Seit Dezember 2023 liegt die Überarbeitung der lange erwarteten EU-Tiertransport-Verordnung vor. Der Horror, was den Tieren auf den teils wochenlangen Transporten und in den Schlachthöfen der Zielländer angetan wird, nährten die Hoffnung, dass mit den neuen Regeln endlich wirksame Verbesserungen für die Tiere kommen würden. Am 15. Januar 2024 hat der Bundesverband Menschen für Tierrechte zusammen mit dem Bundesverband Tierschutz e.V. und dem Bund gegen Missbrauch der Tiere e.V. eine Stellungnahme zum Verordnungsentwurf abgegeben. Fazit: Der Entwurf enthält tatsächlich einige Verbesserungen, doch diese reichen bei weitem nicht aus und sind oft zu unkonkret, um wirksam zu sein. Fahrten in Hochrisikostaaten sollen weiterhin möglich sein. Auch die vom EU-Parlament geforderte Wende hin zum Transport von Fleisch statt lebender Tiere ist nicht in Sicht.
Jedes Jahr werden rund 44 Millionen Tiere innerhalb der EU-Länder und in weit entfernte Drittstaaten wie Algerien, Marokko, Ägypten oder Syrien transportiert. Dass es im Zusammenhang mit Tiertransporten regelmäßig zu gravierenden Tierschutzverstößen kommt, ist seit langem bekannt und vielfach dokumentiert. Zuletzt belegte ein am 28. November 2023 veröffentlichter Bericht das immense Leid der Tiere. Sie leiden auf teils wochenlangenlangen Reisen auf engen Transportern und schrottreifen Schiffen unter Kälte, Hitze, Durst, Hunger, Verletzungen und unter Stress und Angst. Am Zielort werden die entkräfteten Tiere dann meist noch zusätzlich gequält und zuletzt ohne Betäubung geschlachtet. An diesen unerträglichen Zuständen wird jedoch auch der neue Entwurf der EU-Tiertransport-Verordnung nichts Grundsätzliches ändern.
Verbesserungen wiegen Versäumnisse nicht auf
Es stimmt: Der Entwurf enthält einige Verbesserungen, wie kürzere maximale Transportzeiten für einige Arten, mehr Platz, eine Echtzeit-Ortung der Fahrzeuge und die Einführung eines Mindesttransportalters von fünf Wochen für den Transport nicht entwöhnter Jungtiere. Die EU will, dass der Weg zum Schlachthof für Rinder, Schweine, Schafe, Ziege und Pferde künftig nicht länger als neun Stunden dauern soll. Tiere, die nicht geschlachtet werden, sollen maximal 21 Stunden transportiert werden dürfen, wobei nach zehn Stunden eine Pause eingelegt werden muss. Doch bei all diesen scheinbaren Verbesserungen, steckt der Teufel im Detail. Insgesamt ignoriert der Entwurf viele Forderungen und Empfehlungen des Tiertransportausschusses des Europäischen Parlaments (ANIT) und der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA).
Tiertransporte in Drittstaaten illegal
Am dramatischsten ist, dass die Verordnung immer noch kein konsequentes Verbot von Tiertransporten in Drittstaaten vorsieht, obwohl vielfach belegt wurde, dass diese Hochrisikotransporte regelmäßig gegen EU-Recht verstoßen. Der Europäische Gerichtshofs (EuGH) hat 2015 in einem Urteil (C-424/13) klar festgestellt, dass der Tierschutz nicht an der EU-Außengrenze endet. Danach muss das EU-Recht die Tiere bis zu ihrem endgültigen Bestimmungsort schützen, egal, ob sie innerhalb oder außerhalb des EU-Territoriums transportiert werden. Da Tierschutzverstöße bei Transporten jedoch nachweislich an der Tagesordnung sind, folgt, dass Transporte in Drittstaaten in den meisten Fällen illegal sind.
Tricksereien beim Transport von Jungtieren
Eine vermeintliche Verbesserung in dem Entwurf ist, dass noch nicht abgesetzte Kälber, Lämmer, Zicklein, Fohlen, u.a. höchstens acht Stunden transportiert werden dürfen. Spätestens alle neun Stunden sollen die Jungtiere gefüttert werden. Die Jungtiere brauchen jedoch viel öfter eine Milchmahlzeit. Die langen Pausen zwischen den Fütterungen führen zu Hunger, Dehydrierung, Erschöpfung und bei schwächeren Tieren auch zum Tod. Durch eine Ausnahmeregelung wird es sogar noch möglich sein, die Tiere noch länger am Stück zu transportieren. Wenn eine 1-stündige Ruhezeit eingeschoben wird, dürfen die Tierkinder zweimal 9-Stunden (also 19 Stunden) transportiert werden. Voraussetzung ist ein spezielles Fütterungssystem im LKW. Dies ist ebenfalls inakzeptabel. Außerdem sollten gleiche Vorschriften für Mast-, Zucht- und Schlachttiere gelten. Bislang greifen die meisten Beschränkungen nur für Schlachttiere.
Schwache Tiere erreichen Tränken nicht
Doch allein die Existenz von Tränken im Transportraum kann nicht gewährleisten, dass die Jungtiere auch tatsächlich und ausreichend trinken. Zum einen kennen sie die Vorrichtungen nicht von klein auf und nehmen sie nicht an. Zum anderen drängen sich die stärkeren Tieren nach vorne, so dass es unwahrscheinlich ist, dass schwächere Tiere überhaupt die Chance haben, die Tränken zu erreichen.
Zahl der Kälbertransporte steigt
Noch schlechter sind die Bedingungen, wenn die Tiere auf dem Seeweg transportiert werden. Tausende von Milchkälber beispielsweise werden täglich zur Mast oder Schlachtung quer durch Europa transportiert. Nach der geplanten Verordnung soll beim sogenannten Roll-on-Roll-off-Verfahren (RORO), bei dem die LKWs direkt auf die Frachter fahren, die auf See verbrachte Zeit nicht in die Gesamtberechnungen der Reise einbezogen werden. Dies muss unbedingt geändert werden. Die bisherige Anforderung, dass die Tiere nach einer langen RORO-Überfahrt zwölf Stunden lang auszuruhen können müssen, ist aus dem neuen Verordnungsentwurf verschwunden. Dadurch wird unter anderem der massenhafte Export von Kälbern aus Irland legitimiert – und die Zahlen steigen. Im Jahr 2022 wurden 153.000 Kälber von der grünen Insel exportiert, im Jahr 2023 liegen die Zahlen Stand Dezember 2023 bereits um 30.000 Tiere höher. Rinder-Züchter exportieren sie, um sich der „Überproduktion“ von Kälbern aus der Milchproduktion zu entledigen.
Transporttauglichkeit: verbindliche Kriterien fehlen
Grundsätzlich dürfen nur transportfähige Tiere eine Reise antreten. Laut EU gelten sie als nicht transportfähig, sobald sie sich nicht eigenständig oder schmerzfrei bewegen können. Auch Dehydration, offene Wunden und Organvorfälle, weit fortgeschrittene Trächtigkeit sowie noch nicht verheilte Nabel bei Jungtieren sollen nach dem Willen der Kommission einen Transport ausschließen. Es sind allerdings Ausnahmen vorgesehen, unter anderem wenn die Verletzung oder Erkrankung als minderschwer eingestuft wird und durch den Transport kein zusätzliches Leid hervorgerufen würde. Das grundsätzliche Problem ist, dass die EU keine konkreten und artspezifischen Möglichkeiten zur Beurteilung der Tauglichkeit vorgibt.
Vorschläge der EFSA nicht übernommen
Die EFSA hatte in ihren letzten Gutachten eine Reihe tierbasierter Indikatoren vorgeschlagen: So sollten beispielsweise stark lahmes Geflügel oder Geflügel mit offenen Wunden oder gebrochenen Beinen oder Flügeln nicht mehr transportiert werden dürfen. Ebenso sollten stark lahmende Rinder oder Rinder mit Lungenentzündung als nicht transportfähig gelten. Da jedoch detaillierte Kriterien für alle Tierarten zur Beurteilung fehlen, können die Transporteure selbst entscheiden, ob die Tiere transportfähig sind. Da hilft es auch nicht, wenn die Transportfähigkeit durch noch zu definierende Indikatoren am Zielort festgestellt werden soll. Völlig absurd ist die geplante Regelung, wonach Tierschutzverstöße durch die Transporteure selbst gemeldet werden sollen. Die Motivation zur Selbstanzeige wird sich ziemlich in Grenzen halten.
Fehlen: Klima-Überwachungssysteme
Weitere Mängel betreffen die zulässigen Mindest- und Höchsttemperaturen für den Transport: Nach den Empfehlungen der EFSA reichen die vorgeschlagenen Temperaturbereiche bis 30 Grad am Tage nicht aus. Für Transporte auf LKWs oder in Containern werden keine Mindest- und Höchsttemperaturen erwähnt. Transporte sollten wenn überhaupt nur bei Außentemperaturen zwischen 5-25° Celsius stattfinden dürfen. Es fehlen auch die von der EFSA empfohlenen obligatorische Überwachungssysteme für das Mikroklima in den Fahrzeugen. Ein weiteres Versäumnis sind die fehlenden konkreten Regelungen zu den geplanten Notfallplänen. Diese sollen zwar für Fälle von Verkehrsstörungen, extremen Wetterbedingungen, Unfällen, Krankheitsausbrüchen usw. eingeführt werden. Diese Maßnahmen werden jedoch nicht im Detail beschrieben.
Positiv: Echtzeit-Ortung und Dokumentation der Fahrten
Eindeutig positiv ist die geplante Echtzeit-Ortung der Fahrzeuge, die obligatorische Rückverfolgbarkeit der Transporte und die Aufzeichnung und Speicherung der Daten in der EU-Datenbank für Tiertransporte (TRACES). Zu begrüßen ist auch die Regelung, nach der ungeeignete Frachter, die derzeit 55 Prozent der zugelassenen Tiertransportflotte in der EU ausmachen, nicht mehr eingesetzt werden dürfen. Es sollen nur noch Schiffe eingesetzt werden, die mit „gut“ oder „durchschnittlich“ zertifiziert wurden.
Licht und Schatten beim Transport von Haustieren
Der Entwurf regelt auch den Transport von Haustieren. Positiv ist, dass deren Mindest-Transportalter auf 12 Wochen betragen soll. Zu begrüßen ist auch die Einführung neuer artspezifischer Kriterien, wobei diese noch zu vage sind. Was jedoch fehlt, ist die Regelung einer maximalen Reisezeit. Nach dem bisherigen Entwurf können Katzen und Hunde tagelang transportiert werden, auch wenn sie trächtig sind. Die einzige Voraussetzung ist, dass sie „mindestens alle 24 Stunden“ gefüttert werden. Beim Transport sogenannter Versuchstiere bleiben die Regelungen wage und es gibt viele Einschränkungen. Dabei werden weltweit tatsächlich viele Tiere transportiert, die in Versuchen eingesetzt werden sollen. Dies sind beispielsweise Primaten, die aus Mauritius mit dem Flugzeug in die EU importiert werden.
Tiertransporte konsequent verbieten
Die Tierschutzverbände werden sich gemeinsam für diese und darüberhinausgehende Verbesserungen stark machen. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte fordert, die qualvollen Tiertransporte endlich komplett zu beenden. Die eklatanten Missstände werden durch die geplanten Vorgaben zwar abgemildert. Doch dies bewahrt die Tiere jedoch nicht vor Verstößen und einem grausamen Ende in den Schlachthöfen der Zielländer. Nötig ist eine grundsätzliche Wende weg vom Transport lebender Tiere. Dies gelingt nur mit einem konsequenten Verbot der Tierqualtransporte, egal ob zu Schlacht- und Zuchtzwecken. Verbraucher:innen müssen ihrerseits realisieren, dass die Transporte direkt mit unserem Konsum tierischer Produkte zusammenhängen. Die Tiere zahlen die Zeche dafür, dass wir Milch, Fleisch und Eier essen können.