Am 09. Oktober wählt Niedersachsen eine neue Landesregierung. Um den Wähler:innen eine Orientierung zu geben, hat der Bundesverband Menschen für Tierrechte die etablierten Parteien zu ihren Tierschutzplänen befragt und ihre Wahlprogramme ausgewertet. Das Ergebnis: Die Inhalte in den Wahlprogrammen der Regierungsparteien SPD und CDU enttäuschen und auch bei der FDP spielt der Tierschutz keine große Rolle. Die Antworten auf die Wahlprüfsteine von CDU, SPD und FDP überzeugen ebenfalls nicht. Die Grünen hingegen präsentieren sich als engagiert und willig, etwas am gegenwärtigen Agrar- und Ernährungssystem zu ändern. Ihre Pläne zum Abbau der Tierbestände, zum Ausstieg aus der industriellen Tierhaltung sowie zur Stärkung der pflanzlichen Ernährung sind ein Ansatz, um den großen Herausforderungen durch Klimakrise und Artensterben zu begegnen.
Die Landtagswahl in der Hochburg für sogenannte Nutztierhaltung Niedersachsen ist bedeutend für den Tierschutz in Deutschland, gerade im Agrarsektor. Die Niedersächsische Nutztierstrategie (1) bedient zum großen Teil die wirtschaftlichen Interessen der Agrarlobby und soll die Zukunft des Systems der Tierhaltung sichern. Dabei setzen sich immer mehr Akteure aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft für eine Ernährungswende hin zu pflanzlichen Eiweißträgern ein (2). Die ernsthafte Bereitschaft für einen solchen Wandel sucht man in den Wahlprogrammen von drei der vier stärksten Parteien allerdings vergebens.
CDU setzt weiter auf Tierhaltung
Die CDU als aktuell mitregierende Partei gibt sich zukunftsorientiert im Sinne von Klima- und Umweltschutz oder auch einer Verbesserung der Tierhaltung im Sinne des Tierwohls. Eine politisch induzierte Reduzierung der Tierzahlen wird allerdings nicht angestrebt, umstiegswillige Landwirt:innen sollen jedoch Unterstützung erfahren. Kurz: Das System soll erhalten bleiben, dabei lediglich verbessert werden. Das Konzept der Freiwilligkeit findet sich auch in der Antwort zu Maßnahmen zur Reduktion des Konsums tierischer Produkte. Die Nachfrage soll den Markt regeln und eine Herkunftskennzeichnung soll den Verbraucher ausreichend über den Qualitätsstandard der Produkte informieren. Bezüglich Kontrolle und Strafverfolgung von Tierschutzvergehen versichert die CDU, die entsprechenden Institutionen gemäß ihrer Aufgaben weiterhin ausreichend auszustatten.
SPD kein Treiber für echten Wandel
Ganz ähnlich sieht es zum Thema Tierschutz bei der zweiten Regierungspartei aus. Auch die Sozialdemokraten wollen die Landwirt:innen bei den Transformationsprozessen unterstützen. Diese beinhalten aber in erster Linie lediglich Haltungsverbesserungen und keine Ausstiegskonzepte aus der Tierhaltung. Wie auch die CDU, will die SPD den ökologischen Landbau fördern. Dabei soll auch die Vermarktung regionaler Produkte unterstützt werden. Insgesamt stehen die Maßnahmen im Zeichen einer mehr tierwohlorientierten und klimafreundlicheren Gestaltung der Fleischindustrie. Ein Konzept für einen reduzierten Fleischkonsum und einen Wandel zu pflanzlicher Ernährung wird nicht erwähnt.
FDP gegen weitere Auflagen für Tierhaltungsbetriebe
Auch die Liberalen sprechen sich gegen eine konsequente Reduktion der Tierbestände aus. Um die Landwirte nicht noch weiter im europäischen Wettbewerb zu benachteiligen soll es keine weiteren Einschränkungen geben. Lieber sollen die Betriebe bei ihren Investitionsbemühungen durch vereinfachte Bürokratie unterstützt werden. Die FDP, wie auch die CDU sprechen sich für eine Tierwohlabgabe aus, um die Haltungsbedingungen für Tiere zu verbessern. Statt weg vom System der Tierhaltung, soll es für die einheimischen Erzeuger sicherer werden, damit keine Ferkel importiert werden müssen und keine damit verbundenen Tiertransporte stattfinden. Zumindest bei den Kontrollen und offiziell festgestellten Tierschutzverstößen fordern die Liberalen ein konsequentes Handeln. Im Trend von Fleischersatzprodukten sieht die FDP ein wirtschaftliches Potenzial, konkrete Maßnahmen für eine Ernährungswende hin zu pflanzlicher Ernährung werden allerdings nicht genannt.
Sowohl die aktuellen Regierungsparteien, sowie die FDP sprechen sich für eine Förderung tierfreier Forschungsmethoden aus, eine Strategie für den Ausstieg aus dem System Tierversuch wird nicht aktiv verfolgt.
Grüne engagiert aber zurückhaltend
Die Grünen zeigen von den großen vier Parteien das stärkste tierschutzrelevante Engagement. Sie streben eine Reduktion der Tierzahlen in der Landwirtschaft durch eine flächengebundene Tierhaltung an. Praktiken wie die Anbindehaltung von Kühen oder das betäubungslose Schnäbelkürzen sollen verboten und tierfreundlichere Konzepte wie die muttergebundene Kälberaufzucht gefördert werden. Es ist ein Förderprogramm geplant, welches eine Diversifizierung der Betriebe durch (Teil-)Um- und Ausstiege aus der Tierhaltung auf andere landwirtschaftliche Betriebszweige ermöglicht. Auch bei der Förderung der pflanzlichen Ernährung zeigen die Grünen die stärkste Motivation und wollen beispielsweise Schulmensen zu Lernorten entwickeln, in denen eine stärker pflanzenbasierte Ernährung ein wichtiges Lernziel sein soll. Tierversuchsfreie Verfahren sollen gefördert werden, der Tierschutz bei den Genehmigungsverfahren für Tierversuche gestärkt und Studierenden ein tierversuchsfreies Studium ermöglicht werden. Missstände im Strafvollzug, gerade bei Tierschutzverstößen in der Landwirtschaft wollen die Grünen beheben, sowie eine Landesstelle der „Vertrauensperson Tierschutz in der Landwirtschaft“ schaffen. Insgesamt gehen die Grünen von den vier großen Parteien mit den größten Tierschutzambitionen in die Wahl.
Fazit: Klimakrise und Artensterben erfordern schnelle und konsequente Maßnahmen
„Weder die Niedersächsische Nutztierstrategie noch die Tierschutzpläne von Schwarz-Rot überzeugen. Statt strengeren gesetzlichen Vorgaben und einer Priorisierung des Anbaus pflanzlicher Lebensmittel, setzen CDU, SPD und FDP auf den guten Willen von Landwirtschaft und Industrie und auf den Markt als Regulativ. Dies wird die Tierhaltung als ausbeuterisches System nur weiter zementieren, anstatt die für Tier, Mensch und Umwelt dringende Agrar- und Ernährungswende herbeizuführen. Echte Tierschutzverbesserungen können nicht durch Freiwilligkeit erreicht oder herbeigefördert werden“, kritisiert Christina Ledermann, Vorsitzende des Bundesverbandes Menschen für Tierrechte.
„Die nächste Landesregierung der Nutztierhochburg Niedersachsen steht vor großen Herausforderungen. Die Klimakrise und das dramatische Artensterben erfordern schnelle und konsequente Maßnahmen. Dafür bedarf es Parteien mit guten Zukunftskonzepten und dem Mut diese auch umzusetzen“, schließt Ledermann.
Bei allen Angaben handelt es nicht um eine Wahlempfehlung. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte e.V. ist politisch neutral.
Weitere Informationen:
Auf tierrechte.de lesen Sie die ausführliche Auswertung online sowie alle Antworten der Parteien auf die Wahlprüfsteine.
(1) Niedersächsische Nutztierstrategie
(2) Policy Brief: Für Ernährungssicherheit und eine lebenswerte Zukunft – Pflanzenbasierte Ernährungsweisen fördern, Produktion und Verbrauch tierischer Lebensmittel reduzieren
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Pressestelle:
Christina Ledermann
Mobil: 0179/450 46 80
E-Mail: ledermann@tierrechte.de
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Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Neue Geschäftsstelle: Severinusstr. 52, 53909 Zülpich
Tel: 02252/830 12 10, Internet: www.tierrechte.de
Der Bundesverband Menschen für Tierrechte setzt sich seit seiner Gründung 1982 auf rechtlicher, politischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene für die Anerkennung elementarer Tierrechte ein und kämpft gegen jeglichen Missbrauch von Tieren. Das langfristige Ziel ist eine grundsätzliche Veränderung des Mensch-Tier-Verhältnisses. Dem Dachverband mit Hauptsitz in Zülpich (früher Aachen) sind Vereine sowie private Fördermitglieder angeschlossen. Seine Stärke liegt im Zusammenwirken von Seriosität, Fachwissen und Lobbyarbeit auf höchster politischer Ebene. Dazu verfolgt der Verband einen Masterplan zum Ausstieg aus dem Tierversuch und eine Agrarwende von der tierischen zur pflanzlichen Eiweißproduktion, um das Ende der „Nutztier“-Haltung zu erreichen. Darüber hinaus ernennt der Verband beispielsweise das „Ersatzverfahren bzw. Replace des Jahres“ sowie das: „Versuchstier des Jahres“, betreibt die Wissenschaftsplattform InVitro+Jobs für eine konsequente Förderung der tierversuchsfreien Forschung und setzt sich mit dem Projekt SATIS für eine humane Ausbildung ein. Weitere Arbeitsschwerpunkte sind die Etablierung der Tierschutz-Verbandsklage, eine tierlose bio-vegane Landwirtschaft sowie die Aufnahme von Tierrechten in die Lehrpläne von Schulen. Der Verband gibt viermal im Jahr das Magazin tierrechte heraus. Neben einem Themenschwerpunkt informiert die Zeitschrift Journalisten, Wissenschaftler, Politiker, Behörden und Verbandsmitglieder über aktuelle Entwicklungen in der politischen Tierrechtsarbeit. Zudem erscheint zweimal monatlich der Tierrechte Newsletter. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte ist seit seiner Gründung als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt. Beiträge und Spenden sind steuerlich absetzbar.