Agrar- und Ernährungswende Allgemein

Italien: Agrarlobby erreicht Verbot von Laborfleisch

Es muss unbedingt verhindert werden, dass dies Schule macht und es der Agrarlobby gelingt, die Entwicklung von Alternativen für Fleisch, Milch und Eier zu blockieren. Es wird höchste Zeit, dass Konsument:innen den wahren Preis für tierische Produkte zahlen.

                                                                                                                                                                               Foto: Adobestock/nevodka.com

Die rechte italienische Regierung hat am 28. März 2023 die Herstellung von Laborfleisch im eigenen Land verboten. Sie beruft sich dabei auf das Vorsichtsprinzip. Es gäbe „keinen wissenschaftlichen Beweis“, dass der Konsum von Laborfleisch keine schädlichen Auswirkungen habe. Die Landwirtschaftsvereinigung Coldiretti jubelt und hofft, dass auch andere Länder Verbote erlassen. Die Lobbygruppe hatte in den vergangenen Monaten eine halbe Million Unterschriften gegen Laborfleisch gesammelt, darunter die Signatur der ultrarechten Ministerpräsidentin Giorgia Meloni.

Damit verschließt sich das konservative Italien für diesen technischen Fortschritt, denn Laborfleisch gilt als Hoffnungsträger im Kampf gegen Massentierhaltung und Klimawandel. Die italienische Tierschutzorganisation Oiopa Italia wirft der Regierung vor, nur im Interesse der Landwirte zu handeln. Synthetisches Fleisch könne die Lösung sein, nicht das Problem – durch „eine tierschutzgerechte Produktion, ökologische Nachhaltigkeit und Lebensmittelsicherheit“. Laborfleisch stelle eine Alternative zur Fleischproduktion „ohne Grausamkeit“ dar und könne auch für diejenigen interessant sein, die sich nicht für eine vegetarische oder vegane Ernährung entschieden haben.

Das pflanzliche Hähnchenfleisch von Beyond Meat ist mittlerweile fast nicht mehr von echtem Fleisch zu unterscheiden.

Andere Länder forschen intensiv an Alternativen
Es ist zu hoffen, dass es Italien nicht gelingt, die Entwicklung von künstlich erzeugten tierischen Produkten aufzuhalten. Glücklicherweise wird in anderen Ländern intensiv an neuen Entwicklungen geforscht. Im November 2022 stufte die US-Lebensmittelbehörde FDA erstmals aus Tierzellen gezüchtetes Fleisch als unbedenklich für den menschlichen Verzehr ein. Die Kulturfleischproduktion wurde 2021 mit 1,4 Mrd. US-Dollar von Investoren gefördert – darunter so prominente Namen wie der US-Schauspieler Leonardo DiCaprio. Mit von der Partie sind auch Tech-Giganten wie der Google-Gründer Sergey Brin. Er hält Anteile von Mosa Meat, während Microsoft-Gründer Bill Gates in Firmen wie Beyond Meat, Hampton Creek und Impossible Foods investiert. Auch der weltgrößte Lebensmittelkonzern Nestlé ist eine Partnerschaft mit dem israelischem Start-up Future Meat Technologies eingegangen. Ebenso die US-Giganten Cargill und Tyson Foods sowie der weltweit größte Hühnerfleisch-Exporteur aus Brasilien BRF.

Agrarlobby darf Innovationen nicht blockieren
Es steht außer Frage: Eine einfache rein pflanzliche Ernährung wäre die einfachste, günstigste und schnellste Lösung. Andererseits drängt die Zeit. Weder Klimakrise noch Artensterben noch die planetaren Grenzen warten darauf, wie wir uns entscheiden. Vor diesem Hintergrund könnte kultiviertes Fleisch dazu beizutragen, zukünftig den weltweiten Fleischkonsum abzudecken. Deswegen muss unbedingt verhindert werden, dass die Agrarlobby diesen Prozess aus reinem Eigeninteresse blockiert. Es wird höchste Zeit, dass Konsumenten endlich den wahren Preis für tierische Produkte zahlen. Denn bei den aktuellen Preisen von Fleisch, Milch und Käse sind die Umweltschäden der Produktion nicht eingerechnet. Stattdessen fallen sie der Allgemeinheit und künftigen Generationen zur Last.

Fleisch und Co.: Umweltschäden nicht einberechnet
Nach einer Studie der Universität Augsburg müsste Fleisch aus konventioneller Aufzucht bei Berücksichtigung der versteckten Kosten um satte 173 Prozent steigen. Konkret: 500 Gramm gemischtes Hackfleisch aus konventioneller Herstellung würden nicht 2,79 Euro, sondern 7,62 Euro kosten. Milch und Gouda müssten fast doppelt so viel kosten. Dabei sind in den Berechnungen noch längst nicht alle versteckten Kosten enthalten, die bei der Lebensmittelproduktion anfallen. So ließen sich beispielsweise die Folgekosten des Antibiotika-Einsatzes in der Tierzucht, der zu multiresistenten Keimen führt, oder die der Nutzung von Pestiziden noch nicht sicher genug beziffern, um in die aktuellen Berechnungen einzufließen.

Maßnahmen für eine Agrar- und Ernährungswende
Der Bundesverband Menschen für Tierrechte setzt sich für eine Agrar- und Ernährungswende hin zu pflanzlichen Eiweißträgern ein. Dazu fordert er beispielsweise die Abschaffung der Mehrwertsteuer für pflanzliche Nahrungsmittel und die Einführung einer Fleischsteuer. Denn diese könnte dazu beitragen, Tierleid sowie den umwelt- und klimaschädlichen Fleischkonsum zu reduzieren. Außerdem könne sie helfen, die notwendige Transformation der Landwirtschaft zu finanzieren und Landwirt:innen neue Perspektiven geben.

Hier können Sie sich die 10-seitige Broschüre mit den Forderungen für eine Agrar- und Ernährungswende als PDF herunterladen.