Schleswig-Holstein wählt am 8. Mai einen neuen Landtag. Um den Wähler:innen eine Orientierung zu geben, hat der Bundesverband Menschen für Tierrechte die etablierten Parteien zu ihren Tierschutzplänen befragt und ihre Wahlprogramme ausgewertet. Das Ergebnis: Die Tierschutzpläne von CDU und FDP enttäuschen. Die SPD geht mit ihren Plänen zwar weiter, aber auch sie orientiert sich hauptsächlich an den Plänen der Bundesregierung. Eigene Ideen oder besondere Maßnahmen für Schleswig-Holstein sind Mangelware. Anders sieht es bei Grünen und Linken aus. Ihre Pläne für einen Tierschutzplan, die Einführung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Tierschutz, einer Professur für tierversuchsfreie Forschung, vegetarische Angebote an Kitas und Schulen und die Förderung eines Umstiegs auf möglichst tierfreie Produktionsweisen gehen weit über bestehende Planungen hinaus.
Das nördlichste Bundesland Deutschlands, das derzeit noch von einer Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen regiert wird, hat seit 2018 eine Landestierschutzbeauftragte. Das Tierschutz-Verbandsklagerecht wurde 2015 unter dem damals amtierenden Landwirtschaftsminister Robert Habeck eingeführt. Die Bilanz ist jedoch bescheiden: Sieben Jahre später ist nur ein Verein als klagebefugt anerkannt. Dass Missstände in der landwirtschaftlichen Tierhaltung auch im ländlich geprägten Schleswig-Holstein an der Tagesordnung sind, zeigte sich unter anderem 2020 in einem Milchbetrieb. Trotz offensichtlicher Tierschutzmissstände sahen weder Tierärztin, Amtstierarzt noch der Vertrauensmann für Tierschutz maßgebliche Probleme.
Fragen an die Parteien
Um den Wählern im nördlichsten Bundesland eine Orientierung zu geben, ob und was die Parteien an Tierschutzverbesserungen planen, hat der Bundesverband die Wahlprogramme der etablierten Parteien analysiert. Zusätzlich hat der Tierrechtsverband den Parteien Fragen zu ihren Tierschutzplänen gestellt. Da den Parteien nur acht Fragen gestellt werden konnten, befragte der Bundesverband bewusst Themen ab, die über die Wahlprogramme hinausgingen. Dies waren beispielsweise mögliche Maßnahmen, um die skandalösen Defizite bei Gesetzgebung, Kontrolle und bei der Strafverfolgung von Tierschutzvergehen abzustellen. Außerdem wurde abgefragt, wie die Tierzahlen sowie der Konsum tierischer Produkte in Schleswig-Holstein reduziert werden sollen und wie Landwirt:innen, die aus der Tierhaltung austeigen, unterstützt werden können. Als Beispiele nannte der Bundesverband Umstiegs- und Anbauförderungen, Beratungs- und Weiterbildungsangebote sowie Forschungsförderung für tierlose Anbausysteme. Auf der anderen Seite wollte der Tierrechtsverband wissen, ob und wie die Parteien den Konsum von pflanzlichen Produkten steigern und ob sie die Agrarsubventionen zugunsten von Tier-, Natur- und Klimaschutz umschichten wollen. Außerdem fragte er, welche Maßnahmen und Ziele die Parteien planen, um Tierversuche in Schleswig-Holstein zu reduzieren, beziehungsweise um den Ausstieg aus dem Tierversuch einzuleiten.
CDU und FDP setzen auf Freiwilligkeit
Die schleswig-holsteinische CDU plant, die Ergebnisse der „Borchert- Kommission“ (1) umzusetzen. Danach soll der Umbau der Tierhaltung über eine sogenannte Tierwohlabgabe finanziert werden. Dies will die Partei nicht durch rechtliche Vorgaben, sondern durch Fördermaßnahmen erreichen. Die CDU gibt an, eine flächengebundene Tierhaltung zu verfolgen. Auch die mitregierende FDP will den Umbau unterstützen. Sie betont dabei die Verantwortung der Tierhalter und der „unternehmerischen Landwirtschaft“. Finnaziert werden soll der Umbau, wie auf Bundesebene geplant, über ein durch die „Marktteilnehmer getragenes System“. Auf Freiwilligkeit setzt die FDP auch beim Thema Ernährung. Statt einer Klimaabgabe oder Mehrwertsteuererhöhung auf tierische Produkte, sprechen sich die Liberalen für Ernährungsbildung und eine verständliche Lebensmittelkennzeichnung aus und verweisen auf die auf Bundesebene geplante Ernährungsstrategie.
Absage an Ausstiegförderungen für Landwirt:innen
Die Frage, wie Landwirt:innen beim Ausstieg aus Tierhaltung unterstützt werden sollen, beantwortet die FDP mit dem Streben nach „europaweiten einheitlichen hohen und verbindlichen Standards“, baurechtlichen Vereinfachungen, einer Imagekampagne für die Landwirtschaft sowie einer Stärkung der Landwirtschaftskammern. Auf die Frage, wie die Tierbestände reduziert werden sollen, verweist die FDP wiederum auf die Pläne der Ampel auf Bundesebene. Auch auf die Frage, wie dem Vollzugsdefizit im Tierschutzrecht begegnet werden soll oder wie Tierversuche reduziert werden können, zitieren die Liberalen den Koalitionsvertrag der Ampel (2). Weitere Pläne von CDU und FDP betreffen die Förderung von Tierheimen und Katzenkastrationen, ein Ende des illegalen Tierhandels sowie die Regulierung des Onlinehandels mit Tieren.
Grüne wollen Tierschutzplan
Die Grünen kündigen in ihrem Wahlprogramm an, einen Tierschutzplan mit zeitlichen Vorgaben aufzustellen sowie eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Tierschutz etablieren zu wollen. Wie auf Bundesebene sollen Teile des Tierschutzrechts in das Strafrecht überführt werden. Tierversuche in der Lehre sollen reduziert und wo möglich ersetzt werden. Das 3R-Prinzip soll ausgeweitet und eine Professur für tierversuchsfreie Forschung eingeführt werden. Beim Umbau der Landwirtschaft verfolgen die Grünen eine Reduzierung der Tierbestände, in diesem Fall auf maximal zwei Großvieheinheiten pro Hektar. Auch sie wollen den Umbau der Tierhaltung auf Basis der Borchert-Ergebnisse. Weitere Ziele sind der Ausbau der mobilen Schlachtung sowie weniger und kürzere Transporte. Tierschutzkontrollen sollen ausgeweitet und Veterinärämter aufgestockt werden. Weitere Verbesserungen betreffen den illegalen Haustierhandel, Registrierungs- und Kennzeichnung, Katzenkastrationen, die Einführung des Stadttaubenmanagements sowie ein Verbot der Wildtierhaltung in Zirkussen.
SPD setzt auf „Tierwohllabel“
Die Tierschutzpläne der SPD liegen im Mittelfeld. Sie setzt im Norden auf das staatliche Tierwohllabel und will „Tierwohl“-Verbesserungen unter Berücksichtigung einer flächenbezogenen Obergrenze erreichen. Im Land will sie ein Landesveterinäramt etablieren und die Landesnutztierstrategie weiterentwickeln. Bezüglich einer Ernährungsumstellung setzen die Sozialdemokraten auf eine Ernährungsstrategie für Schleswig-Holstein sowie die Einhaltung der Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, die einen geringeren Fleischkonsum empfiehlt. Was den Abbau der Tierversuche betrifft, will die SPD Tierversuche auf ein Minimum zu reduzieren, bis sie durch Alternativmethoden ersetzt werden können. Eine strikte Kontrolle und ein strenges Genehmigungsverfahren seien dabei unabdingbar. Dafür will die die Pläne der Ampel-Koalition in Berlin unterstützen, die angekündigt hat, eine Reduktionsstrategie zu erarbeiten. Außerdem will sie Tierheime fördern und den illegalen Tierhandel bekämpfen.
Linke will Subventionen für „Massentierhaltung“ streichen
Die Linke, die bei der Landtagswahl 2017 mit 3,8 Prozent der Wählerstimmen den Einzug ins Parlament verpasste, will die Tierhaltung durch die kurzfristige Einführung höherer Mindeststandards verbessern und die Massentierhaltung langfristig beenden. Konkret plant sie, die Leistung von „Milchkühen“ zu begrenzen und den Export von Produkten aus Massentierhaltung nicht mehr zu subventionieren. Weitere Ziele sind eine Stärkung der Tierschutz-Verbandsklage, eine bessere Tierschutzgesetzgebung auf Bundesebene, mehr Kontrollen sowie mehr Personal und Mittel für Veterinärämter und Verbraucherinformationen zu Haltung, Schlachtung und Transport.
Förderstrategie für tierfreie Produktionsweisen
Außerdem will die Linke die Tierbestände reduzieren und die Landwirtschaft durch Umschichtung der Subventionen ökologisieren. Dies soll verbunden werden mit einer Preissenkung für ökologisch erzeugte Produkte. Beispielweise durch ein Umlagesystem soll erreicht werden, dass für Produkte aus Massentierhaltung, für die viel CO2 emittiert wird, Abgaben fällig werden, die dann in die ökologische Landwirtschaft fließen. Das Landwirtschafts- und Umweltministerium Schleswig-Holstein soll in der nächsten Legislaturperiode eine Förderungsstrategie für den Umstieg von Höfen auf ökologische, möglichst tierfreie Produktionsweisen vorlegen, das Beratungs- und Bildungskonzepte beinhaltet sowie eine finanzielle Unterstützung.
Vegetarische Speisen in Schulen und Kitas
Um den Fleischkonsum zu reduzieren, will die Linke öffentliche Einrichtungen, insbesondere Schulen und Kitas, verpflichten, in ihren Kantinen vegetarische Speisen anzubieten. Außerdem soll die Politik Ernährungsberatungen und Kochkurse zur Umstellung der Ernährungsweise unterstützen. Um Tierversuche zu beenden, sollen auf EU und auf Bundesebene klare Ziele und Gesetze formuliert werden, die die Industrie zwingen, auf Tierversuche zu verzichten.
SSW will Strategie zur Produktion von Eiweißpflanzen
Das Wahlprogramm des Südschleswigschen Wählerverbands (SSW) enthält nur wenig konkrete Tierschutzpläne. Der Verband gibt vor, mehr Tierwohl und die Begrenzung von Tiertransporten anzustreben. Am meisten Platz nimmt die regional bedeutsame Fischerei ein, die nach dem SSW nachhaltiger und besser überwacht werden soll. Ausführlicher wird der Verband in seinen Antworten auf die Fragen von Menschen für Tierrechte: Auf die Frage, wie der Fleischkonsum und die Tierzahlen reduziert werden sollen, antwortet der SSW, dass er einen Dialog mit der regionalen Ernährungswirtschaft führen wolle, damit beispielsweise in allen Kantinen der öffentlichen Hand sowie in Universitätsmensen mindestens ein vegetarisches Gericht angeboten wird. Der Wille zur Reduzierung müsse jedoch aus der Gesellschaft herauskommen. Auf der anderen Seite will sich der SSW für eine landesweite Strategie zur Produktion von Eiweißpflanzen einsetzen, die dazu dienen könne, „neue Proteinquellen und Fleischersatzprodukte für die menschliche Ernährung zu erschließen“. Bezüglich der Agrarsubventionen verfolgt der SSW eine andere Förderpolitik, die auf Umwelt-, Klimaschutz und Tierwohl fokussiere. Auf die Frage nach Maßnahmen für einem Ausstieg aus dem Tierversuch antwortet der SSW, dass, wo möglich, auf Tierversuche verzichtet werden sollte und dass Studierende die Möglichkeit bekommen sollten, vergleichbare tierversuchsfreie Prüfungsleistungen abzulegen.
Fazit: Die meisten Tierschutzpläne enttäuschen
Das Fazit des Bundesverbandes nach Auswertung der Wahlprogramme und Antworten der Parteien ist, dass die Tierschutzpläne von CDU und FDP in Schleswig-Holstein enttäuschen. Alle verweisen fast ausschließlich auf die Pläne der Bundesregierung. Eigene Ideen oder Maßnahmen für Schleswig-Holstein legen sie nicht vor. Die SPD geht zwar weiter, aber auch sie plant keine besonderen Maßnahmen. Man scheint abzuwarten, wie Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) die drängenden Herausforderungen anpackt. CDU und FDP setzen dabei vor allem auf den Markt als Regulativ – ein Fehlschluss. Denn es hat sich immer wieder gezeigt, dass echte Tierschutzverbesserungen nur durch strengere gesetzliche Vorgaben und einem effektiven Vollzug und mitnichten durch Freiwilligkeit erreicht werden. Auch der ständige Verweis der FDP auf die EU-Ebene ist nicht zielführend. Ob auf Bundes- oder Landesebene, die Politik hat zu verantworten, unter welchen Tierschutzstandards in Deutschland produziert wird. Vor dieser Verantwortung darf sie sich nicht wegducken. Positiv zu bewerten sind dagegen die Pläne von Grünen und Linken, da sie weitergehende Maßnahmen vorsehen. Beispiele dafür sind der von den Grünen anvisierte Tierschutzplan, die Einführung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Tierschutz und einer Professur für tierversuchsfreie Forschung. Ambitioniert gibt sich auch die Linke mit ihren Plänen, Produkte aus Massentierhaltung nicht mehr zu subventionieren und mit zusätzlichen Abgaben zu belegen sowie den Umstieg auf möglichst tierfreie Produktionsweisen zu fördern. Auch die Pläne, vegetarische Speisen in Schulen und Kita verpflichtend anzubieten, könnten eine tier- und klimafreundliche Ernährung voranbringen. Der SSW sticht heraus mit seinem Vorschlag, eine landesweite Strategie zur Produktion von Eiweißpflanzen aufzulegen, die auch für die menschliche Ernährung genutzt werden sollen.
Wir weisen darauf hin, dass es sich bei allen Angaben nicht um eine Wahlempfehlung handelt. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte e.V. ist politisch neutral.
Hier können Sie sich die Wahlprogramme herunterladen
CDU
SPD
FDP
Grüne
Linke
SSW
Weitere Wahlprogramme können Sie sich hier herunterladen: abgeordnetenwatch.de
Hier lesen Sie sie Antworten der Parteien auf die Fragen des Bundesverbandes: CDU, SPD,
FDP, Grüne, Linke, SSW
Fragen des Bundesverbandes an die Parteien:
- Trotz des Staatsziels Tierschutz und dem Tierschutzrecht werden Tiere nicht zuverlässig geschützt. Sowohl bei Gesetzgebung und Kontrolle als auch in der Strafverfolgung gibt es eklatante Defizite. Welche Maßnahmen plant Ihre Partei, um diese Missstände in Schleswig-Holstein abzustellen?
- Die Produktion tierischer Produkte verursacht etwa 28% der globalen Treibhausgasemissionen. Wissenschaftler fordern deswegen den Abbau der Tierbestände. Was plant Ihre Partei, um die Tierzahlen in Schleswig-Holstein zu reduzieren?
- Um die Klimaziele zu erreichen, fordert u.a. der Weltklimarat eine Reduktion des Fleischkonsums. Welche Maßnahmen plant Ihre Partei, um den Konsum tierischer Produkte in Schleswig-Holstein und bundesweit zu reduzieren (z.B. Klima-Abgabe oder Mehrwertsteuererhöhung)?
- Mit Eiweißpflanzen können dreimal so viel Nahrungsmittel erzeugt werden wie auf fleischlicher Basis. Deswegen sollte der Konsum von tier- und klimafreundlichen pflanzlichen Produkten mittels einer Ernährungsstrategie gesteigert werden. Welche Maßnahmen plant Ihre Partei für Schleswig-Holstein?
- Um Klimawandel, Artensterben und Zerstörung der Ökosysteme entgegenzuwirken, müssen die Agrarsubventionen zugunsten von Tier-, Natur- und Klimaschutz umgeschichtet und ein Ausbau des ökologischen Landbaus verfolgt werden. Welche Maßnahmen und Ziele plant Ihre Partei für Schleswig-Holstein?
- Immer mehr Landwirte wollen aus der Tierhaltung austeigen. Welche Maßnahmen plant Ihre Partei zur Unterstützung in Schleswig-Holstein (Umstiegs- und Anbauförderungen, Beratungs- und Weiterbildungsangebote, Studium und Ausbildung, Forschungsförderung für tierlose Anbausysteme)?
- Die Bundesregierung plant eine Reduktionsstrategie für Tierversuche. 2021 forderten 97% der EU-Abgeordneten die EU-Kommission auf, einen Ausstiegsplan zu erarbeiten. Welche Maßnahmen und Ziele plant Ihre Partei, um Tierversuche in Schleswig-Holstein zu reduzieren bzw. den Ausstieg einzuleiten?
- Das überarbeitete Tierversuchsrecht wird der EU-Richtlinie nicht gerecht (kein umfassendes Prüfrecht der Genehmigungsbehörde, keine Belastungsobergrenze, etc.). Plant Ihre Partei sich auf Bundesebene für eine Überarbeitung von Tierschutzgesetz und Tierschutz-Versuchstierverordnung einzusetzen?