Allgemein Industrielle Tierhaltung Missstände beim Vollzug Politik

Ampel will Tierschutzgesetz verschärfen

Menschen für Tierrechte begrüßt die geplante Reform, übt jedoch auch Kritik

SPD, Grüne und FDP haben im Koalitionsvertrag vereinbart, das Tierschutzgesetz für Haus- und sogenannte Nutztiere zu verbessern. Verbesserungen beim Tierschutz hätten hohe Priorität, weil es im Umgang mit Tieren nach wie vor viele Defizite gebe. Für viele Tierarten gebe es keinerlei Haltungsvorschriften, bei anderen seien sie unscharf oder würden missachtet. Ein Entwurf für die Überarbeitung sei derzeit in der „Frühkoordination“, sagte eine Sprecherin des Ministeriums am 21. Mai 2023. Menschen für Tierrechte begrüßt die geplante Reform, übt jedoch auch Kritik an dem noch inoffiziellen Gesetzentwurf.

Ein echter Fortschritt ist die geplante Änderung in Artikel 1. Danach soll ein wirtschaftliches Interesse keinen vernünftigen Grund für eine Beeinträchtigung von Leben und Wohlbefinden eines Tieres darstellen.

Folgende Änderungen sind bisher bekannt:
– bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe und Geldbußen bis zu 100.000 Euro für Tierquälerei
– Behörden soll Aufklärung und Vollzug bei potenziellen Vergehen erleichtert werden
– Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung von Kühen
– verpflichtende Videoaufzeichnungen in Schlachthöfen (von der Anlieferung über die Tötung bis zum Ausbluten)
– Verbot der Schlachtung hochträchtiger Schafe oder Ziegen
– Eingriffe wie dem Kürzen der Ringelschwänze von Ferkeln oder der Enthornung von Rindern dürfen nur noch mit Betäubung vorgenommen werden
– verpflichtende Kennzeichnung und Registrierung von Katzen und Hunden, um ihre Herkunft zurückverfolgen zu können
– Verbot, Tiere mit Qualzuchtmerkmalen bei Ausstellungen zu zeigen
– Unterbindung des illegalen Welpenhandels
– Regelungen für Anbieter von Online-Plattformen (Identitätsnachweis)
– Ausstellungsverbot von Qualzuchten auf Ausstellungen
– Verbots des Verkaufs lebender „Kopffüßler und Zehnfußkrebse“, die zum Verzehr gedacht sind

Systemische Defizite bei Gesetzgebung, Vollzug und Gerichtsbarkeit
Menschen für Tierrechte begrüßt, dass deutlich höhere Strafen für Tierquälerei geplant sind. Hohe Strafen für Tierquälerei sind ein wichtiges Signal. Das Problem ist aber, dass die Höchststrafen (aktuell: Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, Geldstrafe bis zu 25.000 €) bisher nie verhängt werden. Schuld ist nicht primär das Strafmaß, sondern ein marodes System, bei dem das Zusammenspiel von Gesetzgebung, Vollzug und Gerichtsbarkeit bei Tierschutzvergehen nicht funktioniert. Damit die Höchststrafen tatsächlich eine abschreckende Wirkung entfalten, muss das System insgesamt reformiert werden.

Tierversuche: Keine Rede von Verbesserungen
Unverständlich ist, dass das Thema Tierversuche überhaupt nicht genannt wird. Zusammen mit 13 weiteren Vereinen hatte Menschen für Tierrechte schon im Februar 2023 den zuständigen Minister Cem Özdemir aufgefordert, im Rahmen der Überarbeitung des Tierschutzgesetzes auch die eklatanten gesetzlichen Defizite im deutschen Tierversuchsrecht zu beheben. Die aktuelle Rechtslage erlaubt noch immer schwerbelastende Tierversuche und schwächt die Genehmigungsbehörden.

Amputationen aus wirtschaftlichen Gründen weiter möglich?
Nicht nachvollziehbar ist zudem, dass die Anpassung der Tiere an die industrielle Haltung, wie Amputationen von Ringelschwänzen, aus wirtschaftlichen Gründen möglich bleiben sollen. Hier ist ein eindeutig wirtschaftliches Interesse plötzlich doch ein vernünftiger Grund.  Auch die tierquälerische Anbindehaltung von Kühen müsse auf jeden Fall komplett und nicht nur saisonal verboten werden. In Deutschland ist die ganzjährige Anbindehaltung in Altställen bisher noch erlaubt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2021 handelt es sich dabei um etwa zehn Prozent der Rinder in Deutschland. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) empfiehlt in einem aktuellen Gutachten für die EU-Kommission u.a. einen Ausstieg aus der ganzjährigen Anbindehaltung von Milchkühen.

Fehlen: Verbote von Qualzuchten und Wildtieren in Zirkussen
Wichtig sei zudem nicht nur ein Ausstellungs- und Werbeverbot für Tiere aus Qualzuchten zu erlassen, sondern die Zucht und Haltung von qualgezüchteten Tieren konsequent zu verbieten. Zudem müssten die Qualzuchtmerkmale im Gesetz konkretisiert werden. Außerdem fehlt ein Verbot für Wildtiere in Zirkussen sowie eine Positivliste, die den Handel und die Privathaltung von Heimtieren reguliert. Menschen für Tierrechte wird sich in den kommenden Monaten dafür einsetzen, dass die Überarbeitung des Tierschutzgesetzes wirkliche Verbesserungen für die Tiere bringt.

Fotos: Colin Goldner (Schimpanse), free animal pix (Tiger), Marc Tollas/Pixelio (Kalb), soylent network (Schwein), efmukel/AdobeStock (Maus), Jose Manuel Gelpi/Fotolia (Küken), Kurt Klement/Pixelio (Mops), animal rights watch (Legehenne), simonschmid614/Pixabay (Bundestag)