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Özdemir spricht mit Tierschutzverbänden: „Wir wollen nicht auf Brüssel warten“

Seltener Anblick: Eine Kuh und ihr Kalb. Foto: Adobe Stock/benschonewille

Am 10. Februar 2022 sprach der grüne Landwirtschaftsminister Cem Özdemir mit zehn der führenden deutschen Tierschutzverbände, unter anderem Menschen für Tierrechte. Das Bündnis für Tierschutzpolitik hatte zuvor an ihn appelliert, den Tierschutz in Deutschland entschlossen voranzubringen. Özdemir gab allen Vereinsvertretern die Gelegenheit, die aus ihrer Sicht brennendsten Themen zu benennen.

Zentrales Thema: Tierhaltungskennzeichnung
Zentrales Thema war die Ausgestaltung der angekündigten Tierhaltungskennzeichnung, bei der die Tierschutzseite darauf drängte, dass die unteren Label-Stufen deutlich über dem gesetzlichen Mindeststandard und denen der „Initiative Tierwohl“ des Handels liegen müssten. Ein weiteres Thema war der Umbau der sogenannten Nutztierhaltung. Hier war den Tierschutzvertretern wichtig, dass die Vorgaben der Borchert-Kommission nicht ausreichend seien. Zudem müssten die gesetzlichen Mindeststandards deutlich angehoben werden.

Umbau der Tierhaltung: Über Borchert hinausgehen
Die Tierärztin und Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Ophelia Nick ergänzte, dass die Ergebnisse der Borchert-Kommission eine gute Grundlage seien. Die Grünen würden aber mehr wollen. Die geplante Tierhaltungskennzeichnung solle umfassend sein und auch für die Außer-Haus-Verpflegung gelten. Dies sei jedoch komplex. Sie würden deswegen zunächst mit der Kennzeichnung von Schweinefleisch beginnen, später sollen weitere Tierarten folgen. Bezüglich der Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung prüft die Ampel-Koalition derzeit mehrere Finanzierungssysteme, unter anderem eine Mehrwertsteuererhöhung auf Fleisch.

Tierbestände reduzieren
Özdemir betonte, dass staatliche Gelder nur in bessere Haltungsformen fließen sollen und dass es keine Anreize geben sollte, die Tierhaltung weiter auszubauen. Stattdessen müsse die Zahl der Tiere reduziert werden. Hier seien einige Länder weiter als Deutschland. Die Niederlande seien beispielsweise aktiv dabei, ihre Tierbestände abzubauen.

Millionen sogenannter Masthühner leiden in industriell geprägten Mastanlagen. Schon nach etwa 33 Tagen werden die Tiere geschlachtet. Foto: iStock/roibu

Keine Privilegierung für Mastställe
Bezüglich der Diskussion um den Bau neuer Tierhaltungsanlagen betonte die Tierschutzseite, dass es keine pauschale Privilegierung für Tierhaltungsanlagen geben dürfe. Konkret bezogen sich diese Bedenken auf den aktuell vorliegenden Gesetzesantrag aus NRW zur „Beförderung des Tierwohls in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung“. Statt das Baurecht aufzuweichen, müssten die Tierzahlen reduziert werden. Zu dem umstrittenen Gesetzentwurf hatte das Bündnis für Tierschutzpolitik zuvor ausführlich Stellung genommen. Nick bestätigte die Ansicht der Tierschutzverbände, dass die „Tierwohl“-Definitionen nicht ausreichend seien.

Tiertransporte in Drittländer verbieten
Zur Frage der Tiertransporte sprach sich Cem Özdemir klar für ein EU-weites Verbot von Tiertransporten in Drittländer sowie gegen Qualzuchten aus. Insgesamt wolle er mit diesen Verbesserungen nicht auf Brüssel warten.

Menschen für Tierrechte setzt sich für eine Agrar- und Ernährugswende hin zu pflanzlichen Eiweißträgern ein. Hier auf einer Protestaktion vor dem Bundestag.

Ja zu einer Ernährungsstrategie
Menschen für Tierrechte begrüßte, dass die Ampel pflanzliche Alternativen stärken wolle. Wichtig sei jetzt, dass das Ministerium eine Ernährungsstrategie zur systematischen Förderung einer tier- und klimafreundlichen Ernährung erarbeite. Dies sei ihm ein persönliches Anliegen, sagte Özdemir. Sein Ministerium trüge die „Ernährung“ nicht umsonst um Namen zudem ernähre er selbst sich seit seinem 17. Lebensjahr vegetarisch.

Tierversuche: Ziel bleibt der Ausstieg
Kritik übte Menschen für Tierrechte daran, dass der Koalitionsvertrag in Punkto Tierversuche deutlich hinter den Versprechen der Wahlprogramme zurückbleibe. Der anvisierte Ausstiegsplan sei zu einer Reduktionsstrategie zusammengedampft worden. Der Bundesverband sagte dennoch seine fachliche Unterstützung für die Reduktionsstrategie zu. Ziel müsse jedoch der Ausstieg aus dem Tierversuch bleiben.