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01. Dezember 2020: Tierversuche: Massive Missstände im Genehmigungsverfahren

Tierversuche: Massive Missstände im Genehmigungsverfahren

Menschen für Tierrechte fordert umfassende Reform

Die Corona-Pandemie hat das Thema Tierversuche in den Fokus gerückt. Die Impfstoffforschung wird höchstwahrscheinlich zu einem Anstieg der Tierversuchszahlen führen. Gleichzeitig überarbeitet die Bundesregierung derzeit das Tierversuchsrecht, unter anderem wegen eklatanter Mängel im Genehmigungsprozess. In seinem aktuellen Magazin beschäftigt sich der Bundesverband Menschen für Tierrechte e.V. deswegen intensiv mit dem Thema Genehmigung von Tierversuchen. Das Fazit: Es gibt massive Missstände im gesamten Genehmigungsprozess. Der Verband fordert eine umfassende Reform.

Laut Tierschutzgesetz dürfen Versuche an Tieren nur dann durchgeführt werden, wenn sie unerlässlich und ethisch vertretbar sind. Doch die aktuelle Auswertung des Bundesverbands Menschen für Tierrechte in seinem Magazin tierrechte zeigt ein anderes Bild: Danach werden so gut wie keine Tierversuchsanträge abgelehnt [1]. Die Genehmigungsbehörden haben nach der aktuellen Rechtsprechung kein umfassendes Prüfrecht, sie dürfen nur eine reine Plausibilitätsprüfung durchführen. Die Tierversuchskommissionen sind mehrheitlich mit Tierversuchsbefürwortern besetzt, obwohl es möglich ist, die Gremien ausgewogen zu besetzen. Die Belastungen der Tiere werden oft als zu gering eingestuft. Tiere, die den Versuch überstanden haben, werden getötet, obwohl sie weiterleben könnten. Es gibt keine einheitlichen Kriterien und keine praxistauglichen Datenbanken für die schwierige Güterabwägung, ob ein Tierversuch unerlässlich und ethisch vertretbar ist.

Massive Missstände machen Genehmigungsverfahren zur Farce
„Wenn von Tierversuchen die Rede ist, verweisen Forscher gern auf das strenge Genehmigungsverfahren in Deutschland. Doch unsere Auswertung zeigt massive Missstände im gesamten Genehmigungsprozess. Diese reichen von den rechtlichen Vorgaben, über die Anträge der Wissenschaftler bis zur Arbeit der Behörden und Tierversuchskommissionen“, kritisiert Christina Ledermann, Vorsitzende von Menschen für Tierrechte.

Eigenständiges Prüfrecht statt Plausibilität
Der Tierrechtsverband fordert deswegen eine umfassende Reform des gesamten Genehmigungsverfahrens. So sei es unabdingbar, dass bei der derzeitigen Überarbeitung des Tierversuchsrechts das Prüf- und Genehmigungsrecht der zuständigen Behörden explizit festzuschreiben. Die Behörden hätten derzeit keine Möglichkeit, eine eigenständige Schaden-Nutzen-Analyse für beantragte Tierversuche durchzuführen. Sie dürften nur die Angaben des Antragstellers auf Schlüssigkeit und Plausibilität prüfen. Die Folge sei, dass fast jeder Tierversuch bewilligt werde, sofern er formal korrekt gestellt sei.

Gerichtsfeste Kriterien
Damit der Tierschutz in den beratenden Kommissionen nicht zur Alibi-Funktion verkomme, sei zudem notwendig, das Besetzungsverfahren für die beratenden Tierversuchskommissionen transparent zu gestalten. Die Kommissionen müssten ausgewogen mit Personen der Wissenschafts- beziehungsweise der Tierschutzseite besetzt werden. Für die gewissenhafte Bewertung von Versuchsvorhaben sei zudem eine adäquate Ausstattung der Behörden notwendig. Außerdem benötigten alle Verfahrensbeteiligten konkretere Anforderungen an die Genehmigungsvoraussetzungen. Dazu müssen klare Kriterien definiert, sowie verbindliche Prüfschemata, Richtlinien und Belastungskataloge zur Verfügung gestellt werden.

Nötig: Umfassende Reform
„Solange noch kein Ausstiegsplan auf dem Tisch liegt, muss alles dafür getan werden, um die Zahl der Tierversuche und das Leid der Tiere so gering wie möglich zu halten. Bei der Überarbeitung des Tierversuchsrechts hat die Bundesregierung jetzt die Chance, die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren. Dazu muss sie das eigenständige, umfassende und selbstständige Prüf- und Genehmigungsrecht der zuständigen Behörden explizit festschreiben. Um die Problematik der fehlenden Datenbanken anzugehen, hat die Bundesregierung letzte Woche einen guten Anfang gemacht. Mit der Ankündigung eine Plattform für tierversuchsfreie Verfahren [2] bis 2021 mit drei Millionen Euro zu fördern, kommt sie einer wichtigen Forderung von uns nach“, sagt Christina Ledermann.

Die komplette Auswertung sowie weitere Hintergrundinformationen und Forderungen finden Sie im aktuellen Magazin tierrechte unter: www.tierrechte.de

Hier lesen Sie die Stellungnahme zum Referentenentwurf zu den geplanten Änderungen des Tierversuchsrechts.

[1] Bericht der Kommission an das Europäische Parlament den Rat: Bericht 2019 über die statistischen Daten über die Verwendung von Tieren für wissenschaftliche Zwecke in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union in den Jahren 2015-2017. https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/04a890d4-47ff-11ea-b81b-01aa75ed71a1/language-de

[2] https://www.susanne-mittag.info/2020/11/26/bund-foerdert-nationale-plattform-fuer-tierversuchsersatzmethoden-mit-3-millionen-euro/

 

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Pressestelle:
Christina Ledermann
Tel.: 05840/99 99 790
Mobil: 0179/450 46 80
E-Mail: ledermann@tierrechte.de

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Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Neue Geschäftsstelle: Severinusstr. 52, 53909 Zülpich
Tel: 02252/830 12 10, Internet: www.tierrechte.de

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Der Bundesverband Menschen für Tierrechte setzt sich seit seiner Gründung 1982 auf rechtlicher, politischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene für die Anerkennung elementarer Tierrechte ein und kämpft gegen jeglichen Missbrauch von Tieren. Das langfristige Ziel ist eine grundsätzliche Veränderung des Mensch-Tier-Verhältnisses. Dem Dachverband mit Hauptsitz in Zülpich (früher Aachen) sind Vereine sowie private Fördermitglieder angeschlossen. Seine Stärke liegt im Zusammenwirken von Seriosität, Fachwissen und Lobbyarbeit auf höchster politischer Ebene. Dazu verfolgt der Verband einen Masterplan zum Ausstieg aus dem Tierversuch und eine Agrarwende von der tierischen zur pflanzlichen Eiweißproduktion, um das Ende der „Nutztier“-Haltung zu erreichen. Darüber hinaus ernennt der Verband beispielsweise das „Ersatzverfahren bzw. Replace des Jahres“ sowie das: „Versuchstier des Jahres“, betreibt die Wissenschaftsplattform InVitro+Jobs für eine konsequente Förderung der tierversuchsfreien Forschung und setzt sich mit dem Projekt SATIS für eine humane Ausbildung ein. Weitere Arbeitsschwerpunkte sind die Etablierung der Tierschutz-Verbandsklage, eine tierlose bio-vegane Landwirtschaft sowie die Aufnahme von Tierrechten in die Lehrpläne von Schulen. Der Verband gibt viermal im Jahr das Magazin tierrechte heraus. Neben einem Themenschwerpunkt informiert die Zeitschrift Journalisten, Wissenschaftler, Politiker, Behörden und Verbandsmitglieder über aktuelle Entwicklungen in der politischen Tierrechtsarbeit. Zudem erscheint zweimal monatlich der Tierrechte Newsletter. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte ist seit seiner Gründung als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt. Beiträge und Spenden sind steuerlich absetzbar.

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