Margrits Kolumne

Margrits Kolumne: Mitten ins Herz

Sie haben zehn Augen und – so wie Spinnen, Tintenfische und Skorpione, deren Urahn sie sind – blaues Blut. Der Grund: Der Sauerstoff wird nicht an Eisen, sondern an Kupfer gebunden, was das Blut blau färbt. Da diese „lebenden Fossilien“ zum Paaren und zur Ablage der Eier vom Meeresgrund an die flachen Strände kommen müssen, waren sie schon immer leichte Beute. Zuerst dienten sie als Futter für Schweine und Hühner, danach als Düngemittel. Dann wurden sie von der Pharmaindustrie entdeckt. Aus dem Abfall wurde eine Goldgrube. Warum?

Das blaue Blut der Urzeit-Tiere besitzt eine Schutzfunktion. Dringen gefährliche Keime ein, gerinnt das Blut. Es entsteht ein Gelee, das die Keime unschädlich macht. Und genau das braucht die Pharmaindustrie, um Medikamente, Impfstoffe und Medizinprodukte sicher zu machen. Diese Eigenschaft macht das blaue Blut so kostbar, dass ein Liter davon 15.000,- Euro kostet.

Die Gewinnung erfolgt in Labors, in denen die hilflosen Tiere in langen Regalen aneinandergereiht werden. Mit einer Kanüle direkt ins Herz zapft man ihnen ein Drittel ihres Blutes ab, zehn Prozent der Tiere verenden schon bei dieser Prozedur. Dann werden sie zurück ins Meer geworfen, derart geschwächt können sie nicht für Nachwuchs sorgen.

Die Folgen sind fatal, die Pfeilschwanzkrebse stehen bereits auf der Liste der gefährdeten Arten. Doch seit 25 Jahren gibt es die Möglichkeit, diesen LAL¹-Test durch tierfreie Methoden zu ersetzen: durch den MAT²-Test und und den an der Universität Singapur entwickelten rFC³-Test, die beide nicht nur billiger, sondern auch aussagekräftiger sind.

Aber das Geschäft mit dem blauen Blut ist weitaus verlockender. Pro Tier lassen sich 200-400 ml Blut gewinnen. Schätzungsweise kommt man pro Jahr auf 110.000 Liter Pfeilschwanzkrebsblut, die einen Wert von 1,65 Milliarden Euro haben.

Pfeilschwanzkrebse gab es schon vor 400 Millionen Jahren, sie haben das Aussterben der Dinosaurier vor 66 Millionen Jahren und andere Katastrophen überstanden. Doch werden sie auch die Profitgier des Menschen überleben?

© Margrit Vollertsen-Diewerge 01. September 2023

Wir unterstützen die Petition „Qualen in der Blutfabrik – Stoppt das Leid der Pfeilschwanzkrebse!“. Bitte zeichnen sie mit. Vielen Dank!

¹LAL= Limulus Amöbozyten-Lysat
²rFC =Im Gegensatz zum LAL-Test kommt die tierfreie Methode mit nur einem einzigen Protein aus, dem rekombinanten Faktor C (rFC). Beim damit durchführbaren rFC-Test führt die Bindung eines Endotoxins an rFC zur dessen Aktivierung. Der synthetisch hergestellte rFC entspricht dem aus dem Blut der Pfeilschwanzkrebse, er wird nur anders produziert.
³MAT = Monozyten-Aktivierungs-Test