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Tierschutzgesetz: Bundesregierung muss nachbessern

Am 1. Februar 2024 hat das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) den seit 2023 erwarteten überarbeiteten Entwurf des Tierschutzgesetzes (TierSchG) veröffentlicht. Doch mit dem Entwurf wird die Bundesregierung ihrem eigenen Anspruch aus dem Koalitionsvertrag, bestehende Rechts- und Vollzugslücken im Tierschutzrecht zu schließen, nicht gerecht.

FDP besonders in der Pflicht
Die Überarbeitung sieht zwar in einigen Bereichen Verbesserungen vor. Jedoch werden die meisten Versprechen aus dem Koalitionsvertrag nicht konsequent umgesetzt. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte sieht insbesondere die FDP und die SPD in der Pflicht, die im Koalitionsvertrag angekündigten Verbesserungen im weiteren Prozess nicht zu blockieren.

Als der Koalitionsvertrag Ende November 2021 veröffentlicht wurde, waren die Erwartungen groß, dass es unter der neuen Regierung gelingen würde, das Tierschutzgesetz so zu überarbeiten, dass es endlich im Einklang mit dem seit 2002 existierenden Staatsziel Tierschutz sein würde.

Druck der Agrar- und Jagdlobby
Menschen für Tierrechte sieht zwar das Bemühen der Grünen, wirksame Verbesserungen für die Tiere zu erreichen. Aber die Partei konnte sich bislang nicht gegen ihre Koalitionspartner und schon gar nicht gegen den immensen Druck der Agrar- und Jagdlobby durchsetzen. Deutlich wird dies daran, dass der Referentenentwurf bereits während der Ressortabstimmung stark abgeschwächt wurde und auch jetzt innerhalb der Bundesregierung nicht geeint ist. Bei der ersten Überarbeitung im Sommer 2023 wurde beispielsweise der entscheidende Satz unter §1, wonach ein wirtschaftliches Interesse keinen vernünftigen Grund für eine Beeinträchtigung von Leben und Wohlbefinden eines Tieres darstellen dürfe, auf Druck des Deutschen Bauernverbands (DBV) gestrichen. Durch die Bauernproteste ist der Druck noch höher geworden.

Verbesserungen reichen nicht aus
Grundsätzlich gehen die geplanten Verbesserungen in die richtige Richtung, sie reichen jedoch bei Weitem nicht aus. Wir sehen in der aktuellen Situation allerdings nicht nur die Chance, den Entwurf noch zu verbessern, sondern auch die Gefahr, dass er in den weiteren Verhandlungen noch weiter verschlechtert und abgeschwächt wird. Problematisch ist auch, dass der Entwurf viele Bereiche, wie die verpflichtende Kennzeichnung und Registrierung von Heimtieren oder die Reglementierung des Onlinehandels mit Tieren, ausklammert. Diese sollen später in separaten Verordnungen geregelt werden. Falls es der Ampelregierung in ihrer Regierungszeit nicht mehr gelingt, diese Verordnungen zu verabschieden, besteht die Gefahr, dass diese unter der darauffolgenden Bundesregierung nie umgesetzt werden. Der Bundesverband wird sich im weiteren Prozess gemeinsam mit anderen NGOs dafür einsetzen, dass jetzt alle Chancen zur Verbesserung des Gesetzes genutzt werden. Eine ausführliche Stellungnahme zu den Details des Entwurfes folgen.

Verbesserungen und Kritikpunkte in Kürze:

  • Freiheitsstrafen für Tierquälerei sollen verschärft werden. Die Geldbußen steigen auf bis zu 100.000 Euro
  • Es werden Qualzuchtmerkmale festgelegt und ein Ausstellungs- und Werbeverbot für qualgezüchtete Tiere eingeführt. Dies reicht jedoch nicht aus: Wir brauchen ein Verbot der Haltung und des Handels qualgezüchteter Tiere
  • Es fehlt ein klares Verbot von Tiertransporten in Hochrisikostaaten
  • Die Einführung der Videoüberwachung in Schlachthöfen ist positiv. Diese soll jedoch nur für große Schlachthöfe gelten. Dabei kommt es gerade in kleineren Betrieben oft zu Tierschutzverstößen.
  • Das Gesetz packt die grundlegenden Mängel bei Tierversuchen, insbesondere die Missstände beim Genehmigungsprozess, nicht an. Die aktuelle Rechtslage erlaubt noch immer schwerbelastende Tierversuche und schwächt die Genehmigungsbehörden
  •  Es fehlt die gesetzliche Grundlage für eine tiergesundheitsbezogene Datenbank. Im Koalitionsvertrag wurde festgeschrieben, dass eine Tiergesundheitsstrategie erarbeitet und eine umfassende Datenbank (inkl. Verarbeitungsbetriebe tierischer Nebenprodukte) etabliert werden soll. Bisher werden die Daten aus den Betrieben zwar erhoben, aber nicht ausgewertet. Die Auswertung ist aber notwendig, um eine bessere Überwachung und Bewertung der Tiergesundheit zu ermöglichen.
  •  Amt der Bundesbeauftragten für Tierschutz soll fest im Gesetz verankert werden
  • Das Kupieren der Schwänze von Lämmern und Kälbern soll verboten werden
  • Lämmer und Zicklein dürfen jedoch weiterhin betäubungslos kastriert werden
  • Grundsätzlich sollen schmerzhaften Amputationen, wie das Kupieren des Ringelschwanzes bei Schweinen sowie das Schnabelkürzen bei Hühnern und Puten, weiterhin durch Ausnahmeregeln möglich sein
  •  Auch Jagdhunde sollen weiterhin kupiert werden dürfen (Ausnahme vom Kupierverbot)
  • Die Verpflichtung, Tiere bei schmerzhaften Eingriffen wie dem Enthornen und Kastrieren zu betäuben, soll auch für Rinder gelten
  • Die Anbindehaltung von Rindern soll (endlich) verboten werden. Für eine lange Übergangsfrist soll es jedoch noch möglich sein, die Tiere saisonal anzubinden. Diese tierquälerische Haltungsform muss zeitnah verboten werden
  •  Der Online-Handel mit Heimtieren soll durch eine Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht reguliert werden. Das ist ein Fortschritt. Problematisch ist, dass diese Verpflichtung nicht direkt im Gesetz festgelegt wurde. Verankert wurde lediglich, die Einführung einer entsprechenden Verordnung. Falls es der Ampelregierung in ihrer Regierungszeit nicht mehr gelingt, diese zu verabschieden, besteht die Gefahr, dass die Verordnung nicht zustande kommt
  • Die geplante Identitätsangabe auf Online-Plattformen ist richtig. Sie reicht jedoch nicht aus, um den illegalen Welpenhandel zu beenden. Nötig ist eine Verpflichtung der Händler und der späteren Halter:innen, die Tiere auf ihre Namen zu kennzeichnen und zu registrieren
  •  Künftig soll es verboten sein, Tiere auf öffentlich zugänglichen Straßen, Wegen oder Plätzen zu verkaufen. Dies soll jedoch nur für gewerbsmäßige Händler gelten. Hier muss dringend nachgeschärft werden. Das Verbot muss auch für Privatpersonen gelten
  • Die Haltung bestimmter Tierarten in Zirkussen soll verboten werden. Es fehlt jedoch ein umfassendes Haltungsverbot für Wildtiere in Zirkussen. Hinzukommt, dass es keine Schutzregeln für die Tiere geben soll, die weiterhin in Zirkussen gehalten werden dürfen
  • Die seit Jahren geforderte Positivliste sowie der Sachkundenachweis für den Handel und die Haltung von sogenannten Haustieren fehlt. Das heißt, dass die private Haltung weiterhin unreguliert bleibt, auch die von exotischen Arten. Dabei wäre es dringend nötig, den florierenden Handel mit Wildtieren und die oft nicht artgemäße Haltung in Privathand zu unterbinden.
  • Es fehlt eine bundesweite Kastrationspflicht für Freigängerkatzen, d.h. es bleibt beim aktuellen Flickenteppich der landesweiten oder kommunalen Regelungen