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Historische Chance: EU-Parlament unterstützt Ende der Käfighaltung

Der 10. Juni 2021 könnte zu einem historischen Tag für den Tierschutz in Europa werden. Denn an diesem Tag stimmte eine Mehrheit der Abgeordneten des EU-Parlamentes für das Ende der Käfighaltung in Europa. Zu verdanken ist dies der EU-Bürgerinitiative „End The Cage Age“, die der Bundesverband Menschen für Tierrechte zusammen mit einem breiten Bündnis aus Tier- und Umweltschutzorganisationen unterstützt hat.

Für das Ende der Käfighaltung stimmten 558 Abgeordnete bei nur 37 Gegenstimmen und 85 Enthaltungen. Der Beschluss ist zwar historisch, aber gleichzeitig auch überfällig, denn die Haltungsbedingungen in Deutschlands und Europas Tierindustrie sind unhaltbar und gesellschaftlich nicht mehr akzeptiert. Über 300 Millionen Tiere verbringen ihr ganzes oder zumindest einen Teil ihres Lebens in Käfigen. Dazu zählen Kaninchen (85 Prozent), Legehennen (50 Prozent), Schweine und viele weitere Tiere. Die EU-Kommission ist jetzt unter Zugzwang, ein Gesetz zur Abschaffung der Käfighaltung zu verabschieden.

Industrielle Tierhaltung: unhaltbare Bedingungen
Die Bedingungen, unter denen Tiere ihr leidvolles und meist kurzes Leben verbringen, sind schlicht Tierquälerei. Deswegen unterzeichneten über 1,4 Millionen Bürgerinnen und Bürger aus 18 Mitgliedsstaaten – etwa 500.000 allein aus Deutschland.– die Initiative zum Ende der Käfighaltung. Konkret fordert die Bürgerinitiative, unterstützt von einem breiten Bündnis aus Tier- und Umweltschutzorganisationen, unter anderem auch vom Bundesverband Menschen für Tierrechte, ein Verbot von Käfigen für sogenannte Legehennen, Masthähnchen, Kaninchen, Junghennen, Legetieren, Wachteln, Enten und Gänsen. Außerdem umfasst der Beschluss ein Verbot von Abferkelbuchten und Kastenständen für Sauen und Einzelboxen für Kälbern.

Ende der Käfighaltung bis spätestens 2027
Wichtiger Teil des Beschlusses waren die schnelle Überarbeitung der völlig veralteten EU-Richtlinie zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere und ein festes Datum für das Ende der Käfighaltung. Außerdem müssen zukünftig alle Produkte, die auf den europäischen Markt kommen aus käfigfreien Haltungsformen kommen. Die Entschließung betont auch die Notwendigkeit, Landwirte beim Übergang zu käfigfreien Systemen mit ensprechenden Förderprogrammen zu unterstützen. Mit der Entschließung fordert das EU-Parlament die EU-Kommission auf, bestehende Gesetze zu überarbeiten, um bis möglichst 2027 das Ende der Käfighaltung in Europa einzuleiten. Die Kommission will bis zum 30. Juni 2021 ihre Antwort auf die Bürgerinitiative bekanntgeben. Sie hat angekündigt, bis 2023 einen Gesetzesvorschlag vorzulegen. Der Vorschlag bedarf der Zustimmung des Europäischen Parlaments und des Rates der EU.

Wehrmutstropfen: Konservative setzen Ausnahmen durch
Leider setzte der von konservativen Abgeordneten dominierte Landwirtschaftsausschuss in den Verhandlungen durch, dass sich die EU-Kommission vor einer Gesetzesänderung neue Studien zu möglichen negativen Folgen des Endes der Käfighaltung für Tiere und LandwirtInnen einholen müsse. Die Agrarlobby ist sehr stark in diesem Ausschuss und sie versucht immer wieder, Tierschutzverbesserungen zu blockieren oder zu verwässern. Ein von den Grünen eingebrachter Änderungsantrag scheiterte an einer Mehrheit aus CDU, Liberalen und Rechtskonservativen. Dies ist enttäuschend, wenngleich erwartbar.

Beschlossen: Verbot der Stopfleberproduktion
Außerdem konnte mit einem Antrag der Grünen und der Linken ein Verbot der grausamen Zwangsfütterung von Enten und Gänsen zur Produktion von Stopfleber erreicht werden. Dies leitet das hoffentlich baldige Ende dieser furchtbaren Tierquälerei ein.

Unumgänglich: radikale Transformation der Landwirtschaft
Trotz der Blockade der Agrarlobby ist die Entscheidung, das Ende der Käfighaltung einzuleiten, ein sehr großer Erfolg. Er zeigt wie wichtig, ja, wie unumgänglich eine radikale Transformation der Landwirtschaft ist. Außerdem ist es ein großer Erfolg für das starke Bündnis aus vielen verschiedenen Tierschutzorganisationen, die gemeinsam für dieses wichtige Ziel gekämpft haben. Gemeinsam sind wir stark – dies ist in diesem Falle nicht nur eine Platitude. In diesem Sinne werden wir uns – gerne auch im Verbund mit anderen Tierschutzorganisationen – weiter für mehr Tierschutz und langfristig für die Abschaffung der industriellen und der kompletten („Nutz“-) Tierhaltung einsetzen. Danke an alle, die die EU-Bürgerinitiative „End The Cage Age“ unterstützt haben.

Positive Reaktionen aus dem Parlament
Die Europaabgeordnete Eleonora Evi, Co-Vorsitzende der Arbeitsgruppe „Käfigfreie Landwirtschaft“ im EU-Parlament, erklärte: „Heute ist ein historischer Tag im Kampf für ein käfigfreies Europa. Mit der Annahme einer Entschließung, in der ein schrittweiser Auslauf der Verwendung von Käfigen in der EU-Tierhaltung gefordert wird, hat das Parlament die EU mit großer Mehrheit dazu gebracht, endlich die grausame Praxis der Käfighaltung zu beenden, die jedes Jahr über 300 Millionen Tiere dazu verurteilt, in einem Käfig zu leben. Mit dieser Entschließung senden wir eine unmissverständliche Botschaft an die EU-Kommission, die jetzt einen Legislativvorschlag vorlegen muss, um das Käfigzeitalter zu beenden und einen Übergang zu humaneren, nachhaltigeren und gesünderen Anbaumethoden in der gesamten EU zu ermöglichen.“

Die Europaabgeordnete Anja Hazekamp, Co-Vorsitzende der Arbeitsgruppe „Käfigfreie Landwirtschaft“, fügte hinzu: „Jedes Jahr werden in Europa Hunderte Millionen Tiere zu landwirtschaftlichen Zwecken in Käfigen eingesperrt. Sie leben unter schrecklichen Bedingungen, ohne die Möglichkeit, ihr natürliches Verhalten auszuüben. Nach der erfolgreichen Bürgerinitiative, die von 1,4 Millionen Bürgern unterzeichnet wurde, schließt sich das EU-Parlament nun der weithin unterstützten Forderung an, Tiere aus ihren Käfigen zu befreien. Die Linke betont, dass jetzt unverzüglich ein Legislativvorschlag vorgelegt werden muss. Spätestens 2027 müssen alle Tierkäfige in Europa verschwinden.“

Auch die für Gesundheit zuständige EU-Kommissarin Stella Kyriakides nahm an der Aussprache über die Entschließung teil und bekundete ihre Unterstützung. Sie merkte an, dass die Verpflichtung der Kommission, das Wohlergehen der Tiere zu verbessern, „nach wie vor ein moralischer, gesundheitlicher und wirtschaftlicher Imperativ bleibt“.

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