Allgemein Politik Pressemitteilungen

13. Juni 2023: Kommentar zur Abschwächung des Tierschutzgesetzes: „Inakzeptabler Kotau vor der Agrarindustrie“

Agrarlobby setzt massive Verschlechterungen durch

Es wäre ein echter Fortschritt gewesen: Im Rahmen der derzeitigen Überarbeitung des Tierschutzgesetzes war im vorläufigen Referentenentwurf unter §1 ergänzt worden, dass ein wirtschaftliches Interesse keinen vernünftigen Grund für eine Beeinträchtigung von Leben und Wohlbefinden eines Tieres darstellen dürfe. Doch heute wurde bekannt, dass dieser Satz im Rahmen der Ressortabstimmung aus dem Entwurf gestrichen wurde. Der Deutsche Bauernverbands (DBV) hatte den Abschnitt zuvor heftig kritisiert. Dies könne so nicht stehen bleiben, denn das würde „das Ende der landwirtschaftlichen Tierhaltung“ bedeuten.

Geltendes Recht muss umgesetzt werden
Dabei ist die Ergänzung nur die logische Umsetzung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zur Praxis des Tötens männlicher Küken aus dem Jahr 2019. Das BVerwG hatte damals die Bedeutung des Staatsziels Tierschutz betont und festgestellt, dass die wirtschaftlichen Interessen der Brütereien allein kein vernünftiger Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes seien, um die männlichen Küken millionenfach zu töten. Als Konsequenz wurde das Kükentöten Anfang 2022 verboten.

Dazu kommentiert Christina Ledermann, Vorsitzende vom Bundesverband Menschen für Tierrechte:

„Der herausgestrichene Absatz ist spätestens seit 2019 geltendes Recht. Was nun passiert, ist sinnbildlich für das grundsätzliche Problem: Der Tierschutz wird – Staatsziel hin oder her – wirtschaftlichen Interessen untergeordnet. Dabei sollte das Tierschutzgesetz genau deswegen reformiert werden, um das Staatsziel Tierschutz zu stärken.

Das Löschen des Satzes ist ein inakzeptabler Kotau vor der Agrarindustrie. Die Ergänzung ist zentral und notwendig, sie darf nicht einfach nach dem Gusto der Industrie herausgestrichen werden. Alle Ministerien, die an der Abstimmung des Entwurfs beteiligt sind, sind dem geltenden Recht verpflichtet. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, der erst gestern bei der Vorstellung der neuen Tierschutzbeauftragten Ariane Kari die große Bedeutung des Tierschutzes betont hat, muss sich jetzt für den Tierschutz stark machen.

Ich frage mich, warum der Bauernverband überhaupt so ein Problem mit der Ergänzung hat. Er ist es doch, der immer wieder betont, dass die Tierschutzstandards in Deutschland zu den weltweit strengsten gehören. Wenn in Deutschlands Ställen, Tiertransportern und Schlachthöfen alles in Ordnung ist, dann braucht der Verband doch keine Angst zu haben. Im Umkehrschluss bedeutet der Druck des Bauernverbandes etwas anderes: Wenn die Festlegung, dass man aus wirtschaftlichen Interessen das Leben und Wohlbefinden von Tieren nicht beeinträchtigen darf das Ende der landwirtschaftlichen Tierhaltung ist, dann gibt der DBV selbst zu, dass die Nutzung der Tiere nicht möglich ist, ohne sie zu schädigen!“