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26. August 2020: Tierversuche: LPT– die wirkliche Lösung ist ein systematischer Ausstiegsplan

Anfang der Woche wurde bekannt, dass das Hamburger Tierversuchslabor LPT ab Ende August wieder Versuche an Tieren durchführen darf. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte hält diese Entscheidung für unverantwortlich. Er fordert die Bundesländer dazu auf, sich neben Verbesserungen im Tierversuchsrecht für eine Gesamtstrategie zum Ausstieg aus dem Tierversuch einzusetzen.

Das Laboratory of Pharmacology and Toxicology (LPT) im niedersächsischen Mienenbüttel gelangte im Oktober 2019 durch die Undercover-Aufnahmen des Vereins Soko Tierschutz zu trauriger Berühmtheit. Die Aufnahmen von misshandelten Affen und von Hunden, die in ihrem eigenen Blut dahinvegetierten, führten zu einem Aufschrei in der Bevölkerung. Zehntausende forderten die Schließung des Labors. Im Februar entzog die zuständige Behörde die Betriebserlaubnis für die Standorte Mienenbüttel und Hamburg-Neugraben, unter anderem wegen schwerwiegender Verstöße gegen das Tierschutzgesetz. Die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt zudem wegen gefälschter Laborergebnisse. Das LPT legte daraufhin Widersprüche gegen die Entscheidungen der Behörde ein. Mitte Juli stellte das Oberverwaltungsgericht Hamburg die aufschiebende Wirkung der Widersprüche des Unternehmens wieder her. Damit wurde der Betrieb am Standort Hamburg-Neugraben grundsätzlich wieder erlaubt.

Wirtschaftliche Interessen hebeln Tierschutz aus
„Es ist absolut unverantwortlich, dass das Oberverwaltungsgericht dem Skandallabor schon nach wenigen Monaten die Wiederaufnahme von Tierversuchen erlaubt, obwohl die Vorwürfe in Bezug auf die gefälschten Studien noch lange nicht aufgeklärt sind. Dies zeigt deutlich, dass der Tierschutz ausgehebelt wird, sobald es um wirtschaftliche Interessen geht“, kritisiert Christina Ledermann, Vorsitzende des Bundesverbandes Menschen für Tierrechte. Nach Ansicht des Tierrechtsverbandes reiche es nicht, das Personal auszutauschen und mehr Auflagen und Kontrollen anzukündigen. Dies sei nach den gravierenden Tierschutzverstößen selbstverständlich. Der Verband sieht in der Entscheidung noch ein weiteres unabsehbares Risiko, denn die manipulierten Testergebnisse gefährdeten die menschliche Sicherheit.

Hamburgs Justiz- und Verbraucherschutzsenatorin Anna Gallina (Grüne) kündigte eine Bundesratsinitiative an, bei der sich die Hansestadt auf Bundesebene für Verbesserungen beim Versuchstierschutz einsetzen wolle. Die rot-grüne Hamburger Bürgerschaft hatte schon in ihrem Koalitionsvertrag (1) vereinbart, dass sie alle Möglichkeiten ausschöpfen wolle, um Tierversuche in Hamburg zu vermeiden. Am 20. November 2019 brachten SPD und Grüne zudem einen Zusatzantrag ein (2). Darin forderten SPD und Grüne, dass die Bundesregierung die EU-Tierversuchsrichtlinie voll umsetzen müsse, um die Hürden für Genehmigungen von Tierversuchen höher zu legen.

Dringend nötig: Masterplan für eine tierleidfreie Wissenschaft
Der Bundesverband Menschen für Tierrechte begrüßte die Initiativen von Rot-Grün in Hamburg für eine grundsätzliche Abkehr vom Tierversuch. Der Ansatz, zunächst auf eine korrekte Umsetzung der EU-Tierversuchsrichtlinie in Deutschland zu pochen, sei richtig. Leider seien die Änderungen von Tierschutzgesetz und Tierschutz-Versuchstierverordnung, die die Bundesregierung im Frühjahr vorgelegt habe, völlig unzureichend (3). Um die Missstände zu beheben, müssten sich die Länder im Bundesrat dafür einsetzen, dass die Bundesregierung die gravierenden Fehler in ihren Entwürfen korrigiere. Um dem erklärten Ziel einer tierversuchsfreien Forschung näher zu kommen, müsse der zweite Schritt umgesetzt werden, die Erarbeitung einer Gesamtstrategie für eine tierversuchsfreie Forschung.

„Ob im LPT oder anderswo – die Tiere werden solange leiden und sterben, bis mehr tierversuchsfreie Verfahren entwickelt und verpflichtend in die Prüfvorschriften aufgenommen werden. Um den Ausstieg aus dem Tierversuch einzuleiten, brauchen wir deswegen endlich eine umfassende Gesamtstrategie für eine tierleidfreie Wissenschaft, wie wir sie mit unserer Kampagne „Ausstieg aus dem Tierversuch. JETZT!“ fordern (4).

 

Foto: SOKO Tierschutz

(1) Auszug aus dem Koalitionsvertrag der 22. Legislaturperiode der Hamburgischen Bürgerschaft: “Hamburg schöpft alle Möglichkeiten aus, um Tierversuche zu vermeiden. Den Schutz von Tieren wollen wir auf allen Ebenen voranbringen, durch Aufklärung der Verbraucher*innen ebenso wie durch staatliches Handeln. Den Hamburger Forschungspreis für Alternativen zu Tierversuchen werden wir weiterhin regelmäßig vergeben. Im Rahmen der Forschungsförderung unterstützen wir gezielt die tierversuchsfreie Forschung. Ziel ist es, die Investitionen in humanbasierte Forschungsmethoden systematisch und dauerhaft zu steigern. Hierzu wollen wir die Potenziale von Stammzellmodellen als Ersatz für Tiermodelle sowie die Kombination mit innovativen Algorithmen und anderen Möglichkeiten der Digitalisierung weiter heben und entwickeln. Wir fördern aus Hamburg heraus den Ersatz und die mittelfristige Abschaffung der regulatorischen Testungen an Tieren. Ziel ist, die bislang vorgeschriebenen standardisierten Tierversuche zur Zulassung von Medikamenten perspektivisch durch tierversuchsfreie Methoden zu ersetzen. Dazu richtet Hamburg eine Professur für das Fachgebiet Refinement, Reduction, Replacement (3R-Verfahren) am UKE ein, bündelt die wissenschaftliche Expertise und setzt sich im Bund sowie im europäischen Kontext ein. Die konsequente Umsetzung der EU-Tierversuchsrichtlinie in deutsches Recht werden wir kritisch begleiten.“
(2) Antrag Tierversuche vermeiden –Tierleid mindern, Grüne Hamburg
(3) Pressemitteilung vom 29. März 2020, Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner: Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland – Tierschutzverbände fordern eine vollumfängliche und zweifelsfreie Umsetzung des EU-Tierversuchsrechts
(4) Unter der Federführung des Bundesverbandes und dem Verein Ärzte gegen Tierversuche startete zu Jahresbeginn ein Bündnis aus insgesamt 15 Tierschutz- und Tierrechtsvereinen die gemeinsame Kampagne „Ausstieg aus dem Tierversuch. JETZT!“. Die Verbände fordern von der Bundesregierung eine Gesamtstrategie für einen Systemwechsel vom grausamen, wissenschaftlich fragwürdigen Tierversuch hin zu einer modernen, humanrelevanten Forschung des 21. Jahrhunderts. Dabei ist eine Umschichtung der Fördergelder dringend erforderlich. Zudem bedarf es umgehender Sofortverbote, konkreter Zielvereinbarungen mit Ausstiegsdaten und schnellerer Anerkennungsverfahren für tierversuchsfreie Systeme. Unter www.ausstieg-aus-dem-tierversuch.de kann die Forderung online unterschrieben werden.

 

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Pressestelle:
Christina Ledermann
Tel.: 05840/99 99 790
Mobil: 0179/450 46 80
E-Mail: ledermann@tierrechte.de

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Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Neue Geschäftsstelle: Severinusstr. 52, 53909 Zülpich
Tel: 02252/830 12 10, Internet: www.tierrechte.de

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Der Bundesverband Menschen für Tierrechte setzt sich seit seiner Gründung 1982 auf rechtlicher, politischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene für die Anerkennung elementarer Tierrechte ein und kämpft gegen jeglichen Missbrauch von Tieren. Das langfristige Ziel ist eine grundsätzliche Veränderung des Mensch-Tier-Verhältnisses. Dem Dachverband mit Hauptsitz in Zülpich (früher Aachen) sind Vereine sowie private Fördermitglieder angeschlossen. Seine Stärke liegt im Zusammenwirken von Seriosität, Fachwissen und Lobbyarbeit auf höchster politischer Ebene. Dazu verfolgt der Verband einen Masterplan zum Ausstieg aus dem Tierversuch und eine Agrarwende von der tierischen zur pflanzlichen Eiweißproduktion, um das Ende der „Nutztier“-Haltung zu erreichen. Darüber hinaus ernennt der Verband beispielsweise das „Ersatzverfahren bzw. Replace des Jahres“ sowie das: „Versuchstier des Jahres“, betreibt die Wissenschaftsplattform InVitro+Jobs für eine konsequente Förderung der tierversuchsfreien Forschung und setzt sich mit dem Projekt SATIS für eine humane Ausbildung ein. Weitere Arbeitsschwerpunkte sind die Etablierung der Tierschutz-Verbandsklage, eine tierlose bio-vegane Landwirtschaft sowie die Aufnahme von Tierrechten in die Lehrpläne von Schulen. Der Verband gibt viermal im Jahr das Magazin tierrechte heraus. Neben einem Themenschwerpunkt informiert die Zeitschrift Journalisten, Wissenschaftler, Politiker, Behörden und Verbandsmitglieder über aktuelle Entwicklungen in der politischen Tierrechtsarbeit. Zudem erscheint zweimal monatlich der Tierrechte Newsletter. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte ist seit seiner Gründung als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt. Beiträge und Spenden sind steuerlich absetzbar.

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