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Landtagswahlen in Niedersachsen am 09. Oktober 2022: So stehen die Parteien zum Tierschutz

Am 09. Oktober wählt Niedersachsen eine neue Landesregierung. Um den Wähler:innen eine Orientierung zu geben, hat der Bundesverband Menschen für Tierrechte die etablierten Parteien zu ihren Tierschutzplänen befragt und ihre Wahlprogramme ausgewertet. Das Ergebnis: Die Inhalte in den Wahlprogrammen der Regierungsparteien SPD und CDU enttäuschen und auch bei der FDP spielt der Tierschutz keine große Rolle. Die Antworten auf die Wahlprüfsteine von CDU, SPD und FDP überzeugen ebenfalls nicht. Die Grünen hingegen präsentieren sich als engagiert und willig, etwas am gegenwärtigen Agrar- und Ernährungssystem zu ändern. Ihre Pläne zum Abbau der Tierbestände, zum Ausstieg aus der industriellen Tierhaltung sowie zur Stärkung der pflanzlichen Ernährung sind ein Ansatz, um den großen Herausforderungen durch Klimakrise und Artensterben zu begegnen.

Die Landtagswahl in der Hochburg für sogenannte Nutztierhaltung Niedersachsen ist bedeutend für den Tierschutz in Deutschland, gerade im Agrarsektor. Die Niedersächsische Nutztierstrategie (1) bedient zum großen Teil die wirtschaftlichen Interessen der Agrarlobby und soll die Zukunft des Systems der Tierhaltung sichern. Dabei setzen sich immer mehr Akteure aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft für eine Ernährungswende hin zu pflanzlichen Eiweißträgern ein. Führende Klimaforscher:innen fordern eine deutliche Reduktion von Konsum und Produktion tierischer Lebensmittel (2). Dies seien zentrale Hebel, um das globale Ernährungssystem resilienter, fairer und nachhaltiger zu gestalten. Die Forderungen werden gestützt von der neuen Studie „Gesundes Essen fürs Klima“ (3), in welcher die Autor:innen dringend die Umsetzung der hauptsächlich pflanzenbasierten „Planetary Health Diet“ (4) empfehlen.

Die ernsthafte Bereitschaft für einen solchen Wandel sucht man in den Wahlprogrammen der stärksten Parteien und deren Antworten auf die Wahlprüfsteine des Bundesverbands allerdings vergebens. Lediglich die Grünen zeigen den Willen für Veränderung.

Stichwort-Übersicht der Auswertung der Wahlprogramme zur Landtagswahl 2022 von CDU, FDP, SPD und den Grünen Niedersachsen.

Im Vorfeld der Landtagswahl stellte der Bundesverband den vier größten Parteien einen Katalog an Fragen als Wahlprüfsteine. Hier lesen Sie die jeweiligen Antworten:

  1. Welche Maßnahmen plant Ihre Partei, um Gesetzgebung, Kontrolle und die Strafverfolgung von Tierschutzvergehen in Niedersachsen zu verbessern?
  2. Welche Maßnahmen plant Ihre Partei, um die Mitwirkungs- und Klagerechte von Tierschutzorganisationen in Niedersachsen zu effektivieren?
  3. Welche konkreten Maßnahmen plant Ihre Partei, um den Umbau der landwirtschaftlichen Tierhaltung in Niedersachsen zu beschleunigen?
  4.  Plant Ihre Partei, die Tierzahlen zu reduzieren? Wenn ja, mit welchen Maßnahmen und mit welchem Reduktionsziel?
  5. Welche Maßnahmen plant Ihre Partei zur Unterstützung aus- und umstiegswilliger Landwirt:innen?
  6. Mit welchen Maßnahmen will Ihre Partei die Produktion von Nahrungsmitteln auf pflanzlicher Basis voranbringen?
  7. Plant Ihre Partei, Agrarumweltmaßnahmen gezielt für Klima-, Umwelt- und Tierschutzprogramme einzusetzen?
  8. Welche Maßnahmen plant Ihre Partei, um den Konsum tierischer Produkte zu reduzieren und mehr Anreize für eine pflanzliche Ernährung zu schaffen?
  9. Welche konkreten Maßnahmen plant Ihre Partei, um Tierversuche zu reduzieren bzw. den perspektivischen Ausstieg einzuleiten?
  10. Welche Maßnahmen plant Ihre Partei, um die tierversuchsfreie Forschung in Niedersachsen zu fördern?

Zusammenfassende Übersicht der Inhalte:

CDU setzt weiter auf Tierhaltung

Die CDU als aktuell mitregierende Partei gibt sich zukunftsorientiert im Sinne von Klima- und Umweltschutz oder auch einer Verbesserung der Tierhaltung im Sinne des Tierwohls. Eine politisch induzierte Reduzierung der Tierzahlen wird allerdings nicht angestrebt, umstiegswillige Landwirt:innen sollen jedoch Unterstützung erfahren. Kurz: Das System soll erhalten bleiben, lediglich verbessert werden. Das Konzept der Freiwilligkeit für Veränderung wird nicht nur bei der Gestaltung der Landwirtschaft deutlich, sondern auch bei der Nachfrage nach Maßnahmen zur Reduktion des Konsums tierischer Produkte. Die Nachfrage soll den Markt regeln und eine Herkunftskennzeichnung soll den Verbraucher ausreichend über den Qualitätsstandard der Produkte informieren. Bezüglich Kontrolle und Strafverfolgung von Tierschutzvergehen versichert CDU, die entsprechenden Institutionen gemäß ihrer Aufgaben weiterhin ausreichend auszustatten.

SPD kein Treiber für echten Wandel

Ganz ähnlich sieht es zum Thema Tierschutz bei der zweiten Regierungspartei aus. Auch die Sozialdemokraten wollen die Landwirt:innen bei den Transfoprmationsprozessen unterstützen. Diese beinhalten aber in erster Linie lediglich Haltungsverbesserungen und keine Ausstiegskonzepte aus der Tierhaltung. Wie auch die CDU, will die SPD den ökologischen Landbau fördern. Dabei soll auch die Vermarktung regionaler Produkte unterstützt werden. Insgesamt stehen die Maßnahmen im Zeichen einer mehr tierwohlorientierten und klimafreundlicheren Gestaltung der Fleischindustrie. Ein Konzept für einen reduzierten Fleischkonsum und einen Wandel zu pflanzlicher Ernährung wird nicht erwähnt.

FDP gegen weitere Auflagen für Tierhaltungsbetriebe

Auch die Liberalen sprechen sich gegen eine konsequente Reduktion der Tierbestände aus. Um die Landwirte nicht noch weiter im europäischen Wettbewerb zu benachteiligen soll es keine weiteren Einschränkungen geben. Lieber sollen die Betriebe bei ihren freiwilligen Investitionsbemühungen durch vereinfachte Bürokratie unterstützt werden. Die FDP, wie auch die CDU sprechen sich für eine Tierwohlabgabe aus, um die Haltungsbedingungen für Tiere zu verbessern. Statt weg vom System der Tierhaltung, soll es für die einheimischen Erzeuger sicherer werden, damit keine Ferkel importiert werden müssen und keine damit verbundenen Tiertransporte stattfinden . Zumindest bei den Kontrollen und offiziell festgestellten Tierschutzverstößen fordern die Liberalen ein konsequentes Handeln. Im Trend von Fleischersatzprodukten sieht die FDP ein wirtschaftliches Potenzial und möchte Betriebe unterstützen, konkrete Maßnahmen für eine Ernährungswende hin zu pflanzlicher Ernährung werden allerdings nicht genannt. 

Sowohl die aktuellen Regierungsparteien, sowie die FDP sprechen sich für eine Förderung tierfreier Forschungsmethoden aus, eine Strategie für den Ausstieg aus dem System Tierversuch wird nicht aktiv verfolgt.

Grüne engagiert aber zurückhaltend

Die Grünen zeigen von den großen vier Parteien das stärkste tierschutzrelevante Engagement. Sie streben eine Reduktion der Tierzahlen in der Landwirtschaft durch eine flächengebundene Tierhaltung an. Praktiken wie die Anbindehaltung von Kühen oder das betäubungslose Schnäbelkürzen sollen verboten und tierfreundlichere Konzepte wie die muttergebundene Kälberaufzucht gefördert werden. Es ist ein Förderprogramm geplant, welches eine Diversifizierung der Betriebe durch dauerhafte (Teil-) Um- und Ausstiege aus der Tierhaltung auf andere landwirtschaftliche Betriebszweige ermöglicht. Auch bei der Förderung der pflanzlichen Ernährung zeigen die Grünen die stärkste Motivation und wollen beispielsweise Schulmensen zu Lernorten entwickeln, in denen eine stärker pflanzenbasierte Ernährung ein wichtiges Lernziel sein soll. Tierversuchsfreie Verfahren sollen gefördert werden, der Tierschutz bei den Genehmigungsverfahren für Tierversuche gestärkt und Studierenden ein tierversuchsfreies Studium ermöglicht werden. Missstände im Strafvollzug, gerade bei Tierschutzverstößen in der Landwirtschaft wollen die Grünen beheben, sowie eine Landesstelle der „Vertrauensperson Tierschutz in der Landwirtschaft“ schaffen. Insgesamt gehen die Grünen mit ihrem Programm am weitesten, was Tierschutzbelange betrifft und bemühen sich um effektive Verbesserungen.

Fazit: Klimakrise und Artensterben erfordern schnelle und konsequente Maßnahmen
Weder die Niedersächsische Nutztierstrategie noch die Tierschutzpläne von Schwarz-Rot überzeugen. Statt strengeren gesetzlichen Vorgaben und einer Priorisierung des Anbaus pflanzlicher Lebensmittel, setzen CDU, SPD und FDP auf den guten Willen von Landwirtschaft und Industrie und auf den Markt als Regulativ. Dies wird die Tierhaltung als ausbeuterisches System nur weiter zementieren, anstatt die für Tier, Mensch und Umwelt dringende Agrar- und Ernährungswende herbeizuführen. Echte Tierschutzverbesserungen können nicht durch Freiwilligkeit erreicht oder herbeigefördert werden. Die nächste Landesregierung der Nutztierhochburg Niedersachsen steht vor großen Herausforderungen. Die Klimakrise und das dramatische Artensterben erfordern schnelle und konsequente Maßnahmen. Dafür bedarf es Parteien mit guten Zukunftskonzepten und dem Mut diese auch umzusetzen.

Hier finden Sie die ausführlichen Antworten der Parteien auf die Wahlprüfsteine in einem PDF.

Bei allen Angaben handelt es nicht um eine Wahlempfehlung. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte e.V. ist politisch neutral.

Hier lesen Sie die Wahlprogramme von: CDU, FDP, Bündnis90/Grüne, SPD

Weitere Informationen:

(1) Niedersächsische Nutztierstrategie
(2) Policy Brief: Für Ernährungssicherheit und eine lebenswerte Zukunft – Pflanzenbasierte Ernährungsweisen fördern, Produktion und Verbrauch tierischer Lebensmittel reduzieren
(3) Studie „Gesundes Essen fürs Klima“, Ökoinstitut Deutschland
(4) Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.: Planetary Health Diet

 

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