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13. April 2023: EU-Versuchstierzahlen 2020: Trauriger Spitzenplatz für Deutschland

Menschen für Tierrechte fordert Deutschland und die EU auf, den Ausstieg endlich einzuleiten

Fast neun Millionen Tiere wurden im Jahr 2020 in europäischen Laboren eingesetzt, die meisten davon in Deutschland. Das geht aus dem von der EU-Kommission veröffentlichten Bericht über die Verwendung von Tieren für wissenschaftliche Zwecke hervor. Die Zahlen gingen im Vergleich zu 2019 (11.827.686) zwar leicht zurück, dies ist jedoch eine Folge der COVID-19 Pandemie und lässt nicht auf einen Paradigmenwechsel schließen. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte fordert Deutschland und die EU auf, den Willen der EU-Bürger:innen endlich umzusetzen und den Ausstieg aus dem Tierversuch einzuleiten.

Die EU-Kommission hat die Statistik (1) über die Verwendung von Tieren für wissenschaftliche Zwecke in den 27 EU-Mitgliedstaaten und Norwegen im Jahr 2020 veröffentlicht. Im Jahr 2020 wurden insgesamt 8.054.930 Tiere erstmals oder zum wiederholten Male in Versuchen eingesetzt. Hinzu kommen weitere 686.828 Tiere, die zum Erhalt bestehender oder zur Schaffung neuer genveränderter Linien ihr Leben lassen mussten. Wie in den Vorjahren starben in die meisten Tiere in Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien, Belgien, die Niederlande, Schweden und Dänemark in Tierversuchen. Über 5,3 Millionen Tiere wurden allein in diesen Ländern im Jahr 2020 verwendet.

Armutszeugnis für Deutschland
„Es ist ein Armutszeugnis: In Deutschland leiden und sterben EU-weit die meisten Tiere in Versuchen. Nach dem Wegfall der Tierversuchshochburg Großbritannien besetzt Deutschland mit knapp 1,9 Millionen lebend in Versuchen eingesetzten Tieren den beschämenden Spitzenplatz. In zwölf anderen Mitgliedsstaaten sind die Zahlen 2020 sogar noch gestiegen – eine schlechte Bilanz für eine EU, die vorgibt, perspektivisch aus dem Tierversuch aussteigen zu wollen“, kritisiert die Biologin und Fachreferentin des Verbandes Carolin Spicher.

Dunkelziffer weiterhin nicht erfasst
Nicht in der EU-Statistik enthalten sind die Tiere, die getötet wurden, um beispielsweise Organe und Gewebe zu entnehmen. 2020 wurden in Deutschland 633.784 Tiere für diesen Zweck erfasst (2). Ebenso fehlen die sogenannten überzähligen Versuchstiere die zwar für wissenschaftliche Zwecke gezüchtet und getötet, aber beispielsweise aufgrund des falschen Geschlechts oder des nicht passenden Genotyps letztlich nicht in Versuchen eingesetzt wurden. In Deutschland werden diese Tiere seit 2021 gemeldet (3). Die erschreckende Zahl für 2021 betrug 2.554.560 Tiere. „Wir können nur schätzen, wie viele Tiere tatsächlich in Europa für oder in Versuchen leiden und sterben. Wir befürchten, dass es tatsächlich mehr als doppelt so viele Tiere sind“, befürchtet Spicher.

Fast 800.000 Tiere leiden „schwer“
Die hauptsächlich in Versuchen verwendeten Tiere waren Mäuse, Fische, Ratten und Vögel, die zusammen 91 Prozent der Tiere ausmachten. Wie in den Vorjahren wurden mehr als 70 Prozent der Tiere für die Forschung verwendet, davon etwa 40 Prozent für die Grundlagenforschung und 30 Prozent für die translationale und angewandte Forschung. Weitere 17 Prozent der Tiere wurden in gesetzlich vorgeschriebenen Tierversuchen eingesetzt. Zehn Prozent der Tiere (796.750) wurden in besonders belastenden Versuchen mit dem Schweregrad „schwer“ eingesetzt.

Pandemie führt zu Anstieg
Elf Mitgliedstaaten gaben laut Bericht an, dass nationale Maßnahmen aufgrund der COVID-19-Pandemie teilweise für den Rückgang der Zahlen in ihren Ländern verantwortlich waren. Im Kontrast dazu führten vier der zwölf Länder, die steigende Zahlen meldeten, den Anstieg auf zusätzliche Forschungsprojekte im Zusammenhang mit COVID-19 zurück. Der Verband erwartet, dass die Zahlen wieder steigen oder zumindest gleichbleiben werden.

Zunahmen bei einigen Tierarten
Tatsächlich beschreibt der Bericht beträchtliche neue Zunahmen bei der Verwendung einiger Tierarten. Der Einsatz von Pferden, Eseln und Mischlingen stieg beispielsweise um 176 Prozent. Auch bei den Katzen stiegen die Zahlen um 15 Prozent. Der Einsatz von anderen Karnivoren und Hamstern stieg um 59 beziehungsweise 66 Prozent. Der Verband hatte in seiner Reihe „Versuchstier des Jahres“ bereits den Hamster in der Infektionsforschung sowie das Frettchen als Modell für Infektionen des Respirationstrakts vorgestellt.

EU muss sich USA zum Vorbild nehmen
„Die Statistik zeigt, dass die EU von einem Ausstieg aus dem Tierversuch noch weit entfernt ist, obwohl das der erklärte Wille des EU-Parlamentes und der EU-Bürger:innen ist. Eine aktuelle in acht relevanten EU-Mitgliedstaaten durchgeführte Meinungsumfrage (4) belegt, dass die Bürger:innen den vollständigen Ersatz von Tieren wünschen. Die Bundesregierung muss endlich ihrem Versprechen aus dem Koalitionsvertrag nachkommen und ihre Reduktionsstrategie konsequent umsetzen. Die EU muss dem guten Vorbild der USA folgen, eine umfassende Strategie für alternative Testmethoden entwickeln und zulassen, dass Medikamente auf Basis tierversuchsfreier Verfahren zugelassen werden dürfen“, fordert Spicher.

Quellen

(1) European Commission: Commission Staff Working Document „Summary Report on the statistics on the use of animals for scientific purposes in the Member States of the European Union and Norway in 2020“

(2) Verwendung von Versuchstieren im Jahr 2020 in Deutschland

(3) Verwendung von Versuchstieren im Jahr 2021 in Deutschland

(4) Umfrage von Savanta ComRes

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Der Bundesverband Menschen für Tierrechte setzt sich seit seiner Gründung 1982 auf rechtlicher, politischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene für die Anerkennung elementarer Tierrechte ein und kämpft gegen jeglichen Missbrauch von Tieren. Das langfristige Ziel ist eine grundsätzliche Veränderung des Mensch-Tier-Verhältnisses. Dem Dachverband mit Hauptsitz in Zülpich (früher Aachen) sind Vereine sowie private Fördermitglieder angeschlossen. Seine Stärke liegt im Zusammenwirken von Seriosität, Fachwissen und Lobbyarbeit auf höchster politischer Ebene. Dazu verfolgt der Verband einen Masterplan zum Ausstieg aus dem Tierversuch und eine Ernährungs- und Agrarwende von der tierischen zur pflanzlichen Eiweißproduktion. Mit dem Projekt Ausstieg aus der Tierhaltung zeigt er Landwirt:innen Alternativen auf, wie sie auch ohne sogenannte Nutztiere erfolgreich und nachhaltig wirtschaften können. Um tierversuchsfreie Methoden voranzubringen, veröffentlicht der Verband das „Ersatzverfahren bzw. Replace des Jahres“ sowie das: „Versuchstier des Jahres“, betreibt die Wissenschaftsplattform InVitro+Jobs für eine konsequente Förderung der tierversuchsfreien Forschung und setzt sich mit dem Projekt SATIS für eine humane Ausbildung ein. Außerdem unterstützt der Verband das tierschutzkonforme Stadttaubenmanagement und gibt mehrmals im Jahr das Magazin tierrechte heraus. Neben einem Themenschwerpunkt informiert die Zeitschrift Journalisten, Wissenschaftler, Politiker, Behörden und Verbandsmitglieder über aktuelle Entwicklungen in der politischen Tierrechtsarbeit. Zudem erscheint zweimal monatlich der Tierrechte Newsletter. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte ist seit seiner Gründung als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt. Beiträge und Spenden sind steuerlich absetzbar.

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