Nachdem bereits im März 2021 bekannt wurde, dass in einem „kleineren Schlachthof“ im Kreis Unna jahrelang Rinder und Schafe illegal geschächtet wurden, folgte am 14. Oktober 2021 die nächste Schreckensmeldung: In einem Betrieb in Brühl sollen Hunderte Tiere ohne Betäubung geschlachtet worden sein. Dieser Fall wirft ein Schlaglicht auf mehrere Problembereiche: das Fehlen eines konsequenten Verbotes des betäubungslosen Schächtens und die massiven Defizite bei Kontrolle und Vollzug von Tierschutzvergehen. Doch solange Tiere wie Waren behandelt werden, wird es nicht gelingen, diese grauenhaften Missstände abzustellen.
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Nachdem Bekanntwerden der illegalen Schächtungen wurde der Schlachtbetrieb in Brühl geschlossen. Die Kölner Staatsanwaltschaft prüft die Aufnahme von Ermittlungen. Der aktuelle Fall beinhaltet auch den Verdacht auf Korruption. Der Amtstierarzt, der die Schlachtungen kontrollieren sollte, soll dem Schlachter gegen Geld einen amtlichen Stempel überlassen haben. Dieser Fall wirft ein Schlaglicht auf mindestens zwei gravierende Problembereiche.
Konsequentes Schächt-Verbot überfällig
Erstens das betäubungslose Schächten: Beim sogenannten Schächten werden Schafe, Ziegen und Kälber nach muslimischem oder mosaischem Ritus geschlachtet. Wenn die Tiere vorher nicht betäubt werden, erleiden sie bei dem rituellen Halsschnitt, bei dem Halsschlagader sowie Luft- und Speiseröhre komplett durchtrennt werden, große Schmerzen, Angst und Atemnot. Der Todeskampf kann bis zum Verbluten der Tiere mehrere Minuten dauern. Um das Leid der Tiere zumindest zu lindern, fordert Menschen für Tierrechte seit Jahren, das Schächten konsequent zu verbieten und zumindest eine Elektrobetäubung vor dem Schächtschnitt zwingend vorzuschreiben. Nach dem Tierschutzgesetz (TierSchG) müssen Tiere in Deutschland vor dem Schlachten betäubt werden. Doch die aktuellen Regelungen im TierSchG sind unzureichend, denn sie ermöglichen Ausnahmegenehmigungen für betäubungsloses Schlachten, wenn der Antragsteller angibt, dass zwingende Religionsvorschriften vorliegen. Doch trotz mehrerer Bundesratsbeschlüsse für ein Verbot sitzen die letzten Bundesregierungen das unbequeme Thema seit Jahren aus.
Massive Defizite bei Kontrolle und Vollzug
Hinzu kommen die massive Defizite bei der Kontrolle und beim Vollzug von Tierschutzvergehen. Die Behörden kontrollieren zu selten. Die meisten Verstöße gegen geltende Tierschutzgesetze werden meist gar nicht entdeckt. Doch auch in begründeten Fällen kommt es vor, dass die Behörden untätig bleiben. Hinzu kommt in diesem Fall die fehlende Distanz zwischen Kontrolleur und Tiernutzer: Wenn die Vorwürfe stimmen, war der Tierarzt schlicht korrupt und ließ sich dafür bezahlen, dass er das grausame Treiben mit einem behördlichen Stempel legalisierte. Dem wird Vorschub geleistet, wenn das Vier-Augen-Prinzip sowie eine regelmäßige Rotation bei den Kontrollen fehlt. Diese soll verhindern, dass eine zu große Nähe zwischen Kontrolleur und Tierhalter entsteht.
Tiernutzer setzen Politiker und Behörden unter Druck
Hochproblematisch ist in diesem Zusammenhang aber auch die Nähe zwischen Tiernutzer und Politik: Große Tierhaltungsbetriebe oder Schlachthäuser sind besonders in ländlichen Regionen wichtige Arbeitgeber und Gewerbesteuerzahler. Nicht selten wehren sie sich gegen Tierschutzauflagen, indem sie Vorgesetzte der Amtstierärzte, also Amtsleiter oder Landräte, unter Druck setzen. Tierärzte berichten, dass es auch vorkommt, dass der Bauernverband Druck auf die Landräte ausübt, beispielsweise durch Androhung einer Dienstaufsichtsbeschwerde. Diese politische Einflussnahme kann dazu führen, dass das Vollzugsdefizit im Tierschutz von Behörden und Landkreisen nicht nur in Kauf genommen, sondern sogar angeordnet wird.
Große Hürden, um Tierschutzverstöße anzuzeigen
Hinzu kommen die fast unüberwindlichen Hürden, selbst schwerwiegende Tierschutzverstöße erfolgreich anzuzeigen. Die Tierärztin Nicole Tschierse, die jahrelang auf bayrischen Schlachthöfen kontrollierte berichtet, dass es selbst bei schwerwiegenden Verstößen fast unmöglich sei, sie zur Anzeige zu bringen. Es sei extrem aufwendig und die Erfolgsaussichten gering. Der Tierarzt müsse viele Beweismittel erbringen und sichern, beispielsweise Stücke von gebrochenen Beinen. Sie erinnert sich an eine Kuh, die nach einer Fehlgeburt in einem sehr schlechten Zustand am Schlachthof ankam. Der Transporteur hatte sich strafbar gemacht, denn er hätte das Tier kurz nach dem Kalben nicht direkt transportieren dürfen. Die Tierärztin erstattete daraufhin Anzeige. Das Verfahren schleppte sich über ein halbes Jahr. Dann, so klagt sie, könne man häufig nichts mehr beweisen.
Agrar- und Ernährungswende statt Grausamkeit gegenüber Tieren
Um dies zu beenden, setzt sich Menschen für Tierrechte für die Stärkung von Tierschutzrecht, Vollzug und Gerichtsbarkeit ein. Doch solange Tiere wie Waren behandelt werden, können Tierschutzvergehen wie diese nie ganz ausgeschlossen werden. Selbst die aufmerksamsten Behörden können nicht wissen, wenn beispielsweise in Badewannen oder auf Hinterhöfen Tiere illegal geschlachtet werden. Die einzige Möglichkeit, um die Grausamkeiten bei Haltung, Transport und Schlachtung zu beenden ist deswegen eine konsequente Agrar- und Ernährungswende. Herzstück muss eine Strategie für tier- und klimafreundliche Ernährungsformen sein.
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