Am 1. September finden in Sachsen Landtagswahlen statt. Die Dominanz der CDU lässt schon ahnen, dass sich für die Tiere in Sachsen auch nach der Wahl nicht viel ändern wird. Hoffnung machen die Wahlprogramme von Grünen und Linken, die dem Tierschutz viel Raum geben und im Falle einer Regierungsbeteiligung zielführende Maßnahmen vorschlagen.
Aktuell wird Sachsen von einer schwarz-roten Koalition mit der SPD unter dem Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) regiert. Seit der Wiedervereinigung ist die CDU in Sachsen die mit Abstand stärkste Partei und stellt seitdem den Ministerpräsidenten. Eine aktuelle Umfrage im Auftrag der Leipziger Volkszeitung sieht die CDU mit 28 Prozent als stärkste Kraft, darauf folgt die AfD mit 26 Prozent, es könnte also zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen kommen. Nachteilig könnte es sich für die AfD auswirken, dass nur 18 von den 61 AfD-Listenkandidaten zur Wahl zugelassen wurden. Weitere Parteien, die eine reelle Chance haben, am 1. September die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen sind die Linken mit 16 Prozent, die Grünen mit 13 Prozent, die SPD mit 8 Prozent und die FDP mit 5 Prozent.
Übergroßer Anteil: Industriell geprägte Großbetriebe
Die heutige Agrarstruktur in Sachsen ist wesentlich von den Folgen der DDR-Agrarpolitik beeinflusst. Auch nach der Wende wurden staatliche Flächen fast ausschließlich an große Betriebe verpachtet, was zur Etablierung von industriell geprägten Großbetrieben führte. Der große Anteil (64 %) von Betrieben mit mehr als 500 ha erklärt sich auch durch die Tatsache, dass die Pächter üppige Flächensubventionen kassieren. Die Subventionsabhängigkeit der sächsischen Landwirtschaft liegt höher als in den westdeutschen Bundesländern.
Geflügelbestände nehmen zu
Bei der industriellen Tierhaltung dominiert in Sachsen die Geflügelhaltung. Seit 2000 haben in Sachsen die Geflügelbestände um über 60 Prozent zugenommen. Mit 11,1 Mio. Tieren wird in Sachsen mehr Geflügel gehalten als in den anderen ostdeutschen Bundesländern. Zudem leben in Sachsen fast 90 Prozent des Geflügels in sogenannten Großviehanlagen – das sind mehr als in jedem anderen Bundesland. Diese Betriebe können ihre Bestände nicht selbst ernähren, sie sind auf Fremdfutterzukäufe angewiesen. Ähnlich sieht es bei der Schweinehaltung aus. In Sachsen liegt der Anteil der Schweine, die in Großviehanlagen leben müssen, bei über 90 Prozent.
Ohne Effekt: Tierschutz in der Landesverfassung
Die Tatsache, dass Artikel 10 der Sächsischen Landesverfassung den Freistaat zum Schutz der Umwelt und der Natur, aber auch der Tiere verpflichtet, kommt in den meisten Wahlprogrammen nicht zum Tragen. Der Begriff „Tierschutz“ kommt beispielsweise in den Programmen der CDU, der SPD, der Freien Wähler und der FDP nicht oder nur rudimentär vor. Da die Parteien dennoch erkannt haben, dass Tier- und Umweltschutz den Wählern wichtig sind, sprechen sich fast alle gegen die industrielle Tierhaltung aus. Doch wie kann der Wähler wissen, dass es sich dabei nicht nur um leere Absichtsbekundungen handelt?
Lackmustest: Tierschutz-Verbandsklage
Die Antwort: Entscheidend ist, dass die Parteien nicht nur angeben, was sie verfolgen, sondern, sondern auch, mit welchen Instrumenten sie dies erreichen wollen. Ein wichtiger Lackmustest für die Ernsthaftigkeit der Tierschutzambitionen ist, ob die Parteien die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage verfolgen. Unter den etablierten Parteien sind dies in Sachsen nur die Grünen und die Linke. Beide fordern darüber hinaus die Einführung eines Landestierschutzbeauftragten und im Falle der Linken die Erarbeitung eines Landestierschutzplans, kommunaler Tierschutzbeiräte und die Einrichtung eines Landestierschutzbüros, das die Zusammenarbeit und Koordinierung im Bereich Tierschutz verbessern soll.
Gute Forderung: Schwerpunktstaatsanwaltschaft Tierschutz
Die Grünen listen außerdem die Einführung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft Tierschutz, die sich um die Verfolgung von Agrarkriminalität und anderen Strafanzeigen aus diesem Bereich kümmern soll sowie eine neue Kontrollbehörde für Tierschutz, die zentral auf Landesebene mit Tierärzten und Juristen besetzt werden soll. Dies hat den Vorteil, dass die Kontrolle der Haltungsbedingungen nicht länger allein den Landkreisen und kreisfreien Städten überlassen wird, was die Distanz zwischen Kontrollierenden und Kontrollierten vergrößert.
Umschichtung der EU-Agrarinvestitionen
Ein weiterer Indikator für eine konsequente Tierschutzpolitik ist, ob sich die Parteien für eine Umschichtung der EU-Agrarinvestitionen im Sinne von mehr Tier- und Umweltschutzmaßnahmen einsetzen. Die derzeit anstehende Reform der GAP (Gemeinsamen Agrarpolitik) bietet die Chance, die EU-Landwirtschaftssubventionen grundsätzlich umzustrukturieren. Im aktuellen Förderzeitraum bis 2020 fließen fast drei Viertel der Mittel, rund 293 Milliarden Euro, über die erste Säule in Direktzahlungen. Diese begünstigen die industriell geprägte Intensivtierhaltung. Nur 1,5 Prozent der Gelder fließen derzeit in Tierschutzmaßnahmen. Deswegen muss die Vergabe von Fördergeldern zukünftig über die zweite Säule an Maßnahmen für mehr Tier-, Umwelt- und Naturschutz gekoppelt werden. Die meisten Wahlprogramme enthalten keine konkreten Aussagen zur überfälligen Umschichtung der EU-Agrarinvestitionen.
CDU hält an Direktzahlungen fest
Klar äußert sich die CDU: Sie will die umstrittenen Direktzahlungen für Großbetriebe erhalten. EU-weite, verbindliche Vorgaben für Fördergrenzen pro Betrieb lehnt sie ab, da nach Meinung der Christsozialen, jeder Hektar gleich wichtig ist. Die AfD äußert sich nicht klar, sie will die Subventionierung der Landwirtschaft vorerst erhalten, lehnt die Finanzierung über die EU aber als umständlich und teuer ab. Die SPD will den Anteil der ökologisch produzierenden Betriebe in Sachsen weiter erhöhen und Landwirte, die sich über den gesetzlichen Rahmen für Tierwohl engagieren, stärker unterstützen. Die FDP will die Landwirte unabhängig von der Subventionsbürokratie machen. Konkreter sind auch hier die Grünen und die Linken: Die Grünen streben bei den Flächenprämien eine größere Umverteilung im Sinne des Klima-, Umwelt-, und Tierschutzes an. Die Linke will Investitionsförderungen an höchste wissenschaftliche Standards bei Haltungssystemen binden.
Nötig: Reduzierung der Tierbestände
Um tierfreundlichere Haltungsformen voranzubringen und die Belastung von Klima, Böden und Wasser zu reduzieren, müssen die Tierbestände erheblich reduziert werden. Stichwort ist hier eine flächengebundene Tierhaltung bei der die Betriebe, ihr Futter überwiegend selbst erzeugen. Diese klare Forderung findet sich nur in den Wahlprogrammen von Grünen und Linken. Sie fordern eine bodengebundene Tierhaltung, bei der nur so viele Tiere gehalten werden, wie auch Land für Futtererzeugung und Gülleausbringung verfügbar ist. Die AfD bleibt hier unkonkret. Sie fordert den weitgehenden Einsatz von regional angebauten Futtermitteln.
Förderung pflanzlicher Ernährung
Als Tierrechtsorganisation verfolgt der Bundesverband neue Ernährungs- und Landbaukonzepte auf pflanzlicher Basis. Politisch ist diese Forderung jedoch noch nicht weit genug gebahnt und wird in Sachsen bisher nur von wenigen Parteien überhaupt thematisiert. Die Grünen planen, in allen Landeseinrichtungen regionales und ökologisches Essen und auch ein vollwertiges veganes Gericht anzubieten. Fortschrittlich ist, dass die Grünen die bio-vegane Landwirtschaft erproben wollen. Die Linken kündigen in ihrem Programm an, das Modell eines egoistischen, westlichen Lebensstils mit seinem zu hohen Fleischkonsum zu korrigieren, nennen aber keine konkreten Maßnahmen.
Tierversuche: Keine Konzepte
Bezüglich eines nötigen Ausstiegsplans aus dem Tierversuch enttäuschen alle Parteien. Die Wahlprogramme von CDU, AFD, SPD, Freie Wähler und FDP enthalten den Begriff „Tierversuch“ überhaupt nicht. Die Grünen wollen bei Investition und Anlage öffentlicher Mittel die Finanzierung von Tierversuchen ausschließen. Die Linken geben an, Tierversuche reduzieren zu wollen. Ein Konzept, wie dies gelingen soll, bleiben alle Parteien schuldig.
Fazit: Genau hinsehen
Am 1. September müssen die Sachsen selbst entscheiden, bei welchen Parteien sie ihre Kreuzchen machen. Wir können nur ein paar Anhaltspunkte liefern, mit denen jeder die tierschutzpolitischen Ambitionen der Parteien überprüfen kann. Um nicht politischen Worthülsen aufzusitzen, sollten sich die Wähler auch fragen, welche Parteien sich in der Vergangenheit tatsächlich für die Tiere eingesetzt haben und ob sie mit deren Arbeit zufrieden waren. Eine weitere strategische Überlegung ist, welche Partei laut den Umfragen gute Chancen hat, die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden. Denn den Tieren bringt Ihre Stimme nichts, wenn sie unter dem Sammelbegriff „Sonstige“ in der Statistik verschwindet.
Hier können Sie sich die Wahlprogramme als PDF herunterladen:
CDU „Von Sachsen. Für Sachsen“
SPD „Es ist dein Land.“
Grüne „WELTOFFEN. ÖKOLOGISCH.GERECHT.“
Linke „Fortschritt & Zusammenhalt“
Freie Wähler „Wir wollen uns selbst regieren (…)“
AfD „Trau Dich Sachsen“
FDP „Einfach machen“
Tierschutzpartei
ÖDP „WENIGER WACHSTUMSWAHN IST MEHRSACHSEN!“
Piraten
Hier lesen Sie hier die Pressemitteilung vom 23.08.19