Allgemein Wildtiere und Exoten

Kommentar: Wolf-Bashing als Ablenkmanöver

Es sieht sehr danach aus, als könnte der Wolf bald einfacherer getötet werden. Die EU-Kommission hat am 4. September 2023 angekündigt, dass der strenge Schutz von Wölfen im EU-Recht gelockert werden könnte. Zunächst sollen Daten über Wolfspopulationen aus ganz Europa ausgewertet werden. Die Regierungschefs und -chefinnen der Bundesländer fordern zusätzlich, regional unterschiedlich mit der Rückkehr des Wolfes umgehen zu können. Hauptgrund sind die Beschwerden von Schaf- und anderen Weidetierhaltern wegen der Gefahr von Wolfrissen. Einen anderen Blick hat der Förster Hendrik von Riewel. Er hält den Wolf für eine „ökologisch wichtige und wertvolle Schlüsselart“. Würde der Wolf in weniger dicht besiedelten Regionen wieder heimisch, würde dies dem Wald ökologisch nützen, um Rehe, Wildschweine und Co zu regulieren. Anders sieht dies auch Stefan Stein in seinem folgenden Kommentar „Wolf-Bashing als Ablenkmanöver“. Er hält die Wolfs-Diskussion für unverhältnismäßig. Denn die 3.400 vom Wolf gerissenen Tiere stehen in keinem Verhältnis zu der Milliarde von Tieren, die jährlich in Deutschland getötet werden. Über 150 Millionen verenden vor Erreichen des Schlachthofes an den Haltungsbedingungen. Statt sich um diese millionenfachen Tierschutzverstöße in der sogenannten Nutztierhaltung zu kümmern, so Stein, werfen Parteien und Verbände lieber den Wolf der Öffentlichkeit zum Fraß vor.

Wolf-Bashing als Ablenkmanöver

Schlagzeilen titulieren ihn als „Bestie“ und „tierischen Massenmörder“. „Nutz“tierhalter:innen sprechen vom Ende der Tierhaltung. Auf der anderen Seite soll er geschützt werden und beschäftigt Naturschützer, Zoologen, Promis, Justiz- und Tourismusbehörden. Bundesumweltministerin Steffi Lemke und Bundesagrarminister Cem Özdemir wollen jetzt den Abschuss von Wölfen erleichtern und so Weidetiere wie Schafe besser schützen.

Doch ist das gerechtfertigt?
Nach der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (dbb) leben in Deutschland 161 Rudel, 43 Paare und 21 Einzeltiere. Die Zahl der vom dbb dokumentierten Übergriffe auf „Nutz“tiere lag 2021 unter 1.000, die Anzahl der getöteten „Nutz“tiere bei etwa 3.400.

Vergleich zeigt Unverhältnismäßigkeit
Zum Vergleich: In Deutschland sterben jährlich nahezu eine Milliarde Tiere. 752.600.000 sogenannte Nutztiere werden geschlachtet, mehr als 150 Millionen verenden vor Erreichen des Schlachthofes an den Haltungsbedingungen. Hunderttausende werden wegen Tierseuchen vorsorglich gekeult, kommen bei Stallbränden ums Leben, sterben bei Tiertransporten oder weil sie von schlecht gesicherten Weiden entlaufen. Nicht zu vergessen, die über 2,5 Millionen Tiere, die in Tierversuchen sterben, bei der Jagd (4 Millionen) oder bei Wildunfällen (227.000).

0,0004 Prozent Risse
Wo stehen diese Zahlen? Wieviel hört und liest man von diesem millionenfachen Sterben? 3.400 vom Wolf gerissene Tiere sollen die Tierhaltung bedrohen? Umgerechnet sind das 0,0004 Prozent!

Der Mensch tötet Tiere aus ökonomischen Gründen
Doch es sind nicht nur die Zahlen: Der Wolf tötet aus Instinkt. Der Mensch tötet Tiere aus ökonomischen Gründen oder aus Spaß. Tierschutz ist uns ein wichtiges Anliegen, betonen Politiker:innen. Nutztierhalter:innen lamentieren, wie sehr ihre Tiere bei Wolfsrissen leiden. Ganz anders sei dies bei der Schlachtung. Da gelten strenge Maßstäbe. Bei Verstößen handele es sich um bedauerliche Einzelfälle. Einzelfälle? Studien und die vor kurzem veröffentlichte Datenbank von Tierschutzskandalen (2) belegen das Gegenteil.

Während sich zweibeinige „Tiertöter“ kaum Sorgen über Konsequenzen machen müssen, wird mit dem Wolf kurzer Prozess gemacht. „Ein Riss reicht“ sagt Söder und eröffnet mit einer eigenen Verordnung die Wolfsjagd. FDP und CDU tuten in dasselbe Horn: Der Wolf muss weg!

Wolf wird der Öffentlichkeit zum Fraß vorgeworfen
Statt sich um die millionenfachen Tierschutzverstöße in der sogenannten Nutztierhaltung zu kümmern, werfen Parteien und Verbände den Wolf der Öffentlichkeit zum Fraß vor. Über alles andere hüllt man einen Mantel des Schweigens. Und die Medien spielen mit. Und hat man sich des Wolfes wieder einmal entledigt, liegt schon eine Liste mit weiteren „Problem-Tieren“ in der Schublade.

(1) Facebookseite der Initiative Stallbrände unter: www.facebook.com/stallbraende

(2) Neue Datenbank zu Tierschutzskandalen: tierschutz-skandale.de