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06. Mai 2022: Landtagswahl in NRW: Die Tierschutzpläne der Parteien

Am 15. Mai wählt Nordrhein‑Westfalen (NRW) eine neue Landesregierung. Um den Wähler:innen eine Orientierung zu geben, hat der Bundesverband Menschen für Tierrechte die etablierten Parteien zu ihren Tierschutzplänen befragt und ihre Wahlprogramme ausgewertet. Das Ergebnis: Die Tierschutz-Bilanz nach fünf Jahren Schwarz-Gelb ist enttäuschend. Auch die Wahlprüfsteine und Programme von CDU und FDP können nicht überzeugen. Anders sieht es bei SPD, Grünen und Linken aus. Ihre Ideen zum Abbau der Tierbestände und der industriellen Tierhaltung sowie zur Reduzierung des Fleischkonsums sind eher geeignet, um den großen Herausforderungen durch Klimakrise und Artensterben zu begegnen.

Die Landtagswahl im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) ist die bedeutendste in diesem Jahr. Im Rückblick ist die Tierschutzbilanz der seit 2017 regierenden schwarz-gelben Koalition enttäuschend. Gründe sind der Tierschutzskandal rund um die schon nach einem Jahr Amtszeit zurückgetretene Landwirtschaftsministerin Christina Schulze Föcking (CDU) sowie die Abschaffung der Tierschutz-Verbandsklage und der Stabsstelle Umweltkriminalität. Die ebenfalls kürzlich zurückgetretene Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) führte Ende 2020 zwar die Position der Landestierschutzbeauftragten ein. Doch auch dies konnte die schwarz-gelbe Tierschutzbilanz nicht mehr aufpolieren. Dies zeigte sich zuletzt auch in dem Anfang März 2022 veröffentlichten Kurzbericht (1) vor dem zuständigen Landtagsausschuss. 

CDU setzt auf Freiwilligkeit
In ihrem Wahlprogramm betont die CDU an mehreren Stellen ihre Tierschutz-Leistungen: So habe sie in den vergangenen Jahren die Nutztierhaltung der Zukunft auf den Weg gebracht, den Tierschutz gestärkt und das Tierwohl verbessert. Dieses müsse im Fokus der Tierhaltung stehen. Dabei scheint die Partei grundsätzlich mit dem Tierschutzniveau zufrieden. Auf die Frage des Bundesverbandes bezüglich der Behebung der Vollzugsdefizite antwortet sie: „Unsere Tierhaltung gehört – im Hinblick auf die Qualität und Sicherheit ihrer Erzeugnisse, die Tierwohlstandards sowie die ressourcenschonende Produktion – zu den besten der Welt“. Außerdem hat die CDU „vollstes Vertrauen“ in die Landwirt:innen. Dies zeigt sich auch darin, dass die Partei auf einen freiwilligen Austausch der Eigenkontrollergebnisse der Landwirt:innen mit den Kreisveterinärämtern setzt, um so risikoorientierte Kontrollen durchzuführen. 

FDP gegen Reduktion der Tierbestände
Im Wahlprogramm der derzeit mitregierenden FDP kommt der Tierschutz nur am Rande vor. Die Partei spricht sich zwar für ein EU-weites „Tierwohllabel“, den Bau besserer Ställe sowie die Kennzeichnung „tierwohlgerechter“ Produkte aus. Um Treibhausgase aus der Landwirtschaft zu reduzieren, setzt die FDP jedoch auf eine stärkere Digitalisierung sowie die Einbindung der Landwirtschaft in den CO2-Zertifikatehandel. Einer Reduktion der Tierbestände erteilt die FDP eine klare Absage: Die Nutztierhaltung sei ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und die Anzahl der gehaltenen Nutztiere sei seit Jahren rückläufig. Positiv hervorzuheben ist, dass die FDP den Sojaanbau intensivieren und besser erforschen will, um einen neuen Markt zu erschließen und um die wachsende Nachfrage nach veganen und vegetarischen Produkten bedienen zu können. Vollzugsdefizite will die FDP durch mehr Personal in den Veterinärämter bekämpfen sowie durch bundesweite Standards für Veterinärkontrollen und einen besseren Austausch zwischen den Ländern.  

SPD: Klimaprämie für Bestandsreduktion
Deutlich weiter gehen die Pläne der Opposition: Die SPD spricht sich in ihrem Wahlprogramm dafür aus, Fleisch aus klimaschädlicher Massentierhaltung zu verteuern. In den Wahlprüfsteinen spricht sie sich klar für eine Reduzierung der Tierbestände in NRW aus. Dazu verfolgt sie eine regionale Begrenzung durch die Kopplung der Tierzahlen an die Fläche. Den wesentlichen Hebel zur nachhaltigen Umgestaltung der Landwirtschaft ist nach Meinung der SPD das Ernährungsverhalten. Deswegen will sie die neuesten Erkenntnisse der sogenannten „Planetary Health Diet“ berücksichtigen (2). Bei dieser Ernährungsform wird der Fleischkonsum massiv reduziert und durch pflanzliche Proteine ersetzt. Besonders interessant ist der Ansatz der NRW-SPD, eine an die eingesparten Klimagase gekoppelte Prämie an Betriebe auszuzahlen, die ihre Tierbestände reduzieren. 

Grüne und Linke für Tierschutz-Verbandsklage
Auch Grüne und Linke legen zielführende Maßnahmen vor. So kündigen Sie beispielsweise in ihren Programmen an, ein vollumfängliches Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine in NRW (wieder) einzuführen. Die Grünen wollen zudem die Stellung der Landestierschutzbeauftragten und der Umweltverwaltung stärken sowie den Tierschutz in einem Ministerium bündeln. Die industrielle Massentierhaltung soll beendet werden. Dazu sollen die Tierbestände reduziert und die Haltungsbedingungen verbessert werden. Bis 2030 soll der Anteil des Ökolandbaus auf 25 Prozent steigen. Auf die Frage, ob die Grünen den Konsum tierischer Produkte reduzieren wollen, entgegen sie mit einer Ernährungsstrategie auf Landesebene. Diese soll für ausgewogene Speisepläne in den Kantinen und Mensen sorgen. Dazu zählten neben ökologischen Erzeugnissen auch rein pflanzliche und vegetarische Angebote. Die Linke verfolgt ähnliche Ziele. Sie will die Massentierhaltung durch artgerechte Haltungsformen ersetzen, die Tierhaltung über Bestandsobergrenzen an die Fläche binden und Qualzuchten beenden.  

Fazit: Klimakrise und Artensterben erfordern schnelle und konsequente Maßnahmen
„Weder die Tierschutzbilanz noch die Tierschutzpläne von Schwarz-Gelb überzeugen. Die Einführung der Landestierschutzbeauftragten und ein engagiertes Fachreferat können den fehlenden politischen Willen für wirkliche Tierschutzverbesserungen nicht ausgleichen. Statt strengeren gesetzlichen Vorgaben, setzen CDU und FDP auf den guten Willen von Landwirtschaft und Industrie und auf den Markt als Regulativ – ein Fehlschluss. Denn es zeigt sich immer wieder, dass echte Tierschutzverbesserungen nicht durch Freiwilligkeit erreicht oder herbeigefördert werden können“, kritisiert Christina Ledermann, Vorsitzende des Bundesverbandes Menschen für Tierrechte. 

Positiv bewertet der Tierrechtsverband hingegen die Pläne von SPD, Grünen und Linken. „Die nächste Landesregierung steht vor großen Herausforderungen. Die Klimakrise und das dramatische Artensterben erfordern schnelle und konsequente Maßnahmen. Wählbar sind nur Parteien mit guten Zukunftskonzepten und dem Mut diese auch umzusetzen“, schließt Ledermann. 

Hier lesen Sie dieausführliche Auswertungonline und können sich Wahlprogramme und eine Übersichtsgrafik herunterladen sowie die Antworten der Parteien auf die Wahlprüfsteine. 

Bei allen Angaben handelt es nicht um eine Wahlempfehlung. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte e.V. ist politisch neutral.

(1) Schwarz-Gelbe Bilanz im Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz. Sitzung des AULNV am 9.03.2022

(2) Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.: Planetary Health Diet

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Pressestelle:
Christina Ledermann
Mobil: 0179/450 46 80
E-Mail: ledermann@tierrechte.de
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Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Neue Geschäftsstelle: Severinusstr. 52, 53909 Zülpich
Tel: 02252/830 12 10, Internet: www.tierrechte.de


Der Bundesverband Menschen für Tierrechte setzt sich seit seiner Gründung 1982 auf rechtlicher, politischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene für die Anerkennung elementarer Tierrechte ein und kämpft gegen jeglichen Missbrauch von Tieren. Das langfristige Ziel ist eine grundsätzliche Veränderung des Mensch-Tier-Verhältnisses. Dem Dachverband mit Hauptsitz in Zülpich (früher Aachen) sind Vereine sowie private Fördermitglieder angeschlossen. Seine Stärke liegt im Zusammenwirken von Seriosität, Fachwissen und Lobbyarbeit auf höchster politischer Ebene. Dazu verfolgt der Verband einen Masterplan zum Ausstieg aus dem Tierversuch und eine Agrarwende von der tierischen zur pflanzlichen Eiweißproduktion, um das Ende der „Nutztier“-Haltung zu erreichen. Darüber hinaus ernennt der Verband beispielsweise das „Ersatzverfahren bzw. Replace des Jahres“ sowie das: „Versuchstier des Jahres“, betreibt die Wissenschaftsplattform InVitro+Jobs für eine konsequente Förderung der tierversuchsfreien Forschung und setzt sich mit dem Projekt SATIS für eine humane Ausbildung ein. Weitere Arbeitsschwerpunkte sind die Etablierung der Tierschutz-Verbandsklage, eine tierlose bio-vegane Landwirtschaft sowie die Aufnahme von Tierrechten in die Lehrpläne von Schulen. Der Verband gibt viermal im Jahr das Magazin tierrechte heraus. Neben einem Themenschwerpunkt informiert die Zeitschrift Journalisten, Wissenschaftler, Politiker, Behörden und Verbandsmitglieder über aktuelle Entwicklungen in der politischen Tierrechtsarbeit. Zudem erscheint zweimal monatlich der Tierrechte Newsletter. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte ist seit seiner Gründung als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt. Beiträge und Spenden sind steuerlich absetzbar.

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