Allgemein Politik Tierversuche

Reduktionsstrategie: Frommer Wunsch ohne ausreichende Finanzierung

Während tierversuchsfreie Verfahren in Deutschland bisher weder gesetzlich noch finanziell nennenswert gefördert werden, zeigen die USA und die Niederlande, wie Versuche an Tieren reduziert und Alternativen vorangebracht werden können. Deutschland muss diesen guten Beispielen folgen. Die Zeit drängt. 

Ende September verabschiedete der US-Senat ein Gesetz, das tierfreie Testverfahren bei der Testung neuer Arzneimittel zulässt. Dies ist ein großer Forstschritt. Denn bisher galt eine veraltete Regelung von 1938, wonach die Giftigkeit von Arzneimitteln zunächst an Tieren überprüft werden musste, bevor diese in klinischen Studien am Menschen eingesetzt werden durften. Das neue Gesetz, der sogenannte Modernization Act der US-Arzneimittelbehörde (FDA), erlaubt nun, neue Medikamente auch auf Basis tierversuchsfreier Verfahren zuzulassen. 

Erfolg für Entwickler:innen
Voraussetzung ist, dass die neuen Verfahren geeignet sind und sich zuvor als wirksam und zuverlässig erwiesen haben. Dies ist ein großer Erfolg für zahlreiche Wissenschaftler:innen und Unternehmen, die tierfreie Human-on-a-Chip-Technologien entwickeln. Die neue Gesetzgebung muss noch vom US-Kongress verabschiedet werden. Ein Wehrmutstropfen ist, dass weiterhin Tierversuche durchgeführt werden können, wenn dies „angemessen“ sei. Da Unternehmen jedoch meist kein Interesse an der Durchführung von Tierversuchen haben, da diese oft teurer als tierfreie Verfahren sind, ist zu hoffen, dass vorrangig die neuen Verfahren eingesetzt werden.

USA verbieten bestimmte Tierversuche
Im Vorfeld dieser Entscheidung hatte die US-Umweltbehörde EPA schon 2019 in einer Richtlinie festgelegt, dass toxikologische Versuche an Säugetieren ab 2035 verboten sind. Ab 2025 werden die Fördergelder für Tierversuche in diesem Bereich um 30 Prozent gekürzt und ab 2035 ganz gestrichen. Auch die Niederlande sind ein gutes Vorbild: Sie legten 2016 als erster EU-Mitgliedstaat eine strukturierte und differenzierte Ausstiegsstrategie vor. An der Universität Utrecht wurde eine Professur für den evidenzbasierten Übergang zu tierversuchsfreien Methoden eingerichtet. 

Deutschland hinkt hinterher
Trotz dieser guten Vorlagen hinkt die Ampelregierung ihrem eigenen Versprechen aus dem Koalitionsvertrag weit hinterher. Geplant ist die Erarbeitung einer Reduktionsstrategie zu Tierversuchen. Außerdem soll die Forschung zu Alternativen sowie ihre Umsetzung in die Praxis verstärkt sowie ein ressortübergreifendes Kompetenznetzwerk etabliert werden. Doch dies ist noch ein weiter Weg. Dies zeigte sich in Gesprächen mit Politiker:innen und in der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linken. Darin bestätigt die Bundesregierung, dass es „weiterer kontinuierlicher Anstrengungen bedürfe“, insbesondere bei der Entwicklung tierfreier Methoden und deren Umsetzung in der Praxis. Konkrete Angaben zu Umsetzung und Maßnahmen könnten derzeit noch nicht benannt werden.  

Ausstieg aus dem Tierversuch einleiten
Der Bundesverband hatte schon im Mai dieses Jahres einen Maßnahmenplan vorgelegt, um die Regierung aktiv dabei zu unterstützen, die geplante Reduktionsstrategie so effektiv wie möglich auszugestalten. Dieser enthält konkrete Vorschläge, die kurz- und langfristig Tierversuche nicht nur reduzieren, sondern perspektivisch den Ausstieg aus dem Tierversuch einleiten. Diese Vorschläge stellten Vertreterinnen des Bundesverbandes der Parlamentarischen Staatssekretärin Dr. Ophelia Nick (Grüne) und der tierschutzpolitischen Sprecherin der SPD, Luiza Licina-Bode, vor. Weitere Gespräche sollen folgen.

Nötig: zentrale Koordinierung
Die Zeit drängt. Denn es schon ist ein Jahr vergangen, ohne dass wirksame Maßnahmen ergriffen wurden. Entscheidend ist zunächst die Etablierung einer Stelle, die die Erarbeitung der Reduktionsstrategie zentral koordiniert. Weitere kurzfristige Maßnahmen sind die Schaffung eines nationalen Kompetenzzentrums, das Antragsteller und Regulationsbehörden berät sowie mehr gezielte Forschungsförderung für tierversuchsfreie Verfahren. Der Bundesverband wird sich im Schulterschluss mit anderen Organisationen dafür einsetzen, dass Deutschland endlich die richtigen Weichen für eine Zukunft ohne leidvolle Tierversuche stellt.