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Trotz massiver Proteste von Seiten des Tierschutzes wurde das Brieftaubenwesen im März 2022 als nationales Immaterielles Kulturerbe anerkannt. Dabei sind Zucht sowie das Auflassen der Tauben in der Reisesaison höchst tierschutzwidrig. Deswegen startet der Bundesverband Menschen für Tierrechte, unterstützt von 37 weiteren Vereinen und Privatpersonen, heute die Petition „Tierquälerei ist kein Kulturerbe!“. Diese fordert unter anderem von der Deutschen UNESCO-Kommission und der Kultusministerkonferenz, die Auszeichnung des Brieftaubenwesens als Kulturerbe abzuerkennen.
2018 wurde die Bewerbung des Verbandes Deutscher Brieftaubenzüchter noch aufgrund von Zweifeln am Tierschutz abgelehnt. Nach der diesjährigen Anerkennung argumentierten die für die Auszeichnung zuständigen Gremien der UNESCO-Kommission und der Kultusministerkonferenz mit vermeintlichen Tierschutzmaßnahmen und der Dialogbereitschaft des Züchterverbands. Doch Recherchen des Bundesverbandes Menschen für Tierrechte ergaben anderes: “Wir haben uns mehrfach mit konkreten Fragen an den Verband Deutscher Brieftaubenzüchter gewandt. Doch dieser hat die Fragen zu den Tierschutzmissständen nicht beantwortet. Die Antworten waren voll verharmlosender Umschreibungen und Leugnungen der tierquälerischen Praktiken“, kritisiert die Biologin und Fachreferentin des Bundesverbandes Dr. Claudia Gerlach.
Töten, aussetzen, verenden lassen
In Deutschland halten über 30.000 Brieftaubenzüchter:innen (1) etwa 2,5 Millionen Brieftauben (2). Wenn die Tiere den Zuchtzielen nicht entsprechen, werden sie meist ausselektiert und getötet (2, 3). Auf Fragen hierzu ging der Züchterverband nicht ein. Außerdem widersprachen die Züchter, dass die Tauben auf den Flügen überfordert werden. Berichte von erschöpften beziehungsweise toten Tieren zeigen jedoch ein anderes Bild (4, 5). Bei Brieftaubenauflässen muss von einem Aussetzen der Haustiere ausgegangen werden, da sie, unter anderem aus Kostengründen, nicht nachverfolgt werden. Auch die Frage, warum es keine Auflassverbote bei bestimmten Wetterlagen gibt, blieb unbeantwortet. Dabei wird offen zugegeben, dass es gerade bei Gegenwind zu hohen Verlusten kommt (3).
Trennung von Partner und Nachwuchs
Zur Motivationssteigerung bei den Hunderten Kilometer langen Wettflügen werden die in der Regel monogam lebenden Tiere zudem von ihren Partnern oder Nachwuchs getrennt gehalten (2). Zahlreiche Tiere sterben auf dem Rückflug oder stranden unterwegs und vergrößern das Stadttaubenproblem (6). Auch die Getrennthaltung wurde in der Antwort des Züchterverbands verklärt. Der Heimkehrwille habe wenig mit dem Partner oder Nest zu tun, sondern mit dem liebevollen Umgang der Züchter.
Willkommene PR für tierquälerisches Hobby
„Die Praktiken im Brieftaubenwesen verstoßen mehrfach gegen das Tierschutzgesetz. Allein die Tötung von Tieren, weil sie für das Hobby nicht geeignet sind, kann kein vernünftiger Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes sein. Die Auszeichnung des Brieftaubenwesens ist nicht nur eine willkommene PR für ein tierquälerisches Hobby, sie führt dazu, dass auch zukünftig zahlreiche Brieftauben qualvoll verenden werden. Keine Tradition, bei der Tiere leiden und sterben, darf als Kulturerbe anerkannt werden“, fordert Gerlach.
Die Petition kann unterschrieben werden unter change.org/Tierquälerei ist kein Kulturerbe! Auszeichnung des Brieftaubenwesens aberkennen!.
Weitere Informationen:
(1) siehe Übersicht zum Brieftaubenwesen auf brieftaube.de.
(2) Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V.: Tierschutz im Brieftaubensport. Merkblatt 121. 2009. Seiten in Reihenfolge im Text: 3, 7 und 15.
(3) Siehe Video von Peta, sowie die Artikel Züchter reißt 18 Tauben den Kopf ab (spiegel.de) und Züchter reißt Tauben gewaltsam den Kopf ab – und muss Strafe zahlen (peta.de).
(4) Exemplarische Fotosammlung aufgefundener Brieftauben.
(6) Stadttauben sind in Deutschland immer Haustiere. Sie sind entflogene Brief-, Hochzeits- oder sonstige Haustauben und deren Nachkommen, siehe: Arleth C., Hübel J. Rechtsgutachten Stadttaubenschutz. Tierschutzbeauftragte des Landes Berlin. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung; 29.10.2021.
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Der Bundesverband Menschen für Tierrechte setzt sich seit seiner Gründung 1982 auf rechtlicher, politischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene für die Anerkennung elementarer Tierrechte ein und kämpft gegen jeglichen Missbrauch von Tieren. Das langfristige Ziel ist eine grundsätzliche Veränderung des Mensch-Tier-Verhältnisses. Dem Dachverband mit Hauptsitz in Zülpich (früher Aachen) sind Vereine sowie private Fördermitglieder angeschlossen. Seine Stärke liegt im Zusammenwirken von Seriosität, Fachwissen und Lobbyarbeit auf höchster politischer Ebene. Dazu verfolgt der Verband einen Masterplan zum Ausstieg aus dem Tierversuch und eine Agrar- und Ernährungswende von der tierischen zur pflanzlichen Eiweißproduktion. Darüber hinaus ernennt der Verband das „Versuchstier des Jahres“, betreibt die Wissenschaftsplattform InVitro+Jobs für eine konsequente Förderung der tierversuchsfreien Forschung und setzt sich mit dem Projekt SATIS für eine humane Ausbildung ein. Weitere Schwerpunkte sind die Etablierung der Tierschutz-Verbandsklage, die Einführung tierschutzkonformer Stadttaubenkonzepte sowie die Aufnahme von Tierschutz in die Lehrpläne.
Der Verband gibt drei- bis viermal im Jahr das Magazin tierrechte heraus. Neben einem Themenschwerpunkt informiert die Zeitschrift Journalisten, Wissenschaftler, Politiker, Behörden und Verbandsmitglieder über aktuelle Entwicklungen in der politischen Tierrechtsarbeit. Zudem erscheint zweimal monatlich der Tierrechte Newsletter. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte ist seit seiner Gründung als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt. Beiträge und Spenden sind steuerlich absetzbar.