Am 8. Oktober 2023 wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt. Um den Wähler:innen eine Orientierung zu geben, hat der Bundesverband Menschen für Tierrechte die größten demokratischen Parteien zu ihren Tierschutzplänen befragt. In ihren Antworten sprechen sich zwar alle Parteien für Verbesserungen bei der Tierhaltung und mehr Kontrollen aus, einen echten Wandel weg von der Tierhaltung hin zu pflanzlichen Eiweißträgern, sucht man in den Antworten der meisten Parteien jedoch vergebens. Den größten Willen für Veränderung zeigen die Grünen und die Linke. Sie sprechen sich für die Einführung von Klagerechten für Tierschutzorganisationen, den Ausbau der pflanzlichen Ernährung und für einen Ausstieg aus dem Tierversuch aus.
Bayern ist bekannt als Land von Weißwurst und Alpenmilch. Doch das scheinbar idyllische Bild von grasenden Kühen wurde in den letzten Jahren von zahlreichen Dokumentationen aus Schlachthöfen, von Tiertransporten und aus Milch- und Mastbetrieben gestört, die grausamste Tierquälereien zeigten. Die verstörenden Bilder von SOKO-Tierschutz aus dem Schlachthof Aschaffenburg zeigten zuletzt, wie Tiere ohne wirksame Betäubung bei lebendigem Leib zerlegt wurden. Der Allgäuer Tierschutzskandal offenbarte 2019, wie Kühe und Kälber in fünf Betrieben grausam misshandelt wurden. Und dies sind nur zwei Beispiele von vielen. Doch allen Skandalen zum Trotz, spiegelt sich in den Landesparteiprogrammen der stärksten Parteien wider, für wen die Politik gemacht wird. Im Vorfeld der Landtagswahl stellte der Bundesverband den sechs größten Parteien Fragen zu ihren Plänen bezüglich Agrar- und Ernährungswende und auch anderen tierschutzrelevanten Themen wie Tierversuche und Stadttaubenmanagement.
Setzen auf Freiwilligkeit: CSU, FDP und Freie Wähler
Die CSU und die Freien Wähler verstehen die Tierhaltung als bayerisches Kulturgut, das unterstützt werden muss. Verbraucher:innen sollen nicht in ihren Ernährungsgewohnheiten beeinflusst werden, wobei die Freien Wähler deutlich machen, dass für sie tierische Produkte explizit zu einer gesunden Ernährung gehören. Die Liberalen argumentieren erwartungsgemäß mit der Entscheidungsfreiheit Landwirt:innen und Konsument:innen und dem Gesetz von Angebot und Nachfrage. Ansätze, wie auf die bekannten Missstände in der Tierhaltung reagiert werden soll, unterscheiden sich enorm. Interessant ist hierbei, dass die Freien Wähler die Verantwortung für die Einhaltung der Gesetze weitgehend an den Bund abtreten wollen, während die CSU Landwirt:innen und Waldbesitzer:innen regelrecht idealisiert und bei Tierschutzvergehen lediglich von „vereinzelten schwarzen Schafen“ spricht und darum auch keine großen Verbesserungen bei Kontrollen oder Strafverfolgung von Tierschutzvergehen für notwendig erachtet.
FDP fordert Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Tierschutz
Hier hebt sich die FDP mit konkreten Forderungen ab: Sie spricht sich für Verbesserungen im Vollzug, wie Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Tierschutz, eine bessere Ausstattung der Behörden, hohe Standards in der Überwachung der Tiergesundheit und eine Ombudsstelle aus, bei der Amtsveterinäre Verstöße melden können.
FDP und Freie Wähler wollen tierversuchsfreie Verfahren stärker fördern
Erfreulich sind die Aussagen von FDP und Freien Wählern zur Notwendigkeit der Entwicklung von mehr tierversuchsfreien Verfahren in Forschung und Lehre. Die FDP fordert zusätzlich eine Negativ-Datenbank für missglückte Tierversuche, während die Freien Wähler in ihrer Antwort mehr Gewicht auf ein tierverbrauchsfreies Studium legen.
SPD, Grüne und Linke sprechen sich für Klagerechte aus
Einer Einführung der Tierschutzverbandsklage erteilen jedoch alle drei Parteien eine Absage. Ganz anders positionieren sich SPD, Grüne und die Linke: Sie fordern die Einführung eines Verbandklagerechts für anerkannte Tierschutzorganisationen.
SPD: Kein Mut für echte Agrarwende
In Bezug auf Verbesserungen bei der Tierhaltung bleibt die SPD unkonkret. Sie will eine verpflichtende Kennzeichnung von Haltungsform und Herkunft sowie kurze Transportwege. Aber auch sie spricht von der Erhaltung der „einzigartig bäuerlich-geprägten Kulturlandschaft“. Der Fokus der SPD liegt auf der Förderung regionaler und ökologischer Erzeugung und nicht auf einer grundsätzlichen Hinwendung zu einer pflanzenbasierten Produktion.
Grüne: Zaghafte Ansätze für pflanzliche Ernährung
Den Willen für eine echte Agrar- und Ernährungswende findet man jedoch auch bei den Grünen nur in Ansätzen. Sie sprechen sich zwar für eine Reduktion der Tierbestände, zum Beispiel durch die flächengebundene Tierhaltung, aus. Positiv ist, dass sich die Grünen für den Ausbau pflanzlicher Angebote in öffentlichen Einrichtungen einsetzen sowie für eine Ausbildungsoffensive für Berufe des Lebensmittelhandwerks. Hier wollen sie den Fokus mehr auf pflanzliche Gerichte setzen.
Linke will umstiegswillige Landwirt:innen fördern
Die Linke hingegen bekennt sich klar zu einer Reduktion des Konsums tierischer Produkte und zu einer Abstockung der Tierbestände. Dazu will sie eine Strategie zur Reduzierung des Konsums tierischer Produkte und zur Steigerung pflanzlicher Nahrungsmittel auflegen. Durch finanzielle Förderung und Beratung will die Linke den Ausstieg aus der Tierhaltung für die Landwirt:innen attraktiv machen.
Pläne orientieren sich an Bundesebene
Grüne, Linke und SPD wollen Tierschutzvergehen mit mehr Kontrollen und einer konsequenteren Strafverfolgung bekämpfen. Dazu sollen die zuständigen Behörden besser ausgerüstet werden. Die bayrischen Grünen heben dabei die Reformen auf Bundesebene hervor. SPD und Grüne wollen zudem eine unabhängige Tierschutzbeauftragte einsetzen. Die Linke will Missständen mit der Einführung einer Videoüberwachung von Schlachthöfen und dem Verbot von Akkordarbeit und Dumpinglöhnen begegnen. Die Grünen setzen sich zudem für die Stärkung des Tierschutzes in der veterinärmedizinischen Ausbildung und Tierschutz-Schwerpunktstaatsanwaltschaften in allen Regierungsbezirken ein.
Grüne den Ausstieg aus dem Tierversuch
Im Bereich Tierversuche haben die Grünen die ambitioniertesten Pläne: Um Tierversuche langfristig zu ersetzen, wollen sie einen Ausstiegsplan vorlegen, tierversuchsfreie Forschung an den Universitäten fördern und jährlich einen Forschungspreis für Alternativmethoden verleihen. Außerdem wollen sie die beratenden Kommissionen der Genehmigungsbehörden paritätisch mit Mitgliedern aus Tierschutz und Wissenschaft besetzen. SPD und Linke planen, die Fördergelder für tierversuchsfreie Verfahren zu erhöhen. Die Linken fordern sogar ein Verbot von Tierversuchen.
Stadttauben: Viel Luft nach oben
Auf die Frage, ob die Parteien das tierschutzgerechte Stadttaubenkonzept für Kommunen empfehlen und fördern wollen, antworten die Mehrzahl der Parteien ausweichend. Nur die Linke will das Stadttaubenkonzept empfehlen und fördern. Die SPD will es den Kommunen zumindest empfehlen.
Fazit: Klimakrise und Missstände erfordern konsequente Maßnahmen
„Nach unserer Analyse geben die Grünen dem Tierschutz den meisten Raum in ihren Plänen. Positiv ist ihr klares Bekenntnis zu einem Ausstiegsplan aus dem Tierversuch. Hier gehen die bayrischen Grünen weiter als ihre Parteikollegen auf Bundesebene, die sich hier nur auf eine Reduktionsstrategie einigen konnten und auch diese ist die Ampel bisher schuldig geblieben. Ansonsten orientieren sich die Grünen im Süden sehr an den Plänen der Ampel. Doch dies könnte sich als Sackgasse erweisen, denn bei den Streitigkeiten auf Bundesebene, laufen die recht ambitionierten Tierschutzpläne aus dem Koalitionsvertrag derzeit Gefahr, unter den Tisch zu fallen,“ kommentiert Carolin Spicher, Fachreferentin beim Bundesverband Menschen für Tierrechte. Zaghaft gehen die bayrischen Grünen auch die Ernährungswende an. Hier profiliert sich dagegen die Linke, die eine Strategie zur Reduzierung des Konsums tierischer Produkte und zur Steigerung pflanzlicher Nahrungsmittel ankündigt und Landwirtinnen den Ausstieg aus Tierhaltung attraktiv machen will. Genau hier müsste die Politik ansetzen und Produktion und Konsum gezielt steuern, um dem Klimatreibern Tierhaltung und Fleischkonsum endlich Einhalt zu gebieten.
Mit großen Verbesserungen ist nicht zu rechnen
„Wenn die aktuell regierenden Parteien im Amt bleiben, ist mit großen Verbesserungen für die Tiere nicht zu rechnen. Viel zu stark orientieren sich beide Parteien an den Bedürfnissen ihrer konservativen Klientel und setzen auf wirkungslose freiwillige Maßnahmen,“ befürchtet Spicher. Beim Thema Tierversuche zeigen die Parteien mehr Veränderungsbereitschaft. Dies ist auch dringend nötig, denn der Ausbau tierversuchsfreier Verfahren am Forschungsstandort Bayern ist längst überfällig.
Bei allen Angaben handelt es nicht um eine Wahlempfehlung. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte e.V. ist politisch neutral.
Hier können Sie sich die ausführlichen Auswertung der Antworten und Wahlprogramme der Parteien ansehen und auch die Wahlprogramme herunterladen: www.tierrechte.de
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Pressestelle:
Christina Ledermann
Mobil: 0179/450 46 80
E-Mail: ledermann@tierrechte.de
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Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Severinusstr. 52, 53909 Zülpich
Tel: 02252/830 12 10
www.tierrechte.de
www.ausstieg-aus-der-tierhaltung.de
www.ausstieg-aus-dem-tierversuch.de
www.invitrojobs.de
www.satis-tierrechte.de
www.stadttauben.de
Der Bundesverband Menschen für Tierrechte setzt sich seit seiner Gründung 1982 auf rechtlicher, politischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene für die Anerkennung elementarer Tierrechte ein und kämpft gegen jeglichen Missbrauch von Tieren. Das langfristige Ziel ist eine grundsätzliche Veränderung des Mensch-Tier-Verhältnisses. Dem Dachverband mit Hauptsitz in Zülpich (früher Aachen) sind Vereine sowie private Fördermitglieder angeschlossen. Seine Stärke liegt im Zusammenwirken von Seriosität, Fachwissen und Lobbyarbeit auf höchster politischer Ebene. Dazu verfolgt der Verband einen Masterplan zum Ausstieg aus dem Tierversuch und eine Ernährungs- und Agrarwende von der tierischen zur pflanzlichen Eiweißproduktion. Mit dem Projekt Ausstieg aus der Tierhaltung zeigt er Landwirt:innen Alternativen auf, wie sie auch ohne sogenannte Nutztiere erfolgreich und nachhaltig wirtschaften können. Um tierversuchsfreie Methoden voranzubringen, veröffentlicht der Verband das „Ersatzverfahren bzw. Replace des Jahres“ sowie das: „Versuchstier des Jahres“, betreibt die Wissenschaftsplattform InVitro+Jobs für eine konsequente Förderung der tierversuchsfreien Forschung und setzt sich mit dem Projekt SATIS für eine humane Ausbildung ein. Außerdem unterstützt der Verband das tierschutzkonforme Stadttaubenmanagement und gibt mehrmals im Jahr das Magazin tierrechte heraus. Neben einem Themenschwerpunkt informiert die Zeitschrift Journalisten, Wissenschaftler, Politiker, Behörden und Verbandsmitglieder über aktuelle Entwicklungen in der politischen Tierrechtsarbeit. Zudem erscheint zweimal monatlich der Tierrechte Newsletter. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte ist seit seiner Gründung als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt. Beiträge und Spenden sind steuerlich absetzbar.