Tierversuche sind der falsche Ansatz. Daran erinnern 16.000 Arzneimitteltote jedes Jahr, Arzneimittelrücknahmen und fehlende Therapien. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte verfolgt seit seiner Gründung (1982) konsequent den Ausstieg aus dem Tierversuch und den Einsatz tierversuchsfreier, humanspezifischer Methoden. Denn Tierversuche sind aus ethischen und wissenschaftlichen Gründen abzulehnen.
Dies ist keine weltfremde Vision. Es gibt immer mehr seriöse Untersuchungen, die die begrenzte Aussagefähigkeit der tierexperimentellen Forschung belegen. Die begrenzte Aussagefähigkeit der tierexperimentellen Forschung ist mittlerweile auch in der Wissenschaft bekannt und anders als früher kritisieren heute sogar renommierte Wissenschaftler den Tierversuch. Auch das EU-Recht fordert langfristig den Ausstieg (1). Lesen Sie, warum Tierversuche abgeschafft werden müssen und wie eine innovative und verantwortungsvolle Forschung ohne Tierversuche Wirklichkeit werden kann.
Was geschieht mit Tieren im Tierversuch?
In Tierversuchen werden Tiere auf verschiedenste Arten als Messinstrumente benutzt . Deswegen können hier nur stellvertretend einige Tierversuche beschrieben werden.
Jedes Jahr sterben knapp 100.000 Kaninchen in deutschen Versuchslaboren – die meisten für die Humanmedizin. Sie leiden für die Herstellung und Qualitätskontrolle von Herzklappen, Stents, Hüftgelenken und Zahnimplantaten sowie für die Entwicklung von Impfstoffen, Seren und Antikörpern. Für die Antikörper-Produktion werden ihnen bestimmte Substanzen (Antigene) mit einer Spritze injiziert. Das Immunsystem der Tiere reagiert darauf mit der Produktion von Antikörpern, welche dann im Anschluss durch regelmäßige Blutabnahmen isoliert werden können. Die Kaninchen leiden dabei unter schmerzhaften Entzündungen und Fieber und wenn sie sich nicht länger für die Produktion von Antikörpern verwenden lassen, werden sie durch ein finales Entbluten getötet.
In der neurobiologischen Grundlagenforschung wird versucht an Affen herauszufinden, wie das (menschliche) Gehirn funktioniert. Dazu wird ihnen u.a. der Schädel aufgebohrt, ein Bolzen eingesetzt und ein Draht ins Auge implantiert. Nachdem die Affen mit festgeschraubtem Kopf in einem sogenannten Primatenstuhl fixiert wurden, müssen sie stundenlang Aufgaben auf einen Monitor „lösen“. Um die bewegungsfreudigen Tiere zur Kooperation zu zwingen werden sie künstlich durstig gehalten. Nach Ablauf der Versuche werden die Tiere getötet und ihre Gehirne untersucht.
Tierversuche für Botox, Giftigkeitstests und in der Zahnmedizin
Das Nervengift Botulinumtoxin – Wirkstoff des Faltenglätters Botox- wird Chargen-weise produziert. Dabei kann die Wirksamkeit, bzw. Aktivität der unterschiedlichen Chargen variieren. Zur Analyse der jeweiligen Aktivitäten wird Mäusen das Gift gruppenweise in unterschiedlicher Dosierung in die Bauchhöhle gespritzt. Anschließend wird ermittelt, wie viele Mäuse in den kommenden Stunden bzw. Tagen an Muskellähmung sterben (LD50-Test). Das bedeutet, die Tiere ersticken bei vollem Bewusstsein, eine Tortur die Stunden dauern kann.
Um das ätzende Potenzial von Substanzen zu ermitteln wird Mäusen, Kaninchen oder Meerschweinchen das Rückenfell rasiert und die reizende Substanz in unterschiedlicher Dosierung aufgetragen. In den darauffolgenden Tagen kann es dann zu schmerzhaften Entzündungen und Verätzungen der Haut kommen.
Hunde werden u.a. in Giftigkeitstests eingesetzt. Dazu müssen sie teilweise hochgiftige Prüfsubstanzen schlucken oder einatmen. Dabei leiden sie unter Atemnot, Lähmungen und Krämpfen. Teilweise werden die sanften Tiere durch die starken Schmerzen aggressiv oder fallen ins Koma. Bei zahnmedizinischen Versuchen werden jungen Hunden Löcher in die Kiefer gebohrt oder Zähne gezogen und testweise Zahnimplantate eingesetzt. Die Hunde leiden unter Wundschmerz und Entzündungen. Am Ende des Versuchs werden die Hunde getötet, um weitere Untersuchungen vorzunehmen.
Wo hoch ist die Zahl der Tierversuche?
Die Zahl der Tierversuche hat sich seit dem Jahr 2000 um rund 70 Prozent erhöht. Nach offizieller Bundesstatistik wurden in Deutschland 2016 fast drei Millionen Tiere in Tierversuchen „verbraucht“ (2.854.586 Tiere). EU-weit wurden 2011 knapp 11,5 Millionen Tiere in Versuchen getötet. Doch diese Zahlen spiegeln nur einen Bruchteil der Tieropfer und des tatsächlichen Ausmaßes der Tierversuche wieder. Denn die Statistik umfasst nur die Tiere, die tatsächlich für wissenschaftliche Zwecke eingesetzt wurden. Die Dunkelziffer ist weit höher. Denn die Zahl an überschüssig gezüchteten, jedoch nicht verwendeten Tieren ist unbekannt. Ebenso werden die Tiere nicht erfasst, die nach genetischer Manipulation nicht die gewünschten Merkmale besitzen und auch direkt getötet werden.
Welche Tiere werden in Tierversuchen verwendet?
Nach aktueller Datenlage (2016) ist die Maus das am häufigsten verwendete Versuchstier (68 Prozent oder 1.992.749 Tiere), danach folgen Ratten (13 Prozent oder 317.357 Tiere), Fische (9,6 Prozent oder 310.637 Tiere) und Kaninchen (3,78 Prozent oder 99.084 Tiere). Aber auch Hunde (3.977), Affen (2.462), Katzen (766) und Schweine (17.434) mussten 2016 in Tierversuchen leiden.
Warum werden Tierversuche immer noch gemacht?
Tierversuche sind teilweise noch immer gesetzlich vorgeschrieben. Ohne Tests am Tier dürfen Produkte wie Chemikalien, Arzneimittel, Medizinprodukte, Pestizide und Biozide nicht zugelassen und vermarktet werden. Die Vorschriften resultieren u. a. aus der europäischen Chemikalienverordnung REACH, dem europäischen Arzneibuch (Pharmakopöe) oder den Regulatorien für Pestizide und Biozide. Für die Herstellung und Vermarktung von Kosmetika ist der Tierversuch dank des jahrelangen gemeinsamen Einsatzes vieler Tierschutzorganisationen inzwischen verboten.
Innovationsdruck führt zu mehr Tierversuchen
Doch auch die Hersteller tragen dazu bei, dass die Zahl der Tierversuche so hoch ist. Weil immer neue vermeintliche Innovationen auf den Markt gebracht werden, werden auch mehr Tierversuche durchgeführt. Viele neue Inhaltsstoffe und Medikamente werden nicht gebraucht, weil es bereits genügend wirksame Produkte gibt. Diese Bilanz zog der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) von Ärzten und Krankenkassen im Mai 2014. Bei der Bewertung von 73 neuen Arzneimitteln konnte nur bei 14 Präparaten ein beträchtlicher Zusatznutzen festgestellt werden.
Hohe Tierversuchszahlen in der Grundlagenforschung
In der Grundlagenforschung, die weitgehend dem reinen Erkenntnisgewinn dient, werden etwa die Hälfte aller Tiere verwendet. Leider sind gerade hier die Wissenschaftler am wenigsten bereit, den zementierten Weg der Tierversuche zu verlassen und sich aktiv in die Entwicklung tierversuchsfreier Verfahren einzubringen.
Tierversuche in der Aus- und Fortbildung
Tierversuche werden auch zu Aus- und Fortbildungszwecken gemacht. In den Studiengängen der Biologie, Human- und Veterinärmedizin werden Studierende teilweise noch immer unter Einsatz von Tieren ausgebildet. Wissenschaftler, Laboranten und Tierpfleger, die tierexperimentell arbeiten, erlernen in Aus- und Fortbildungsveranstaltungen Techniken an lebenden Tieren und Veterinärmediziner die Behandlung von sogenannten „Nutztieren“. In der Biologie müssen Studierende im zoologischen Anfängerpraktikum Tiere vom Einzeller bis zum Säugetier untersuchen und dafür u. a. Fische, Mäuse oder Ratten sezieren (sogenannter Schnippelkurs). Der Einsatz von Tieren ist eigentlich nur dann zulässig, wenn es keine tierversuchs- bzw. tierverbrauchsfreien Verfahren gibt. Allerdings ist das nur schwer bis gar nicht kontrollierbar. Viele Hochschulen kennen die jüngsten Entwicklungen bei den tierversuchsfreien Verfahren noch gar nicht oder greifen vorsätzlich auf altbekannte Methoden mit Tiereinsatz zurück.
Welche Gesetze regeln Tierversuche?
Die Europäische Richtlinie zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere 2010/63/EU legt den Rahmen zur Durchführung von Tierversuchen fest. Diese Bestimmungen werden in Deutschland durch das Tierschutzgesetz (insbesondere die Paragrafen 7, 8 und 9) sowie die Verordnung zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere umgesetzt. Aus allen Rechtsvorschriften geht hervor, dass der Einsatz von Tieren zu wissenschaftlichen Zwecken oder zu Bildungszwecken nur dann zulässig ist, wenn es keine anwendbaren tierversuchsfreien Verfahren gibt. Prinzipiell muss ein Tierversuch behördlich genehmigt werden. Im Antrag auf Genehmigung eines Tierversuchs muss der Antragsteller begründen, warum ein Tierversuch (aus seiner Sicht) unerlässlich und ethisch vertretbar ist. Und genau hier ist ein wichtiger Knackpunkt: Die EU-Tierversuchsrichtlinie gibt vor, dass die Genehmigungsbehörden das Recht und die Pflicht haben zu prüfen, ob der beantragte Tierversuch „unerlässlich“ und „ethisch vertretbar“ ist. Hierzu muss die Behörde eigenständig feststellen, ob der Tierversuch „unerlässlich“ ist. Im nächsten Schritt prüft sie, ob der erwartete wissenschaftliche Nutzen die Schmerzen, Leiden, Ängste und Schäden der Tiere im Versuch überwiegt. Erst dann ist die ethische Vertretbarkeit eines Tierversuchs laut geltendem Recht gegeben.
Genehmigung von Tierversuchen
Doch genau das Prüfrecht zur Feststellung der Unerlässlichkeit wurde den deutschen Behörden mit dem skandalösen Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG) Leipzig vom Januar 2014 entzogen. Die Behörden dürfen danach lediglich feststellen, ob die Angaben des Antragstellers plausibel erscheinen. In diesem Rechtsstreit hatte der Bremer Hirnforscher Andreas Kreiter gegen das Verbot seiner Affenversuche durch die Bremer Gesundheitsbehörde geklagt – und gewonnen. Der Grund: Die EU-Richtlinie wurde nicht korrekt in deutsches Recht umgesetzt. Das Tierschutzgesetz sagt nämlich die Genehmigung „ist zu erteilen“, sofern der Antragsteller das Versuchsprojekt „wissenschaftlich begründet dargelegt“ hat. Dies führt dazu, dass Versuche genehmigt wurden und werden, die eigentlich nicht genehmigungsfähig sind. Der Bundesverband fordert deswegen, diesen Passus im Tierschutzgesetz zu streichen.
Wissenschaftliche Gründe gegen Tierversuche
Ergebnisse aus Tierversuchen lassen sich nicht zuverlässig auf den Menschen übertragen. Grund sind unter anderem die sogenannten Artunterschiede. Tiere leben deutlich kürzer, sie haben einen anderen, teilweise viel schnelleren Stoffwechsel und andere Immunreaktionen.
Selbst Menschenaffen reagieren mitunter ganz anders auf Wirkstoffe als wir. Die hohe genetische Übereinstimmung von Menschen und Schimpansen (bis zu 99 Prozent) bedeutet nicht, dass auch die physiologischen Abläufe übereinstimmen. Die Krankheitsmechanismen laufen bei Mensch und Schimpanse z. B. bei HIV/AIDS oder auch Hepatitis C unterschiedlich ab.
Schon 2009 zeigte eine Studie, dass die Übertragung der Ergebnisse eines Tierversuchs auf den Menschen, aber auch auf andere Tierarten, oft spekulativ ist. Das gilt für Giftigkeitsstudien ebenso wie für Arzneimittelwirksamkeitsprüfungen. Substanzkonzentrationen, die für Ratten tödlich sind, entsprechen in keiner Weise den für den Menschen tödlichen Konzentrationen. Längst nicht jede Substanz, die die Kaninchenhaut reizt, reizt auch die Haut des Menschen. Eine weitere wissenschaftliche Veröffentlichung belegte, dass die Maus Entzündungskrankheiten des Menschen höchst unzuverlässig nachstellt.
Lebensgefährliche Risiken
Belege dafür, dass Übertragungen vom Tier auf den Menschen wissenschaftlich fragwürdig sind, sind u. a. die vielen für sicher gehaltenen Medikamente, die trotz tierexperimenteller Erprobung wegen unerwarteter oder gefährlicher Nebenwirkungen wieder vom Markt genommen werden mussten. Dass ein tiergeprüftes Medikament sogar lebensgefährlich sein kann zeigte sich z. B. im Januar 2016, als die klinische Phase I-Studie des Pharmaunternehmens Biotrial Frankreich aufgrund schwerer Nebenwirkungen und dem Tod eines Probanden abgebrochen werden musste. Bei den Tests der Substanz mit der Bezeichnung BIA 10-2474 traten zudem bei vier weiteren Probanden neurologische Beschwerden auf, bei dreien stellten die Ärzte Hirnblutungen und eine Zerstörung von Nervengewebe fest. Der klinischen Studie waren umfangreiche Tierversuche an Mäusen, Ratten, Hunden und Affen vorausgegangen. Bei den Tieren waren derartige Schäden nicht aufgetreten.
Trotz Tierversuchen Multiorganversagen beim Menschen
Noch dramatischer waren die Folgen bei der Entwicklung des therapeutischen Antikörpers TGN1412: An Affen erfolgreich getestet, führte er beim Menschen zu Multiorganversagen. Nur durch wochenlange Behandlungen auf der Intensivstation konnten die Testpersonen gerettet werden. Diese Risiken bestehen auch noch nach der Zulassung von Medikamenten, wenn diese eigentlich als unbedenklich gelten sollten. Weitere Beispiele sind der Cholesterinsenker Lipobay (vom Markt genommen im Sommer 2001), das Schmerzmittel Vioxx (vom Markt genommen im September 2004) sowie der Blutstiller Trasylol (Vermarktungsstopp seit November 2007). In Deutschland sterben jährlich über 58.000 Menschen an tödlichen Nebenwirkungen. Zudem schafft es nur ein Bruchteil von Arzneimitteln, die zuvor erfolgreich im Tierversuch getestet wurden, überhaupt auf den Markt.
Der Tierversuch ist kein Goldstandard!
Während neue tierversuchsfreie Verfahren langjährige und kostenintensive Anerkennungsverfahren durchlaufen müssen, wurden Tierversuche nie validiert – mussten sich also nie vergleichen und bewerten lassen. Wenn eine damalige Studie also ein Zufallsergebnis war, vergleichen die Forscher ihre Ergebnisse heute mit potenziell nicht stimmigen Ergebnissen. Dennoch wird der Tierversuch weiterhin als der sogenannte „Goldstandard“ von Forschern herangezogen.
Tierversuche sind unmedizinisch
Nicht nur bei den regulatorisch vorgeschriebenen Tierversuchen sind die Ergebnisse zweifelhaft. Auch in der medizinischen Grundlagen- sowie angewandten Forschung sind solche Experimente mit Vorsicht zu genießen. Denn Erkrankungen des Menschen haben viele Ursachen – wie Ernährung, Umwelteinflüsse, Lebensstil, psychische und genetische Faktoren. Diese können im Tier nicht nachgestellt werden. Mit genetischen Manipulationen, vor allem an Mäusen, versucht man, menschliche Erkrankungen im Tier künstlich zu erzeugen. Ein akutes Tiermodell muss deswegen oft für ein chronisches Krankheitsphänomen, z. B. Diabetes Typ 2, herhalten, das sich im Menschen erst im Laufe vieler Jahre entwickelt, beim Tier aber „auf Knopfdruck“ ausgelöst wird, indem z. B. die Insulin-produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse zerstört werden. Selbst Tierversuchsbefürworter kritisieren mittlerweile die Übertragbarkeit der Ergebnisse aus diesen sogenannten „Tiermodellen“. Leider führen die neuesten technischen Möglichkeiten im Bereich des Genome-Editing dazu, dass immer mehr solcher Tiermodelle geschaffen werden und daran immer mehr Versuche stattfinden. Die Wissenschaft sollte sich besonders hier die dringende Frage stellen ob man etwas machen muss, nur weil man es kann.
Ethische Gründe gegen Tierversuche
Jedes Tier hat einen eigenen Wert und ein Recht auf Unversehrtheit. Tiere sind schmerz- und leidensfähig wie wir Menschen, deshalb dürfen ihnen keine Schmerzen, Leiden und Schäden und Ängste zugefügt werden – unabhängig vom eventuellen Nutzen für den Menschen. Dies ist eine unantastbare moralische Regel, die das Quälen und Töten von Tieren verbietet. Gegen diese verstößt unsere Gesellschaft in Tierversuchen permanent. Tierversuche sind schlichtweg unmoralisch.
Beispiele für tierversuchsfreie Verfahren
Tierversuchsfreie Verfahren kommen, wie der Name schon sagt, ohne den Einsatz von Tieren aus – ob es sich um die Testung von Wirkstoffen, Medizinprodukten, therapeutischen Maßnahmen handelt oder um Grundlagenforschung. Zu den tierversuchsfreien Verfahren zählen die sogenannten in-vitro-Methoden, wie beispielsweise Zellkulturen oder künstliche Organe, Computersimulationen, bildgebende Verfahren (z. B. CT, MRT, PET) oder der Einsatz von Probanden. Die Verträglichkeit von Kosmetika und bestimmten Chemikalien wird bereits erfolgreich in-vitro erforscht, also an Haut oder anderem Gewebe, das im Reagenzglas gezüchtet wurde. Diese Verfahren sind zielgenauer, reproduzierbarer und zuverlässiger. Daran hat auch die Industrie ein großes Interesse, da praxisreife tierversuchsfreie Methoden normalerweise in standardisierten Hochdurchsatzverfahren verwendet werden können und damit deutlich kostengünstiger und verlässlicher sind als Tierversuche.
Mini-Organismus ersetzt Tierversuche
Die Wissenschaft begründet die Notwendigkeit von Tierversuchen vor allem damit, dass die Wirkung von Substanzen nur im Gesamtorganismus beurteilt werden kann. Die sogenannte Human-on-a-Chip-Technologie könnte dies weitgehend simulieren. Dabei werden die wichtigsten menschlichen Organe auf einem bankkartengroßen Chip nachgebildet. Mit diesen künstlichen Organsystemen wird es bald möglich sein, beispielsweise Giftigkeitstests ohne Tierversuche durchzuführen. Das Ziel ist, mit diesen Organsystemen gesetzlich vorgeschriebene Tierversuche zu verdrängen.
Menschliche Krankheitsmodelle
Statt tierischen „Krankheitsmodellen“, für die meist Mäuse genetisch manipuliert werden, lassen sich Krankheiten mit humanen Krankheitsmodellen aus Zell- oder Gewebeproben in der Petrischale reproduzieren. An diesen können Ursachen und Mechanismen studiert oder neue Therapien entwickelt werden. Es gibt mittlerweile unzählige menschliche Krankheitsmodelle für Organe wie Herz, Lunge, Darm, Leber und Niere.
Menschliches Blut statt Kaninchen
Auch für die Testung von Medizinprodukten gibt es ein tierfreies Verfahren (Blutzellen, also Monozyten, sind auch Zellen!). In der Immunologie wird beispielsweise mit dem „Monozyten-Aktivierungstest“ gearbeitet. Dabei wird statt in einem Versuch mit Kaninchen an menschlichem Blut getestet, ob sich an oder in medizinischen Produkten Bestandteile von gefährlichen fieberauslösenden Substanzen befinden.
In-silico: Computersimulationen und Vorhersagemodelle
Bei computergestützten Methoden („in-silico“) handelt es sich beispielsweise um Datenbanken, die Informationen aus bereits gelaufenen Giftigkeitsprüfungen enthalten, sowie Simulationsabläufe zur Vorhersage der untersuchten Eigenschaften eines Stoffes. Ein gutes Beispiel ist das Computer-Vorhersagemodell „VirtualToxLab“, mit dem sich potentielle Störungen des Hormonhaushalts, des Stoffwechsels oder die krebsauslösende Wirkung von Substanzen vorhersagen lassen.
Probanden und bildgebende Verfahren
Mit bildgebenden Verfahren wie der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) können Interaktionen zwischen verschiedenen Gehirnregionen untersucht werden.
Simulatoren zur Testung von Medizinprodukten
Während man bisher für die Testung künstlich entwickelter Herzklappen Schafe verwendete, wurde ein sogenanntes Flusskammersystem entwickelt, das die Umgebung der Herzklappe nach Einsetzen in den menschlichen Körper simuliert.
Kombinierte in-vitro-Modelle testen Hautreizung
Im Rahmen der EU-Chemikalienverordnung REACH sowie auch bei der Herstellung von Pflanzenschutzmitteln sind Augen- und Hautreizungstests vorgeschrieben. Bis vor Kurzem wurden Haut- und Augenreizungstests meistens in qualvollen Tierversuchen vorgenommen, traditionell vor allem am Meerschweinchen (Ginea pig Maximization Test) und am Kaninchen (Draizé Test). Mittlerweile sind hier Tests in überzeugender Weise ohne Tiere möglich. Dabei werden mehrere tierfreie Testmodule in innovativen Testbatterien miteinander gekoppelt.
Nötig: Masterplan für eine tierversuchsfreie Zukunft
Das Grundproblem ist, dass es noch immer zu wenig tierversuchsfreie Verfahren gibt. In die tierversuchsfreie Forschung fließt nur einen Bruchteil der Gelder, die für die tierexperimentelle Forschung zur Verfügung stehen. In diesem Bereich wird noch zu wenig geforscht, vielversprechende Projekte bleiben in Kinderschuhen stecken weil eine Anschlussförderung fehlt.
Um hier endlich den überfälligen Paradigmenwechsel einzuleiten, muss die Bundesregierung einen systematischen Abbauplan aus dem Tierversuch vorgelegen. Ohne diesen kann der geplante Ausstieg aus dem Tierversuch nicht gelingen. Denn nur im Rahmen einer Gesamtstrategie wird es gelingen, die Entwicklung tierversuchsfreier Methoden systematisch voranzubringen.
Vorbild Niederlande
Bisher haben nur die Niederlande einen Abbauplan für Tierversuche entwickelt (2). Die Planung unterteilt die Tierversuche in unterschiedliche Bereiche und beurteilt ihre Reduktionsmöglichkeit bis zum Jahr 2025. Danach könnten Tierversuche für regulatorische Sicherheitstest für Chemikalien, Lebensmittelzusätze, Pestizide und Tier- und Humanmedizinprodukte unter Einhaltung des gleichen Sicherheitsniveaus bis 2025 beendet werden. Bis dahin müssten jedoch mehrere komplexe tierversuchsfreie Tests (3) entwickelt werden. Der niederländische Abbauplan für Tierversuche muss ein Weckruf sein.
Tierversuche: Kommission für den Ausstieg nötig
Die Bundesregierung steht jetzt in der Pflicht, eine Kommission einzusetzen, die aus Vertretern aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, Behörden und Tierschutz besteht. Diese müssen den Abbauplan erstellen und umsetzen. Der zu erstellende Masterplan muss wirkungsvolle Einzelmaßnahmen enthalten, wie ein spezielles Förderprogramm des Bundes für tierversuchsfreie Verfahren, die Erhöhung der Forschungsgelder in diesem Bereich, die Ausweitung von Lehre und Forschung sowie eine Verkürzung der Prozesse für Prüf- und Anerkennungsverfahren für tierversuchsfreie Verfahren. Für die notwendige Erfolgskontrolle ist es zudem unabdingbar, die Zunahme tierversuchsfreier Verfahren zu dokumentieren.
Nötig: konkrete Ausstiegsdaten
Um die noch fehlenden Verfahren für die regulatorischen Sicherheitstests zu entwickeln, müssen alle Kräfte gebündelt werden. Dabei ist es zweitrangig, ob der Ausstieg 2025 oder später erfolgt. Entscheidend ist, dass die Kommission eine Gesamtplanung zur Reduktion der Tierversuche inklusive Monitoring-System und Umsetzungsmanagement erstellt und dieses zügig umgesetzt. Dazu gehört, dass endlich konkrete Ausstiegsdaten vereinbart werden, wie dies auch in anderen Bereichen, wie beispielsweise dem Klimaschutz, üblich ist. Parallel hierzu müsste der Masterplan vorsehen, schnellstens ein Handbuch zu erarbeiten, damit die vom Tierschutzgesetz geforderte Unerlässlichkeit und ethische Vertretbarkeit eines Tierversuchs nach wissenschaftlichen Regeln festgestellt werden könne.
Strategie zum Ausstieg aus dem Tierversuch
- Masterplan zur Reduktion der Tierversuche inklusive Zielvereinbarungen, Ausstiegsdaten, Monitoring-System und Umsetzungsmanagement
- Ausweitung der Verbotsregelungen zur Reduktion der Tierversuche
Tierversuche müssen gleichzeitig drastisch reduziert werden durch erste Sofortmaßnahmen wie z.B. das Verbot von Tierversuchen für Haushaltsprodukte sowie durch ein EU-weites Vermarktungsverbot, Verbote von Tierversuchen der Kategorie „schwer“ und ein Verbot des Tierverbrauchs im Studium - Massive Erhöhung der Forschungsgelder für tierversuchsfreie Verfahren in Deutschland und in der EU, Festlegung von Forschungsbereichen, für die am dringendsten solche Verfahren entwickelt werden müssen
- Lehre und Forschung: Ausweitung der tierversuchsfreien Wissenschaft
Die Einrichtung von Lehrstühlen und Professuren für tierversuchsfreie Verfahren, die Etablierung tierverbrauchsfreier Studiengänge und die Einführung weiterer Forschungspreise für tierversuchsfreie Verfahren - Erfolgskontrolle über die Zunahme tierversuchsfreier Verfahren und Abnahme der Tierversuche
Dazu ist eine Reform der Versuchstiermeldeverordnung (Erfassen aller betroffenen Tiere), die Einführung einer Jahresstatistik über Entwicklung und Anwendung tierversuchsfreier Methoden, eine rückblickende Bewertung in Form einer Schaden-Nutzen-Analyse für alle durchgeführten Tierversuche sowie die Einrichtung eines nationalen Kompetenzzentrums als Auskunftsstelle für Behörden und Wissenschaftler notwendig. - Einrichtung eines nationalen Kompetenzzentrums als Auskunftsstelle für Behörden und Wissenschaftler
- Ergänzende Maßnahmen
Drastische Verkürzung der zeitlichen Prozesse für Prüf- und Anerkennungsverfahren für tierversuchsfreie Verfahren, Einführung der Tierschutz-Verbandsklage auf Länder-, bzw. Bundes- und EU-Ebene. Durch die Verbandsklage erhalten die anerkannten Tierschutzverbände das Recht, alle Genehmigungsanträge zu Tierversuchen im jeweiligen Land zu sichten, zu bewerten und ihre Einwände gegenüber den Behörden vorzubringen. Folgt die Behörde den Einwendungen nicht, kann der Verband vor Gericht klagen. Da das Tierschutzniveau in den Mitgliedsstaaten zunehmend von Brüssel festgelegt wird, sind wir Mitglied bei der Eurogroup for Animals und der Europäischen Koalition zur Beendigung von Tierversuchen (ECEAE).