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23. Juni 2023: Offener Brief: Tierschutz-Notstand in Hamburg – keine Hilfe für Stadttauben

Menschen für Tierrechte appelliert an die Stadt, ihre Fürsorgepflichten für die Haustiere zu erfüllen

Hamburg befindet sich seit Wochen im Tierschutz-Notstand. Das einzig städtische Tierheim ist aufgrund mangelnder Kapazitäten nicht mehr in der Lage, verwaiste, verletzte und geschwächte Stadttauben zu versorgen. Hilfsbedürftige Tiere werden zum Teil eingeschläfert. Menschen für Tierrechte appelliert an die Freie und Hansestadt Hamburg ihre Fürsorgepflichten für die Haustiere zu erfüllen und Stadttaubenschläge und Auffangstationen einzurichten. Vorbild ist Berlin, das kürzlich ein umfassendes Stadttaubenkonzept beschlossen hat.

Ende April hat das Hamburger Tierheim einen bedingten Aufnahmestopp verhängt. Ein Ende ist nicht in Sicht. Die privaten Pflegestellen, die sich um Stadttauben kümmern, sind überfüllt, viele Notfälle können nicht mehr versorgt werden. Teilweise müssen sogar kranke, verletzte und geschwächte Tiere wieder auf die Straße gesetzt oder aus Not euthanasiert werden.

Vermeidbare Katastrophe
„Bei circa 4.000 Notfällen pro Jahr ist das eine absolute Katastrophe“, kritisiert die Biologin Dr. Claudia Gerlach, Fachreferentin beim Bundesverband Menschen für Tierrechte. „Die schweren Leiden und Schäden und das qualvolle Sterben zahlreicher Tiere aufgrund unterlassener Hilfeleistung widersprechen dem Tierschutzgesetz, denn dies könnte durch Auffangstationen vermieden werden. Die Tatsache, dass Stadttauben vom Menschen gezüchtete Haustiere sind, die von der menschlichen Versorgung abhängig sind, muss auch Hamburg begreifen und endlich Verantwortung für die katastrophalen Lebensbedingungen der Tiere übernehmen“, fordert Gerlach.

Nötig: Auffangstationen und Taubenschläge
Menschen für Tierrechte hat deswegen die Bürgerschaft und den Senat Hamburgs sowie die Justiz- und Verbraucherschutzbehörde in einem Offenen Brief aufgefordert, die kommunalen Fürsorgepflichten für Stadttauben gemäß dem Gutachten der Berliner Senatsverwaltung zu übernehmen (1). Der Verein fordert Hamburg auf, Auffangstationen einzurichten und die Errichtung und Betreuung von Stadttaubenschlägen sicherzustellen. Dazu gehört auch die schnelle Unterstützung des Tierheims zur Erweiterung der Aufnahmekapazitäten. Zukünftig sollte auch eine achtwöchige Baustellen-„Vorab“-Betreuung mit Ei-Austausch erfolgen, um die große Zahl bedürftiger Jungtiere zu reduzieren.

Hamburg verkennt Verantwortung
Die am häufigsten gemeldeten Notfälle sind verwaiste Jungtauben, die ohne Hilfe qualvoll verhungern. Hinzu kommen Tauben mit Verschnürungen oder verletzten Füßen, geschwächte sowie verletzte Tiere. In mehreren Hamburger Bezirken sind Stadttaubenschläge geplant, teilweise werden Kosten bereitgestellt. „Das begrüßen wir ausdrücklich“, sagt Gerlach. „Wir sind allerdings empört über die Antwort der Hamburger Justiz- und Verbraucherschutzbehörde bezüglich der Einrichtung von Auffangstationen. Darin behauptet die Stadt, sie sei nicht zuständig für Stadttauben. Die Privatleute sollen sich aus eigenen Mitteln um sie kümmern. Auch die Hamburger Politik ist nicht bereit, sich für Auffangstationen einzusetzen“, kritisiert die Biologin.

Stadttauben sind Haustiere
Stadttauben sind keine Wildtiere, es liegt auch keine Rückverwilderung vor. Im Hinblick auf Verhalten, Nahrungs- und Brutbedürfnisse sowie ihre hohe Brutaktivität handelt es sich bei Stadttauben um gezüchtete Tiere. Stadttauben gehören demnach zu den Haustieren und sind eher vergleichbar mit Hund und Katze als mit Wildtauben.

Kommunen haben Schutzpflichten
Daraus ergeben sich rechtliche Pflichten zur Lösung der menschengemachten Tierschutz-Probleme. Diese Schutz- bzw. Halterpflichten der Kommunen können nur durch die Einführung eines Stadttaubenmanagements auf Basis betreuter Stadttaubenschläge erfüllt werden (1). Die artgerechte Versorgung der Tiere in Stadttaubenschlägen sowie der Ei-Austausch vermindert die Präsenz der Tiere an vorherigen Hotspots und die Schwarmgröße. Das tierschutzgerechte Stadttaubenmanagement ist ein Gesamtkonzept – dazu gehört auch die Versorgung verwaister, verletzter und geschwächter Stadttauben (1).

Vorbildlich: Berliner Stadttaubenkonzept
Vorbilder sind Niedersachsen, das die Errichtung und Ausstattung von Taubenschlägen zur tierschutzgerechten Regulierung der Stadttaubenschwärme fördert (2) und das neue Berliner Stadttaubenkonzept (3). Dieses umfasst eine Aufklärungs- und Informationskampagne, bezirkliche Ansprechpersonen, die Finanzierung von Taubenschlägen, Auffangstationen, die Betreuung der Schläge durch das Land Berlin sowie tierschutzgerechte Vergrämungen. Laut dem Konzept sind betreute Taubenschläge die einzige Maßnahme, die sowohl Verschmutzungen und Belästigungen reduziert als auch die gesundheitliche Betreuung der Tiere sicherstellt und damit dem Staatsziel Tierschutz gerecht wird. Stadttaubenschläge sind zudem eine kostengünstige Vorsorgemaßnahme zur Vermeidung von Reinigungs- und Restaurierungsmaßnahmen.

Den Offenen Brief können Sie sich hier als PDF herunterladen.

(1) Rechtsgutachten Stadttaubenschutz.Arleth C., Hübel J. Tierschutzbeauftragte des Landes Berlin. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, 29.10.2021.
(2) Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung der Errichtung und Ausstattung von Taubenschlägen zur tierschutzgerechten Regulierung der Stadttaubenschwärme verlängert, Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, 29.03.2023.
(3) Das Berliner Stadttaubenkonzept, Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz. Die Landestierschutzbeauftragte, 26. April 2023.

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Pressestelle:
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Fon: 05840/2900025
Mobil: 0179/450 46 80
E-Mail: ledermann@tierrechte.de
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Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Severinusstr. 52, 53909 Zülpich
Tel: 02252/830 12 10
www.tierrechte.de
www.ausstieg-aus-der-tierhaltung.de
www.ausstieg-aus-dem-tierversuch.de
www.invitrojobs.de
www.satis-tierrechte.de
www.stadttauben.de


Der Bundesverband Menschen für Tierrechte setzt sich seit seiner Gründung 1982 auf rechtlicher, politischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene für die Anerkennung elementarer Tierrechte ein und kämpft gegen jeglichen Missbrauch von Tieren. Das langfristige Ziel ist eine grundsätzliche Veränderung des Mensch-Tier-Verhältnisses. Dem Dachverband mit Hauptsitz in Zülpich (früher Aachen) sind Vereine sowie private Fördermitglieder angeschlossen. Seine Stärke liegt im Zusammenwirken von Seriosität, Fachwissen und Lobbyarbeit auf höchster politischer Ebene. Dazu verfolgt der Verband einen Masterplan zum Ausstieg aus dem Tierversuch und eine Ernährungs- und Agrarwende von der tierischen zur pflanzlichen Eiweißproduktion. Mit dem Projekt Ausstieg aus der Tierhaltung zeigt er Landwirt:innen Alternativen auf, wie sie auch ohne sogenannte Nutztiere erfolgreich und nachhaltig wirtschaften können. Um tierversuchsfreie Methoden voranzubringen, veröffentlicht der Verband das „Ersatzverfahren bzw. Replace des Jahres“ sowie das: „Versuchstier des Jahres“, betreibt die Wissenschaftsplattform InVitro+Jobs für eine konsequente Förderung der tierversuchsfreien Forschung und setzt sich mit dem Projekt SATIS für eine humane Ausbildung ein. Außerdem unterstützt der Verband das tierschutzkonforme Stadttaubenmanagement und gibt mehrmals im Jahr das Magazin tierrechte heraus. Neben einem Themenschwerpunkt informiert die Zeitschrift Journalisten, Wissenschaftler, Politiker, Behörden und Verbandsmitglieder über aktuelle Entwicklungen in der politischen Tierrechtsarbeit. Zudem erscheint zweimal monatlich der Tierrechte Newsletter. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte ist seit seiner Gründung als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt. Beiträge und Spenden sind steuerlich absetzbar.

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