Im Koalitionsvertrag kündigt die Ampelregierung an, das Amt eines oder einer Tierschutzbeauftragten zu schaffen. Dies begrüßt das Bündnis für Tierschutzpolitik ausdrücklich, fordert aber eine wirkungsvolle Ausgestaltung, damit die Position nicht nur symbolischen Charakter hat, sondern zu einer Triebfeder für den Tierschutz wird.
Die Tierschutzorganisationen fordern die Einrichtung eines oder einer Tierschutzbeauftragten schon seit Jahren. Die Einführung gebietet schon die Staatszielbestimmung Tierschutz (Art. 20a GG), durch die der Tierschutz 2002 im Grundgesetz verankertet wurde. Doch dies hat leider nicht dazu geführt, dass es den Tieren in Deutschland besser geht. Millionen leiden und sterben weiterhin täglich insbesondere in der landwirtschaftlichen Tierhaltung, im Tierversuch oder bei der Jagd.
Tierschutzrecht ungenügend
Das bestehende Tierschutzrecht in Deutschland und Europa ist leider kein Garant, dieses Tierleid effektiv einzudämmen. Dies hat diverse Ursachen: In vielen Bereichen ist das Tierschutzrecht lückenhaft, widersprüchlich, entfaltet aufgrund zahlreicher Ausnahmen nur eine ungenügende Schutzwirkung oder läuft durch einen häufig mangelhaften Vollzug in der Praxis ins Leere.
Ungleichgewicht zwischen Tierschutz- und Nutzerinteressen
Kommt es zu Rechtsstreitigkeiten, besteht zudem ein rechtliches Ungleichgewicht zwischen Tierschutz- und Nutzerinteressen vor den Gerichten. Während jede:r Tiernutzer:in gegen ein vermeintliches „Zuviel“ an Tierschutz klagen und den Instanzenzug bis zum Bundesverwaltungsgericht ausschöpfen kann, ist kein Tierschutzverein in der Lage, gegen ein „Zu wenig“ an Tierschutz Klage zu erheben. Einige Bundesländer haben deshalb ein eng begrenztes Klagerecht für anerkannte Tierschutzorganisationen eingeführt. Auf Bundesebene fehlt dieses wichtige Instrument.
Bundesbeauftragte(r) für Tierschutz könnte Triebfeder sein
Vor diesem Hintergrund kann die Einrichtung einer Stelle eines oder einer Bundesbeauftragten für Tierschutz eine wichtige Triebfeder darstellen, um den Tierschutz zu verbessern. Dies wird auch von führenden Jurist:innen bestätigt, die im Rahmen eines Reformvorschlages des Tierschutzrechtes in einem neuen Tierschutzgesetz dem Bundesbeauftragten einen eigenständigen Abschnitt widmen.
Entscheidend: Ausstattung und Rechte
Es ist unbestritten, dass der Wert einer solchen neuen rechtlichen Institution auf Bundesebene davon abhängt, wie diese Stelle finanziell und personell ausgestaltet wird und welche Mitwirkungs- und Kontrollfunktionen damit tatsächlich ermöglicht werden. Keinesfalls sollte sie nur symbolischen Charakter haben.
Empfehlungen der Tierschutzorganisationen
Damit für eine wirkungsvolle Ausgestaltung des Amtes gewährleistet ist, hat das Bündnis für Tierschutzpolitik Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir seine Empfehlungen übermittelt. Dies sind:
1. Die Stelle der oder des Bundesbeauftragten muss als unabhängige und weisungsfreie Stabstelle organisiert sein, die aus Gründen zur Vermeidung möglicher Interessenskollisionen bestenfalls im Bundeskanzleramt verortet werden sollte.
2. Neben einer allgemeinen Beratungs- und Koordinierungsfunktion für die Politik, anerkannte Tierschutzorganisationen und die Öffentlichkeit, muss der oder die Bundesbeauftragte die Möglichkeit haben, bei allen tierschutzrelevanten Rechtsetzungsverfahren des Bundes, national und auf EU-Ebene, aktiv und frühzeitig mitzuwirken, beispielsweise durch fachliche Stellungnahmen. Um diese Tätigkeit wahrnehmen zu können, muss das Amt über entsprechende Auskunfts- und Akteneinsichtsrechte verfügen.
3. Der oder die Bundesbeauftragte sollte als stimmberechtigtes Mitglied den Vorsitz der Bundestierschutzkommission übernehmen.
4. Der oder die Bundesbeauftragte muss die Möglichkeit haben, tierschutzrechtliche Entscheidungen des Bundes als Ultima Ratio gerichtlich überprüfen zu lassen.
5. Die Stabstelle muss einen entsprechenden rechtlichen Schutz für Whistleblower gewährleisten, damit beispielsweise Hinweisgebende, die Informationen über gravierende Tiermissstände in ihrem Berufsumfeld offenlegen, keine beruflichen Benachteiligungen zu befürchten haben.
6. Die Stabstelle muss über eine eigene Presse- und Öffentlichkeitsarbeit verfügen.
7. Aufgrund der Vielfalt und des Ausmaßes der Aufgaben ist es zwingend notwendig, dieses Amt insgesamt personell gut aufzustellen. Die Stabstelle muss insbesondere über eine sehr gute tierschutzrechtliche, tierschutzfachliche als auch tierschutzethische Expertise verfügen.
Hier lesen Sie das Schreiben des Bündnis Tierschutzpolitik an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir als PDF.