Stadttauben

Taubentötungen: Was kann ich tun?

Immer wieder wird bekannt, dass Stadttauben gefangen und getötet werden. In letzter Zeit kam die Problematik hinzu, dass die Tiere aufgrund der Pandemie-bedingten Lockdowns, die auch in Zukunft eintreten können, in den leeren Innenstädten keine Nahrung mehr finden. Doch dürfen Städte, Unternehmen und Privatleute die ungeliebten Stadtbewohner fangen und töten (lassen), obwohl es tierschutzgerechte Methoden gibt? Wir geben einen Überblick über die rechtliche Situation und geben Tipps, was Sie tun können.

Aufgrund der Corona-bedingten Lockdowns ist das Leiden der Stadttauben in den Vordergrund gerückt. Stadttauben sind im Laufe der Zeit ausgesetzte oder entflogene Haus-, Brief- oder Rassetauben und deren Nachkommen. Ein Gutachten belegt, dass Stadttauben Haustiere sind und über die Zeit nicht verwildern. Sie sind an ein Leben in freier Wildbahn weder adaptiert noch aufgrund der Zucht geeignet [1]. Tierschutzverbände und Taubenliebhaber*innen schlagen Alarm: Stadttauben, die keinen Zugang zu betreuten Futterstellen haben, haben während des Lockdowns erst recht keine Nahrung gefunden und drohten zu verhungern. In den Innenstädten und in der Umgebung von Bahnhofsgebäuden hat sich kaum mehr Essbares für die freilebenden bzw. obdachlosen Haustiere gefunden. Geschwächte, nach Futter suchende Vögel, verwaiste Nestlinge und verhungerte Tauben sind an der traurigen Tagesordnung gewesen. Da sich kranke und sterbende Tiere verkriechen, sind Kadaver häufig nur schwer auffindbar. Das Problem bleibt unsichtbar.

Methoden müssen verhältnismäßig sein
Immer wieder berichten uns Augenzeug*innen zudem, dass sie beobachten wie Stadttauben im öffentlichen Raum in Fallen gefangen und sogar getötet werden. Doch sind solche drastischen Maßnahmen legal? Grundsätzlich gilt: Taubentötungen bewegen sich rechtlich auf äußerst dünnem Eis, denn ein Fernhalten (Vergrämen) von Tauben kann auch mit milderen Mitteln erfolgen, die zudem erfolgsversprechender sind. Methoden zur Abwehr von Stadttauben müssen verhältnismäßig sein. Der Schutz der Tiere ist als Staatsziel im Grundgesetz (Art. 20 a GG) verankert und darf nicht aus Kostengründen oder bloßem Missfallen eines Tieres missachtet werden [2]. Bei der Abwehr von Stadttauben müssen im Sinne des Staatsziels immer zuerst mildere Mittel angewendet werden. Über diesen Grundsatz des Tierschutzrechts belehrte neulich das Verwaltungsgericht Stuttgart ein Veterinäramt [3], siehe unten „Neue Rechtsprechung verbietet Taubentötungen vor Prüfung von Alternativen“.

Stadttauben dürfen nicht bejagt werden
Stadttauben dürfen grundsätzlich nicht bejagt werden. Sie fallen nicht unter das Jagdgesetz und werden durch die Bundesartenschutzverordnung geschützt. Das Anlocken, Fangen und Töten mit Fallen oder anderen in der Verordnung gelisteten Methoden von wildlebenden Tieren der besonders geschützten Arten und der nicht besonders geschützten Wirbeltierarten ist verboten (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BArtSchV). Allerdings ermöglicht eine Ausnahmeregelung, dass im Einzelfall von diesem Verbot abgesehen werden darf (§ 4 Abs. 3 BArtSchV). Nach einem unveröffentlichten Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) von 2018 darf diese jedoch „nur unter sehr engen Voraussetzungen“ erteilt werden [4]. Der VGH hatte der vom Veterinäramt Frankfurt angeordneten Schließung eines Fangschlags Recht gegeben, da für diese spezielle Schädlingsbekämpfungsmaßnahme (Fang und entfernte Aussetzung) die generelle Erlaubnis nach § 11 TierSchG nicht genügt und auch die Artenschutzverordnung greift. Damit hat der VGH das Erfordernis der artenschutzrechtlichen Genehmigung bestätigt.

Liegt eine Ausnahmegenehmigung vor?
Besteht ein konkreter Verdacht für einen Tierschutzverstoß und liegt idealerweise Beweismaterial (Fotos, wer hat wann wie viele Tiere wo gefangen/getötet?) vor, sollte mit dem zuständigen Veterinäramt oder der unteren Naturschutzbehörde geklärt werden, ob eine Ausnahmeregelung für den Einzelfall vorlag. Außerdem ist nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8e Tierschutzgesetz eine Erlaubnis des Veterinäramts nötig, um Wirbeltiere gewerbsmäßig als sogenannte Schädlinge zu bekämpfen.

Fallenfang im Einzelfall möglich
Das Fangen von wildlebenden, nicht dem Jagdrecht unterliegenden Vögeln mittels Fallen ist grundsätzlich verboten (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 BArtSchV), kann jedoch im Einzelfall genehmigt werden (§ 4 Abs. 3 BArtSchV). Die Tiere können sich in den Fallen verletzen, in Stress und Panik geraten und damit erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden erfahren. Diese halten länger an, wenn die Fallen nicht in engen Zeitabständen überprüft werden [5].
Für den Fang sind Vorrichtungen oder Stoffe verboten, wenn damit die Gefahr vermeidbarer Schmerzen, Leiden oder Schäden verbunden ist (§ 13 Abs. 1 Tierschutzgesetz) und die unrechtmäßige Anwendung gilt als Ordnungswidrigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 25). Wurden Tauben dennoch in einer Falle gefangen oder verhungern verwaiste Jungtiere, so muss der Tatbestand nach § 17 Tierschutzgesetz geprüft werden [6; 5]. Besteht dieser, droht eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldbuße (§ 17 TschG).

Tötung durch Schrotschüsse sind strikt abzulehnen
Das Strafmaß droht ebenso für die Tötung ohne den sogenannten „vernünftigen Grund“. Besteht ein „vernünftiger Grund“, so darf die Tötung nicht mehr als unvermeidbare Schmerzen verursachen. Dies trifft im Falle einer Tötung durch ein Gewehr nicht zu, denn:
»Schrotschüsse auf Vogelschwärme führen voraussehbar dazu, dass ein erheblicher Teil der Tiere nur verletzt oder verkrüppelt wird und anschließend einen qualvollen Tod erleidet« [6]
Derartige Tötungsaktionen sind daher strikt abzulehnen. Hinzukommt dass sich eine Nachsuche verletzter, angeschossener Tiere im Stadtgebiet als äußerst schwierig darstellen dürfte. Das Unterlassen der Nachsuche stellt ebenfalls eine Straftat dar (§17 Nr. 2a TierSchG). Da Stadttauben ganzjährig brüten, kann zu keiner Zeit sicher ausgeschlossen werden, dass es sich um brütende Elterntiere handelt. Darüber hinaus wären Ermittlungsverfahren wegen unterlassener Hilfeleistung denkbar, wenn verwaiste Nestlinge sich selbst überlassen werden und verhungern (§ 323 c StGB).

Tötung im Rahmen der Schädlingsbekämpfung
Obwohl von verwilderten Tauben keine größere Gesundheitsgefahr ausgeht als von Haustieren oder Wildvögeln, ist im Einzelfall eine Zuschreibung von gesundheitsschädlichen Eigenschaften rechtlich möglich. Zum Beispiel, wenn sich Tauben im Hygienebereich von lebensmittelverarbeitenden Betrieben aufhalten. Um Tauben als Gesundheitsschädlinge einstufen zu können, muss jedoch eine konkrete Gefahrenlage für den Menschen bestehen [7]. Erst dann darf die entsprechende Behörde Maßnahmen zur Bekämpfung von Stadttauben im Einzelfall genehmigen.

Neue Rechtsprechung verbietet Taubentötungen vor Prüfung von Alternativen
Nach einem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs von 2011 können Stadttauben unter anderem als sogenannte Schädlinge gelten, wenn sie sich in einem Schwarm von 10 Tieren pro 100 m² aufhalten [8]. Diese Angabe ist jedoch wissenschaftlich unbegründet und scheint willkürlich gewählt. Zudem erweist sie sich als praxisuntauglich, da sie zum Beispiel keine Informationen über den Zeitraum enthält, in welchem die Tauben zu zählen sind [2; 5]. Findet eine Bekämpfung der Tauben dennoch aufgrund ihres Auftretens in großen Schwärmen statt, muss beachtet werden, dass sich die Population in kurzer Zeit wieder erhöhen kann.

Ein für den Schutz der Tauben bedeutendes Urteil kam 2021 vom Verwaltungsgericht Stuttgart [3]. Es untersagte eine behördlich erlaubte Tötung von Stadttauben. Das Veterinäramt in Aalen stufte Tauben in einem konkreten Problemfall als Schädlinge ein und ordnete deren Tötung an. Nach einer Klage des Landestierschutzverbandes Baden-Württemberg untersagte das Verwaltungsgericht Stuttgart die Taubentötung. Dem Urteil von September 2021 zufolge habe die Behörde nicht hinreichend geprüft, ob die Maßnahme geeignet, erforderlich und angemessen ist. Die gezielte Tötung von Tieren sei immer nur letztes Mittel, wenn es keine anderen Lösungen gibt. Das gelte auch für die sogenannte Schädlingsbekämpfung. Selbst wenn also Tauben – in bestimmten Situationen – als Schädlinge eingeordnet werden können, dürfen sie grundsätzlich nicht getötet werden. Das Gericht verwies auf das Staatsziel Tierschutz und entschied, dass Behörden keine Erlaubnis zur Tötung von Tauben als Schädlinge erteilen dürfen, wenn es Möglichkeiten gibt, die Tiere einzufangen und anderweitig unterzubringen.

Der Verhandlung zufolge dürften auch mehr Umsiedlungsmöglichkeiten gebraucht werden als verfügbar seien. Dies enthebe eine Tierschutzbehörde jedoch nicht der Pflicht, in eine einzelfallbezogene Prüfung einzutreten.

Dieses wegweisende Urteil ist das erste, das so konkret das Tötungsverbot für Stadttauben anwendet. Es ist eine Anweisung an Veterinärämter, anstelle von Taubentötungen zielstrebig nach milderen Maßnahmen zu suchen.

Tötungsaktionen nicht nachhaltig
Ohnehin werden die Bestände durch Tötungsaktionen nicht dauerhaft reguliert – im Gegenteil. Die Populationen verjüngen sich [9] oder bekommen Zuzug von Tauben aus der Umgebung, die die freigewordenen Nistplätze in der Problemzone beziehen. Ein nachhaltiger Erfolg von Tötungsaktionen ist daher nicht zu erwarten – und eine wiederholte Durchführung solch drastischer Maßnahmen ist offenkundig nicht mehr als „Ausnahme“ bzw. „als Einzelfall“ genehmigungsfähig [10]. Glücklicherweise existieren wesentlich tierschonendere und effektivere Maßnahmen zur Populationsreduktion.

Fazit: Tötung nicht vertretbar
Nur im Rahmen einer Ausnahmeregelung (§ 4 Abs. 3 BArtSchV) kann – aus rechtlicher Sicht – vom Fang- und Tötungsverbot wildlebender Stadttauben mit den gelisteten Methoden abgesehen werden. Liegt eine solche nicht vor, kann das Fangen / Töten von Stadttauben selbst bei Vorlage einer Erlaubnis nach § 11 TSchG einen Verstoß darstellen [4, 11]. Unabhängig davon führt die Bekämpfung zu erheblichen Tierschutzverstößen, wenn die Art und Weise der Durchführung nicht verhältnismäßig ist und kein „vernünftiger Grund“ vorliegt. Eine Entscheidung über mögliche Straftatbestände wird wohl Gegenstand weiterer Rechtsprechungen werden. Zum Zwecke der Bestandsregulierung und dem Fernhalten von Stadttauben ist eine Tötung nach Ansicht von Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V. nicht vertretbar, da mildere Mittel existieren. Diese sind in jedem Falle anzuwenden.

Stadttaubenmanagement: nachhaltig und tierschutzgerecht
Zum Fernhalten von Tauben eignen sich zahlreiche Vergrämungsmaßnahmen, die – sofern sie fachgerecht angebracht werden – eine tierschonende Variante darstellen. Kunststoffspikes, fachgerecht (!) angebrachte Vogelabwehrnetzte, Schrägbleche usw. ermöglichen lokalen Gebäudeschutz und verhindern den Einzug neuer Taubenpaare. Da diese jedoch in der Regel eine Verlagerung der Schwärme auf geeignete Nachbargebäude bewirken, stellt dies keine flächendeckende Lösung, sondern lediglich eine Verdrängung dar. Eine tierschutzgerechte und nachhaltige Regulierung ist nur durch ein konsequentes Stadttaubenmanagement mit betreuten Taubenschlägen zu erreichen.
Betreute Taubenschläge führen erwiesenermaßen zum Erfolg, wenn gewisse Schlüsselkriterien beachtet werden [12]. Sie ermöglichen den Ei-Austausch und damit die Reduzierung des Taubenbestandes. Mit der Gabe von Vitaminen und Mineralstoffen sowie durch tierärztliche Bestandskontrollen bleiben die Tauben gesund. Da die Tiere einen überwiegenden Teil des Kots in den Schlägen absetzen, sinken die Kosten für Gebäudereinigungen. In unserem Praxishandbuch [13] beschreiben wir, wie eine effektive Geburtenkontrolle, die einfache und kostengünstige Entfernung von Taubenkot sowie die Gesunderhaltung der Tiere durch artgerechte Fütterung und tierärztliche Bestandsbetreuung möglich wird. Mit stadtweiten Konzepten können möglichst viele Stadttauben an die Schläge gebunden werden. So können Bürgerinnen und Bürger entlastet und die Taubenfrage tierschutzgerecht gelöst werden.

Die Kommunen sind in der Pflicht
Nach dem neuen Gutachten [1] gelten Stadttauben als Fundtiere. Daher haben Kommunen die Pflicht zur Lösung der dauerhaften, menschengemachten tierschutzrechtlichen Probleme von Stadttauben. Aufgrund der tierschutzrechtlichen Schutz- bzw. Halterpflichten müssen sie ein professionelles Taubenmonitoring und Taubenmanagement etablieren, unter anderem mit der Unterstützung von Tierschutz-, Stadttaubenvereinen bzw. Ehrenamtlichen [1]. Das Gutachten ist eine wichtige Überzeugungsgrundlage für die Verantwortungsübernahme des Stadttaubenmanagements durch die Kommune.


[1] Arleth C., Hübel J. Rechtsgutachten Stadttaubenschutz. Tierschutzbeauftragte des Landes Berlin. Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskiminierung; 29.10.2021. Available from: URL: https://www.berlin.de
[2] Schönfelder R. Gehn ’mer Tauben vergiften im Park?: Zum Umgang mit Tauben aus strafrechtlicher Sicht. NuR 2017; 39(1):26–32.
[3] Verwaltungsgericht Stuttgart, Az. 15 K 4096/19, 29.09.2021. Presse siehe https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/vg-stuttgart-15k409619-tauben-toetung-rechtswidrig-unverhealtnismaessig-plage-schaedlinge-tierschutz/ 
[4] Hessischer Verwaltungsgerichtshof. 2 B 1250/18 – nicht veröffentlicht; 2018 Oct 18.
[5] Ort J-D. Was bedeutet das Urteil des VGH Kassel vom 01.09.2011 für die Schädlingsbekämpfung im Rahmen von § 11 TierSchG? Berlin; 2012 Mar 3.
[6] Hirt A, Maisack C, Moritz J. Tierschutzgesetz: Mit TierSchHundeV, TierSchNutztV, TierSchVersV, TierSchTrV, EU-Tiertransport-VO, TierSchlV, EU-Tierschlacht-VO: Kommentar. 3. Auflage. München: Verlag Franz Vahlen; 2016.
[7] Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin. Taubentötungen: Stellungnahme des BgVV vom 20. Juli 2001: Bundesinstitut für Risikobewertung; 2001 Jul 20.
[8] Hessischer Verwaltungsgerichtshof. Verwilderte Stadttauben sind bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen als Schädlinge anzusehen (§ 11 Abs. 1 Nr. 3e TierSchG); 2011.
[9] Haag-Wackernagel D. Bestandsregulierung bei Straßentauben. In: Sambraus HH, Steiger A, editors. Das Buch vom Tierschutz: 55 Tabellen. Stuttgart: Enke; 1997. 776 ff.
[10] VG Wiesbaden 4. Kammer. Töten von Stadttauben durch Falkner und Verfüttern an Greife und Eulen § 11 Abs 1 Nr 3e TierSchG. Hessen; 2010,Jan 20.
[11] Maisack C. Tierschutz; Fang verwilderter Tauben. Stuttgart: Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg; 2016 Jun 8.
[12] siehe „Erfahrungen mit Stadttaubenprojekten nach dem „Augsburger Modell“ und Praxisbeispiele – Ergebnisse der Stadttaubenumfrage 2020/2021“, Menschen für Tierrechte, Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V., 2021. Zum Herunterladen als 22-seitige Kurzfassung sowie 53-seitige Langfassung.
[13] Menschen für Tierrechte: Stadttaubenhandbuch Neuauflage