Allgemein Margrits Kolumne

Margrits Kolumne: das Meerschweinchen-Denkmal

Bronzetafel vor der Ceva Tiergesundheit GmbH. Foto: A. Brandt, FLI

Die drei Meerschweinchen sehen schmerzfrei und gesund aus. Kein Wunder, sie sind aus Stein gemeißelt (Hans Pütz, Stargard) und stehen auf einem Sockel vor der Ceva Tiergesundheit GmbH auf der Insel Riems. Auf dieser Halbinsel in der Ostsee mit der höchsten Sicherheitsstufe besteht seit 1910 das Friedrich-Loeffler-Institut, benannt nach dem Bakteriologen Friedrich Loeffler, der durch seine Forschung an der Maul- und Klauenseuche bekannt wurde. Das FLI wurde in den letzten Jahren durch die Stellungnahme der Professoren zur jeweiligen Corona-Situation auch dem „Normalbürger“ ein fester Begriff.

Auf einer Bronzetafel am Denkmal steht der Satz: „Im Jahre 1901 wurde die Empfänglichkeit des Meerschweinchens gegenüber dem Virus der Maul- und Klauenseuche entdeckt.“ Wurden vorher Rinder als Versuchstiere mit dem Virus infiziert, verbrauchte man ab 1920 die billigeren und leichter „reproduzierbaren“ Nagetiere mit den Knopfaugen, glänzendem Fell und kurzen Beinchen. 70.000 waren es pro Jahr, untergebracht auf Meerschweinchen-Böden. Das Wort „Meer“ verdanken sie spanischen Seefahrern, die sie aus Südamerika mitbrachten. Dort dienten sie als Fleischlieferant. „Schweinchen“ heißen sie deswegen, weil ihr Quieken an das Geräusch erinnert, das Schweine von sich geben.

Mehr als 80 Prozent der Weltbevölkerung ist gegen ansteckende tödliche Krankheiten geimpft, zum Beispiel gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten. Als Versuchstier für Diphtherie steht an erster Stelle das Meerschweinchen. Spätestens seit Beginn der Corona-Welle ist die Bedeutung von Impfungen enorm gestiegen. Doch während die Schluckimpfung gegen Kinderlähmung in den 1960er Jahren (fast) ohne Widerstand der Eltern über die Bühne ging, gibt es bei den aktuellen Impfungen sehr kontroverse Meinungen. Dabei geht es weniger um den unvorstellbar hohen Tierverbrauch bei der Impfstoff-Herstellung und der Impfstoff-Chargenprüfung als vielmehr um rein menschliche Belange. „Ich lass mich nicht impfen, weil…“

Können humane Impfstoffe in Zeiten der individualisierten Medizin auch ohne Tierleid hergestellt werden? Mit der Organ-on-a-chip-Technologie können unter anderem menschliche Mini-Lymphknoten für die Impfstoff-Forschung nachgebildet werden. Durch die Pandemie hat sich ein Milliarden-Markt aufgetan, BioNTech/Pfizer, Moderna, AstraZeneca und Janssen wollen daran teilhaben. Nun ist ein neuer Konkurrent entstanden. Der Tabakhersteller British American Tobacco entwickelt Influenza- und Corona-Impfstoffe. Beide Impfstoffe werden inzwischen in klinischen Studien am Menschen getestet.

Die Anzahl von innovativen Technologien wächst rasant. Angefangen von Mini-Lymphknoten, gezüchtet aus menschlichen Zellen, über das modulare MIMIC-System bis zum Computer-Algorithmus, der die Wirksamkeit von Corona-Impfstoff vorhersagen kann – vielleicht können sich Meerschweinchen, Frettchen & Co. bald freuen.

© Margrit Vollertsen-Diewerge Juli 2022