch-Tier-Verhältnisses. Dem Dachverband mit Hauptsitz in Zülpich (früher Aachen) sind Vereine sowie private Fördermitglieder angeschlossen. Seine Stärke liegt im Zusammenwirken von Seriosität, Fachwissen und Lobbyarbeit auf höchster politischer Ebene. Dazu verfolgt der Verband einen Masterplan zum Ausstieg aus dem Tierversuch und eine Ernährungs- und Agrarwende von der tierischen zur pflanzlichen Eiweißproduktion. Mit dem Projekt Ausstieg aus der Tierhaltung zeigt er Landwirt:innen Alternativen auf, wie sie auch ohne sogenannte Nutztiere erfolgreich und nachhaltig wirtschaften können. Um tierversuchsfreie Methoden voranzubringen, veröffentlicht der Verband das „Ersatzverfahren bzw. Replace des Jahres“ sowie das: „Versuchstier des Jahres“, betreibt die Wissenschaftsplattform InVitro+Jobs für eine konsequente Förderung der tierversuchsfreien Forschung und setzt sich mit dem Projekt SATIS für eine humane Ausbildung ein. Außerdem unterstützt der Verband das tierschutzkonforme Stadttaubenmanagement und gibt mehrmals im Jahr das Magazin tierrechte heraus. Neben einem Themenschwerpunkt informiert die Zeitschrift Journalisten, Wissenschaftler, Politiker, Behörden und Verbandsmitglieder über aktuelle Entwicklungen in der politischen Tierrechtsarbeit. Zudem erscheint zweimal monatlich der Tierrechte Newsletter. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte ist seit seiner Gründung als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt. Beiträge und Spenden sind steuerlich absetzbar.