Allgemein Industrielle Tierhaltung

Geplante Kennzeichnung löst nicht die Probleme der industriellen Tierhaltung!

Der Bundesverband Menschen für Tierrechte sieht den Gesetzentwurf zur Einführung einer verbindlichen Tierhaltungskennzeichnung kritisch. Der Tierrechtsverband bezweifelt, dass die wertfreie Kennzeichnung die gewünschte Lenkungswirkung hin zu einer besseren Tierhaltung entfaltet. Um den lange angekündigten Umbau der Tierhaltung einzuleiten, sei mehr nötig als eine halbgare Kennzeichnung, nämlich eine entschiedene Verschärfung der gesetzlichen Mindeststandards und ein tragfähiges Finanzierungskonzept für den angekündigten Umbau der Tierhaltung. Für den Tierrechtsverband ist der Umbau zu sogenannten tiergerechteren Haltungssystemen jedoch nicht das Ziel. Dies sind nur notwendige Sofortmaßnahmen, um das akute Tierleid zu lindern, solange Tiere noch für unsere Ernährung gehalten werden. Das erklärte Ziel ist eine konsequente Agrar- und Ernährungswende hin zu pflanzlichen und anderen alternativen Eiweißträgern. Deswegen setzt sich der Verband dafür ein, dass Landwirt:innen direkt auf Alternativen zur Tierhaltung setzen, statt ihre Tierhaltung nur verbessern. An die Verbraucher:innen appelliert Menschen für Tierrechte nur tierfreie Nahrungsmittel zu kaufen. Denn nur diese seien tier-, umwwelt- und klimafreundlich.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat Mitte August offiziell den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer verbindlichen Tierhaltungskennzeichnung (TierhaltKennzG) veröffentlicht. Die lange geplante Kennzeichnung soll die Haltungsbedingungen für den Verbraucher transparent machen. Ziel ist, dass so mehr Produkte aus besseren Haltungsformen gekauft werden. Doch die fünf vorgesehenen Haltungsformen „Stall“, „Stall+Platz“, „Frischluftstall“ und „Auslauf/Freiland” werden die gewünschte Lenkungswirkung hin zu besseren Haltungsformen höchstwahrscheinlich nicht bewirken. Dies liegt zum einen daran, dass die Haltungsformen nur beschrieben, jedoch nicht gewertet werden. Eine Bewertung der Haltungsformen – wie bei der Vermarktung von Schaleneiern (von 0 (Biohaltung) bis 3 (Käfighaltung)) – ist nicht beabsichtigt. Da die Verbraucher nur vage Hinweise erhielten, was die Haltungsformen für die Tiere konkret bedeuten, ist zu befürchten, dass sie in Zeiten hoher Lebensmittelpreise auf günstige tierische Produkte zurückgreifen, die mit noch mehr Tierleid erzeugt werden.

Zwei Drittel des Fleischangebotes fallen unter den Tisch

Zum anderen betrifft die Kennzeichnung zunächst nur verpacktes Frischfleisch von Schweinen sowie Ware an der Fleischtheke. Dies entspricht nur etwa 30 Prozent des gesamten Schweinefleischs. Alle anderen Schweinefleischprodukte, wie Wurst, Grillfleisch und sowie Fleisch, das in Restaurants, Kantinen und Krankenhäusern angeboten wird, werden nicht gekennzeichnet.

Gefahr der Verbraucher-Täuschung
Zudem besteht bei jedem Label die Gefahr, dass Verbraucher:innen getäuscht werden. Aus den Stufen und ihrer Benennung geht nicht klar genug hervor, wie die Tiere tatsächlich gehalten wurden. Schon die unteren Labelstufen suggerieren Konsument:innen, ein tierfreundliches Produkt zu kaufen, dabei ist Stufe „Stall“ nichts anderes als tierquälerische konventionelle Massentierhaltung. Bei den ersten vier Stufen können die Tiere ohne Auslauf ins Freie und auf Vollspaltenbuchten gehalten werden. Es fehlt zudem an wichtigen unabhängigen Vor-Ort-Kontrollen, ob die Haltungsvorgaben auch eingehalten werden.

Nicht abgedeckt: Aufzucht, Transport und Schlachtung
Anders als im Koalitionsvertrag angekündigt, umfasst die Kennzeichnung zudem nicht alle Aspekte der Tierhaltung. Außer bei Stufe 5 werden nur die Haltungsstandards in der Mast erfasst, die Bedingungen bei Aufzucht, Transport und Schlachtung fließen nicht in die Kennzeichnung ein. Dabei kommt es auch in diesen Bereichen zu massiven Tierschutzverstößen. Bespiel Schlachtung: 90 Prozent der Schweine in Deutschland werden noch immer mit CO2 betäubt, obwohl die Tiere dabei nachweislich unter Erstickungsängsten leiden.

Nötig: Mindeststandards verschärfen
Hinzu kommt, dass der Umbau der Tierhaltung nicht über eine Haltungskennzeichnung allein erreicht werden kann. Nach Ansicht der Vereine kann der notwendige Umbau der Tierhaltung nicht über eine Haltungskennzeichnung allein erreicht werden. Die vom BMEL selbst in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie wertete die Kennzeichnung 2021 lediglich als eine „essenzielle Komplementärmaßnahme“. Deswegen ist die Bundesregierung in der Pflicht, die gesetzlichen Mindeststandards für alle Tiere in der Landwirtschaft endlich entschieden zu verschärfen und ein tragfähiges Finanzierungskonzept für den Stallumbau vorzulegen.

Tragfähiges Finanzierungskonzept vorlegen
Der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung hatte ausgerechnet, dass drei bis fünf Milliarden Euro nötig seien, um den Umbau der Tierhaltung in Deutschland zu finanzieren. Das liefe im Durchschnitt auf 50 Cent pro Kilo Fleisch hinaus. Insofern ist es ein Lichtblick, dass sich die niedersächsische FDP zu einem Preisaufschlag von 40 Cent pro Kilogramm Fleisch durchringen konnte. Es ist zu hoffen, dass dies nicht nur Wahlkampfgetöse ist und dass die FDP im Bund dies mitträgt. Die Zustimmung der FDP sollte jedoch nicht an zusätzliche Bedingungen geknüpft werden.

Nur pflanzliche Nahrungsmittel sind tier- und klimafreundlich 
Für den Bundesverband Menschen für Tierrechte ist der Umbau der Tierhaltung zu sogenannten tiergerechteren Haltungssystemen nicht das Ziel. Dies sind nur notwendige Sofortmaßnahmen, um das akute Tierleid zu lindern, solange Tiere noch für unsere Ernährung gehalten werden. Das erklärte Ziel des Bundesverbandes ist eine konsequente Agrar- und Ernährungswende hin zu pflanzlichen und anderen alternativen Eiweißträgern. Dabei sind auch die Verbraucher:innen in der Pflicht. Wer sicher sein will, ein wirklich tier- und klimafreundliches Produkt zu kaufen, muss sich für pflanzliche Nahrungsmittel entscheiden. Damit eine Wende hin zu tier- und klimafreundlichen Anbau und Ernährungsformen gelingt, fordert der Tierrechtsverband zusätzliche Maßnahmen zur Reduzierung des Fleischkonsums, zur Abstockung der Tierbestände sowie Anreize für den Kauf pflanzlicher Nahrungsmittel und Umstiegsförderungen für Landwirt:innen, die aus der Tierhaltung aussteigen.

Download der 10-seitigen Broschüre Forderungen für eine Agrar- und Ernährungswende als PDF.

Die zehn Forderungen in Kürze

1. Strategie für tier- und klimafreundliche Ernährungsformen
2. Tierbestände drastisch reduzieren
3. Weg von der Tierhaltung: Umstiegswillige Landwirt:iInnen fördern
4. Forschungsförderung für tierlose Anbausysteme
5. Tierschutzrecht, Vollzug und Gerichtsbarkeit stärken
6. Agrarsubventionen ökologisieren
7. Schädliche Subventionen beenden
8. Ökosysteme renaturieren und pflegen
9. Schluss mit der Exportorientierung
10. Regionaler Anbau statt Soja-Importe