In dem vom Bundesverband vorgelegten Notfallplan, geht es auch um ein mögliches „Rehoming“, also die Vermittlung von ungenutzten „Zuchttieren oder Tieren, die nicht mehr in Versuchen eingesetzt werden. Doch die Mehrheit der Tiere wird getötet. Dabei gäbe es eine Lösung, die den Tieren ein Leben nach dem Versuch ermöglichen – und gleichzeitig eine Reduzierung der Zahl der „Versuchstiere“ ermöglicht.
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Laut einer Schätzung der Bundesregierung wurden 2017 rund 3,9 Millionen Tiere getötet, die nicht in Versuchen eingesetzt wurden. Dies zeigt, dass häufig deutlich mehr Tiere eingeplant als tatsächlich für den Versuch benötigt werden. Gründe dafür sind, dass die Tiere zu alt geworden sind, das falsche Geschlecht haben oder neuere Erkenntnisse dazu führen, dass weniger Tiere gebraucht werden. Es wird zwar EU-weit darüber nachgedacht, wie man „Labortieren“ nach Abschluss des Versuches ein „zweites Leben“ ermöglichen kann – vorausgesetzt, sie sind nicht genetisch verändert, gesund sowie gut trainier- und händelbar. Es wird für die Mehrheit der Tiere jedoch nicht umgesetzt.
In §10 der Tierschutzversuchstierverordnung heißt es: „Wirbeltiere oder Kopffüßer, die in Tierversuchen verwendet worden sind oder die dazu bestimmt gewesen sind (…) können dauerhaft (…) in ein für die jeweilige Tierart geeignetes Haltungssystem oder, im Falle von aus der Natur entnommenen Tieren, einen geeigneten Lebensraum verbracht werden“.
„Rehoming“ ist rotes Tuch
Doch warum ermöglicht man den Tieren kein Leben nach dem Versuch? Die Antwort ist einfach: Man scheut die Kosten, für zusätzliche Tierställe, Platz und Futter – und natürlich den Aufwand, die Tiere zu vermitteln. Deswegen ist das Rehoming ein rotes Tuch. Hinzukommt, dass viele Forscher:innen sich – über das Versuchsvorhaben hinaus – nicht für „ihre Tiere“ verantwortlich fühlen. Die Verantwortung wird stattdessen auf die Tierschutzbeauftragten und auf Tierschutzorganisationen abgewälzt. Dabei müssten Tierversuche eigentlich so geplant werden, dass die Zahl der Tiere auf das unerlässliche Maß beschränkt wird.
Die meisten Tiere werden getötet
Dass dies mitnichten so ist und die meisten Tiere am Ende der Versuche getötet werden, lässt sich auch daran ablesen, dass es nur sehr wenige Einrichtungen in Deutschland gibt, die überzählige „Versuchstiere“ vermitteln. Dabei sehen die EU-Tierversuchsrichtlinie und die Tierschutzversuchstierverordnung ausdrücklich vor, dass Tieren nach Ende der Versuche ein Weiterleben ermöglicht wird.
Ratten und Mäuse vernachlässigt
Beliebte Haustiere wie Hunde und Katzen haben die größten Chancen auf ein Rehoming. Zahlenmäßig spielen sie in Tierversuchen jedoch nur untergeordnete Rolle. Die häufigsten Versuchstiere sind Mäuse, Ratten, Hamster, Fische und in geringerem Maße Kaninchen. Da sie keine klassischen Kuscheltiere sind, ist es weit schwieriger, ein Zuhause für sie zu finden. So gut wie keine Chance auf ein Leben nach dem Versuch haben genetisch veränderte Tiere. Auch sie werden „überproduziert“, weil ihre Nachkommen, oft nicht die gewünschten Merkmale aufweisen. Sie dürfen jedoch nicht an private Haushalte abgegeben werden, sondern nur an Einrichtungen, die eine Genehmigung haben. Das ist meist ihr Todesurteil.
Tiere sterben für Sezierkurse
Die Gesellschaft für Versuchstierkunde empfiehlt, zunächst nach Möglichkeiten zu suchen, die produzierte Anzahl an Tieren zu gering wie möglich zu halten, indem beispielsweise gentechnisch veränderte Linien, die nicht sofort für Experimente verwendet werden, in Form von Embryonen oder Spermien eingefroren werden. Wenn die Möglichkeiten des Rehomings ausgereizt seien, wird eine Verwendung in der Aus-, Fort- und Weiterbildung empfohlen. Das bedeutet, die Tiere werden beispielsweise für Sezierübungen getötet – aus Tierschutzsicht keine akzeptable Alternative.
Zukunftsfähige Lösung: Tierversuchsabgabe
Grundsätzlich besteht Einigkeit darüber, dass die Zahl der in Versuchen eingesetzten Tiere so gering wie möglich gehalten wird. Diese rechtliche Vorgabe wird jedoch regelmäßig unterlaufen. Zum einen, weil Tiere eingesetzt werden, obwohl es anerkannte tierfreie Verfahren gibt. Zum anderen, weil zu viele Tiere beantragt und genehmigt werden. Da diese Überproduktion nicht sanktioniert wird, entsteht kein Druck. Dies muss sich ändern. Eine Lösung, die Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen schon seit Jahren fordern, ist die Erhebung einer Tierversuchsabgabe für das Rehoming von „Versuchstieren“. Mit den dadurch generierten Mitteln könnte die dauerhafte Unterbringung der Tiere in Auffangstationen oder die Weitervermittlung finanziert werden. Dies würde Tierversuche teurer machen und damit automatisch die Zahl der Tiere reduzieren.