Das Szenario multipler Krisen zeigt so deutlich wie nie, wie dringlich der grundlegende Systemwechsel unseres Landwirtschafts- und Ernährungssystems ist. Jetzt ist DER Moment, diesen Wandel endlich einzuleiten. Dazu will der Bundesverband aktiv beitragen – mit seiner Kampagne für eine Agrar- und Ernährungswende und seinem neuen Projekt „Ausstieg aus der Tierhaltung“.
Durch die multiplen Krisen ist der Druck auf unser Landwirtschafts- und Ernährungssystem so groß wie nie. Der Ukrainekrieg droht dabei, die Biodiversitäts- und Klimakrise zu überlagern – eine gefährliche Situation. Denn die sich ankündigende Hungersnot in Afrika durch ausfallende Getreideexporte und die Preisexplosion von Lebensmitteln und Energie können leicht dazu missbraucht werden, um notwendige Maßnahmen für den Tier- und Klimaschutz sowie Instrumente zum Schutz der Biodiversität außer Kraft zu setzen, wie zuletzt bei der Diskussion über die Umwandlung von ökologischen Vorrangflächen für den zusätzlichen Anbau von Weizen.
FDP lehnt höhere Fleischsteuer ab
Ein weiteres Beispiel für diese unheilvolle Entwicklung war die Ablehnung der FDP, die Steuern auf Fleisch, Milch und Eier zu erhöhen. Dabei ist eine Anhebung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für Fleisch – beziehungsweise eine Zusatzabgabe auf tierische Produkte – das Mittel und Lenkungsinstrument der Wahl, um den hohen Konsum dieser tier- und klimaschädlichen Produkte zu reduzieren. Dies schlug nicht nur die Borchert-Kommission vor, dies empfiehlt auch eine aktuelle Studie der Universität Bonn. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass der Fleischkonsum in den Industrienationen um mindestens 75 Prozent sinken muss, um die globale Erwärmung unter 1,5 Grad Celsius zu halten.
Mehrwertsteuer für pflanzliche Nahrungsmittel streichen
Es war deswegen das richtige Signal, als Landwirtschaftsminister Özdemir Anfang Juni vorschlug, die Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte zu streichen. Davon würden vor allem einkommensschwache Haushalte profitieren. Zudem würde ein Anreiz für gesündere Ernährung geschaffen. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte begrüßt diesen Vorschlag ausdrücklich, fordert aber gleichzeitig Maßnahmen zur Reduzierung des Fleischkonsums.
Fleisch bedingt Hunger, Klimakrise und Tierleid
Denn dabei geht es um Nahrungsmittelverschwendung und Klimakrise gleichermaßen. Zum einen ist es die Fleischproduktion, für die wichtige Agrarflächen zweckentfremdet werden. Derzeit wandert rund die Hälfte der globalen Getreideproduktion in den Futtertrog. Dabei könnten mit einer getreidebasierten Ernährung dreimal so viel Nahrungsmittel erzeugt werden. Zum anderen sind Fleisch- und Milchprodukte für etwa 60 Prozent der Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft verantwortlich.
Nötig: Abgabe auf tierische Produkte
Deswegen fordert nicht nur der Bundesverband Menschen für Tierrechte sondern auch die in der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) vertretenen Naturschutzverbände eine Reduzierung des Fleischkonsums und die Abstockung der Tierbestände. Die Rechnung ist denkbar einfach: Je weniger Tiere für die Erzeugung tierischer Produkte gehalten werden, desto mehr Flächen stehen für Lebensmittel zur Verfügung. Wirksame Mittel sind eine Abgabe auf tierische Lebensmittel und die Anhebung der Mehrwertsteuer auf Fleisch von aktuell 7 auf 19 Prozent. Diese ist längst überfällig, denn die geringe Mehrwertsteuer subventioniert praktisch klimaschädliche tierische Produkte, während für viele pflanzliche Nahrungsmittel noch immer ein erhöhter Steuersatz bezahlt werden muss. Deswegen muss gleichzeitig die Mehrwertsteuer auf gesunde und klimafreundliche Lebensmittel, wie Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte, gesenkt werden.
Chance für systematischen Wandel
Die multiplen und existenzgefährdenden Krisen zeigen uns derzeit so deutlich wie nie, dass intensive konventionelle Landwirtschaft eine Sackgasse ist. Ein grundlegender Systemwechsel unseres Landwirtschafts- und Ernährungssystems ist unumgänglich. Die gute Nachricht ist: Je dramatischer die Krise, desto größer die Chance für den systematischen Wandel. Der Moment für diese Veränderung ist heute so günstig wie nie. Der Bundesverband wird sich dabei nicht nur auf das Anprangern der Missstände und politische Maximalforderungen zurückziehen. Im Rahmen seiner Kampagne für eine Agrar- und Ernährungswende stellt er zehn zielführende Maßnahmen vor, wie die Transformation zu einer zukunftsfähigen Landwirtschaft gelingen kann. Darüber hinaus wird der Bundesverband mit seinem neuen Projekt „Ausstieg aus der Tierhaltung“ Landwirt:innen aktiv dabei unterstützen, aus diesem ruinösen System auszusteigen.
Die zehn Forderungen in Kürze
1. Strategie für tier- und klimafreundliche Ernährungsformen
2. Tierbestände drastisch reduzieren
3. Weg von der Tierhaltung: Umstiegswillige Landwirt:iInnen fördern
4. Forschungsförderung für tierlose Anbausysteme
5. Tierschutzrecht, Vollzug und Gerichtsbarkeit stärken
6. Agrarsubventionen ökologisieren
7. Schädliche Subventionen beenden
8. Ökosysteme renaturieren und pflegen
9. Schluss mit der Exportorientierung
10. Regionaler Anbau statt Soja-Importe
Download der 10-seitigen Broschüre Forderungen für eine Agrar- und Ernährungswende als PDF.