Vom 6. bis 9. Juni 2024 wählen die Bürger der EU-Mitgliedstaaten zum zehnten Mal das Europäische Parlament (EP), in Deutschland am 9. Juni. Die Wahl ist auch für den Tierschutz bedeutsam, denn das EU-Parlament ist auch für die Gesetzgebung zuständig, die die Haltung und den Umgang mit Tieren regelt.
Das EP wird seit 1979 alle fünf Jahre gewählt und ist das einzige direkt gewählte Organ der EU. Zur Wahl stehen insgesamt 720 EU-Abgeordnete, Deutschland stellt 96 Abgeordnete. Der offizielle Sitz des EP ist Straßburg. Seit der Gründung des Parlaments 1952 wurden seine rechtlichen und politischen Kompetenzen mehrmals deutlich erweitert. Anders als in nationalen Parlamenten gibt es im EP nicht den Gegensatz zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen. Die einzelnen Europa-Abgeordneten sind unabhängiger. Je nach Abstimmungsthema bilden sich im EP wechselnde Mehrheiten. Dadurch können die Abgeordneten einen größeren Einfluss auf die EU-Gesetzgebung nehmen, als dies den Abgeordneten nationaler Parlamente möglich ist.
Die Europaparteien
Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments sind in Fraktionen zusammengeschlossen, die sich auf gemeinsame Ideale stützen. Jede Fraktion besteht aus mindestens 23 Abgeordneten aus mindestens einem Viertel der EU-Länder. Im aktuellen Europäischen Parlament gibt es sieben Fraktionen sowie derzeit 50 fraktionslosen Abgeordneten. Die derzeit stimmenstärkste Fraktion ist christlich-konservative Europäische Volkspartei (EVP), in der sich Vertreter von CDU und CSU wiederfinden. Die SPD ist in der Sozialdemokratische Partei Europas (SPE) organisiert, die FDP in der Allianz der Liberalen und Demokraten (ALDE) und die Grünen in der Europäischen Grünen Partei (EGP). Die Stärke der Fraktionen macht sich auch in der Zusammensetzung der für den Tierschutz zuständigen Ausschüsse bemerkbar. So wird der Agrarausschuss derzeit von den Konservativen dominiert.
Wie entsteht ein EU-Gesetz?
Das EP übt Kontrolle über alle anderen Institutionen der EU aus und übernimmt damit eine wichtige Funktion in der Gewaltenteilung. Neben Kontroll-, Informations- und Wahlrechten wirkt es auch bei der Gesetzgebung und bei Festlegung des EU-Haushalts sowie der Finanzplanung der EU mit. Das Haushaltsrecht gilt als das „Königsrecht“. Denn derjenige, der über das Geld bestimmt, besitzt auch die Möglichkeit, politische Prioritäten zu setzen. Die Gesetzgebung ist ein weiterer ganz zentraler Part der Regierungsarbeit – und hier hat das EP einen erheblichen Einfluss. An der Gesetzgebung in der EU sind grundsätzlich drei Organe beteiligt, nämlich die EU-Kommission, das EU-Parlament und der Ministerrat, auch als Rat der EU bezeichnet.
Bundesminister sitzen im Ministerrat
Der Ministerrat setzt sich aus den jeweiligen Ressortministern der Länder zusammen. Für den Bereich Landwirtschaft ist dies beispielsweise Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Das Gesetzgebungsverfahren unterscheidet sich jedoch grundlegend von dem in den Mitgliedstaaten. Anders als bei den nationalen Parlamenten hat das EP keine Gesetzesinitiative, das heißt, es kann keine neuen Gesetze einbringen. Es ist aber zu 50 Prozent an der Gesetzgebung beteiligt, da es in Zusammenarbeit mit dem Ministerrat als gleichberechtigter Gesetzgeber Rechtsvorschriften verabschiedet.
EU-Kommission legt Gesetzentwürfe vor
Vom Ablauf her werden neue Rechtsvorschriften wie „Verordnungen“ oder „Richtlinien“ zunächst von der EU-Kommission erarbeitet. Die Entwürfe legt die Kommission dann dem EP und dem Ministerrat zur Beratung und Abstimmung vor. Gesetze können nur erlassen oder geändert werden, wenn der Rat und das EP dem von der EU-Kommission vorgelegten Gesetzentwurf zustimmen. Im Rahmen dieser Beteiligung kann das EP Gesetzentwürfe verbessern und – falls nötig – ablehnen. Das EP hat so bereits dreimal neue Gesetze verhindert. Wenn Rat und EP sich uneinig sind und es ihnen auch nach Einschaltung eines Vermittlungsausschusses nicht gelingt, sich auf einen gemeinsamen Standpunkt zu einigen, dann kommt die Verordnung oder Richtlinie nicht zustande. Die im Rat vertretenen Regierungen der Mitgliedstaaten entscheiden also gleichrangig mit dem EP, ob und mit welchem Inhalt ein EU-Gesetz zustande kommt.
Entschließungen: EP hat indirektes Initiativrecht
Zudem verfügt das EP über ein indirektes Initiativrecht, das es ihm ermöglicht, Berichte zu erarbeiten und Entschließungen zu verabschieden, um Diskussionen anzustoßen und institutionelle Entwicklungen voranzubringen. In einer im Juni 2022 angenommenen Entschließung erklärte das Parlament, dass es „der festen Überzeugung [ist], dass die Verträge überarbeitet werden sollten, um dem Parlament als dem einzigen direkt gewählten Organ der EU, das daher bei der Entscheidungsfindung der EU das Sprachrohr der Bürgerinnen und Bürger darstellt, ein allgemeines und direktes Recht der gesetzgeberischen Initiative zu gewähren“. Außerdem tauscht sich das EP mit Verbänden, Interessengruppen und Nichtregierungsorganisationen aus, was es zu einem wichtigen Ansprechpartner der Zivilgesellschaft macht. Es veranstaltet öffentliche Anhörungen von Experten zu aktuellen Themen oder Gesetzesinitiativen und kann auf diesem Wege politische Debatten beeinflussen.
Parlament wählt Kommission
Nach der Wahl des EPs wird auch die EU-Kommission neu aufgestellt. Bei der Wahl des Kommissionspräsidenten und der Kommissare ist das EP ebenfalls beteiligt. Die EU-Kommission besteht aus 28 Kommissaren, aus deren Kreis der Präsident und zwei Vizepräsidenten gewählt werden. Zunächst schlägt der Europäische Rat – nicht zu verwechseln mit dem Ministerrat – nach entsprechenden Konsultationen mit dem EP einen Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten vor, über den das EP dann abstimmt. Dabei berücksichtigt der Europäische Rat das Ergebnis der Wahlen zum EP. Die übrigen vom Europäischen Rat vorgeschlagenen Mitglieder der Kommission stellen sich dann einem Zustimmungsvotum des EPs. Vor der Einsetzung darf das Parlament die potentiellen Kommissionsmitglieder vorladen und prüfen, kann das Kollegium jedoch nur als Ganzes ablehnen.
Parlamentarier setzen Kommission ein – und ab
Wenn die neue Kommission im Amt ist, verfügt das Parlament über das Recht, der Kommission sein Misstrauen auszusprechen und damit deren Rücktritt zu erzwingen. Die Parlamentarier haben also die Macht, die Kommission ins Amt zu bringen und sie im Extremfall wieder abzusetzen. Der Europäische Rat, der die Mitglieder der Kommission auswählt, ist die höchste Entscheidungsebene. Er legt die politische Ausrichtung der EU-Politik fest. Er besteht aus den Staats- und Regierungschefs der EU-Länder und schließt auch den Präsidenten der EU-Kommission als vollwertiges Mitglied ein (seit dem 1. Dezember 2019 ist das Ursula von der Leyen). Deutschland wird im Europäischen Rat von Bundeskanzler Olaf Scholz vertreten.
Einfluss von Bundes- und Landesregierungen
Die Bundesregierung ist also in wichtigsten EU-Organen vertreten, aber auch die Bundesländer haben Einfluss in Brüssel. Die Ländervertreter wirken in allen EU-Gremien mit. Artikel 23 des Grundgesetzes schreibt die Mitwirkung der Länder in der EU-Politik vor, sofern die Kompetenzen der Länder berührt werden. Konkret wirken die Länder in Angelegenheiten der EU durch den Bundesrat mit. Die Bundesregierung muss den Bundesrat unterrichten, falls bei europapolitischen Vorhaben Länderinteressen betroffen sind. Die anschließende Stellungnahme des Bundesrates ist für die Bundesregierung maßgeblich. Zudem hat jedes Land einen Europabeauftragten und einen Europareferenten pro Fachministerium, die für die Koordination der Europapolitik der Landesregierung zuständig sind. Wichtigste Koordinierungselemente außerhalb des Bundesrates sind die Europaministerkonferenz der Länder und der Länderbeobachter.