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22. März 2022: Tierschutzwidrig: Brieftaubenwesen als Immaterielles Kulturerbe anerkannt

Menschen für Tierrechte fordert Aufklärung und Rücknahme der Auszeichnung 

Trotz jahrelanger Proteste hat die Deutsche UNESCO-Kommission das Brieftaubenwesen in die Liste des bundesweiten Immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Dies erfolgte, obwohl der Bundesverband Menschen für Tierrechte die Gremien über die Tierschutzmissstände bei der Zucht von Brief- und Rassetauben informierte. In einem Offenen Brief befragt der Tierrechtsverband die Entscheider, wie sie die Auszeichnung einer tierschutzwidrigen Tradition erklären und fordert sie auf, die Aufnahme rückgängig zu machen.

Die Deutsche UNESCO-Kommission gab am 9. März die Aufnahme des Brieftaubenwesens in die Liste des bundesweiten Immateriellen Kulturerbes bekannt. In der Pressemitteilung erwähnt die UNESCO, dass sich der Verband der Brieftaubenzüchter einem Dialog mit Tierschutzorganisationen geöffnet habe, um strittigen Punkten stärker gerecht zu werden.

Tierquälerische Tradition nicht schützenswert
„Die Anerkennung ist schockierend. Tierquälerische Methoden sind nicht schützenswert. Im Gegenteil, sie sind unethisch und widersprechen dem Wertewandel unserer Gesellschaft. Sie können durch keinen vernünftigen Grund gerechtfertigt werden, insbesondere da es sich um eine Freizeitbeschäftigung mit Absichten auf Gewinn und Anerkennung handelt. Die erste Bewerbung wurde 2018 wegen Zweifeln an der Einhaltung der Tierschutzgesetze abgelehnt. An diesen Missständen hat sich seitdem nichts geändert. Bei dieser Entscheidung wird das Staatsziel Tierschutz mit Füßen getreten! Wir appellieren an die Entscheidungsträger, die Anerkennung zurückzunehmen“, fordert Dr. Claudia Gerlach, Biologin und Fachreferentin beim Bundesverband Menschen für Tierrechte.

Hobby rechtfertigt kein Tierleid
In seinem Offenen Brief stellt der Tierrechtsverband dem UNESCO-Expertenkomitee, der KMK sowie Staatskulturministerin Claudia Roth konkrete Fragen, beispielsweise wie die Tötung von Tauben, das Leid durch Haltungsbedingungen sowie Überforderung und Entkräftung für die Ausübung einer Freizeitbeschäftigung zu rechtfertigen sind (1). Wieso wird die Vergrößerung der Stadttaubenschwärme und das Leid der gestrandeten erschöpften Tiere in Kauf genommen? Welche Verbesserungen gab es, außer der Förderung der Taubenkliniken? „Es ist nicht nachvollziehbar, welche Verbesserungen der Brieftaubenzüchterverband umgesetzt hat, beziehungsweise mit welchen Versprechen er die Entscheider überzeugen konnte. Wir erwarten Begründungen für die Auszeichnung und Aufklärung des intransparenten Entscheidungsprozesses,“ fordert Gerlach.

Tierschutzmissstände nicht widerlegt
Der Bundesverband Menschen für Tierrechte wurde in die Entscheidung nicht einbezogen, obwohl er das Expertenkomitee und die beschließende Kulturministerkonferenz (KMK) während der zwei Bewerbungen mehrmals über die Tierschutzmissstände bei Haltung, Selektion und Wettflügen informierte. Außerdem hatte der Tierrechtsverband dem Verband der Brieftaubenzüchter 2020 konkrete Fragen zur angeblich zentralen Rolle des Tierschutzes gestellt. Die angegebenen Verbesserungen stellten sich als Mindeststandards bei der gesundheitlichen Versorgung heraus. Der Züchterverband konnte die aufgeführten Tierschutzverstöße nicht widerlegen. Er ergriff zudem keine oder nur unzureichende Maßnahmen zur Behebung der Hauptkritikpunkte.

Hier lesen Sie den Offenen Brief an das Expertenkomitee Immaterielles Kulturerbe als PDF.

(1) Bei der Zucht zur Generierung sogenannter As-Tauben werden „ungeeignete“ Tauben getötet, bei vollem Bewusstsein und ohne Nachweis der Qualifikation. Die Selektion erfolgt auch während der Trainings- und Wettflüge. Dabei kommt es nachweislich zu regelmäßigen Verlusten. Auch die überwiegende Getrennthaltung der monogamen Tiere ist nicht mit dem Tierschutzgesetz vereinbar. Damit die Tauben zurückkehren wird die Partner- und Standorttreue ausgenutzt. Bei der sogenannten Witwermethode werden die, oft über die gesamte Flugsaison, getrennt gehaltenen Partner für kurze Zeit vor dem Flug zusammengeführt. Bei der Nestmethode wird ein Elterntier vom Nachwuchs getrennt. Weiterhin wurde ein täglicher Freiflug nur für die Sommermonate angegeben. Überlebende Tiere vergrößern die Stadttaubenschwärme, auch erkennbar an den Musterungen. Bis heute ist nicht geklärt, warum die Züchter von Brief und Rassetauben nicht an den Kosten beteiligt werden, die den Kommunen durch die Vergrößerung der Stadttaubenschwärme durch entflogene Brieftauben entstehen. Der Tierarzt Dr. Warzecha, ein Insider der Brieftaubenzucht, spricht von „millionenfachem Elend“, siehe dazu: PDF des Offenen Briefes von Dr. Matthias Warzecha an Herrn Horst Menzel, Präsident des Verbandes Deutscher Brieftaubenzüchter e. V.

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Pressestelle:
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Mobil: 0179/450 46 80
E-Mail: ledermann@tierrechte.de
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Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Neue Geschäftsstelle: Severinusstr. 52, 53909 Zülpich
Tel: 02252/830 12 10, Internet: www.tierrechte.de


Der Bundesverband Menschen für Tierrechte setzt sich seit seiner Gründung 1982 auf rechtlicher, politischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene für die Anerkennung elementarer Tierrechte ein und kämpft gegen jeglichen Missbrauch von Tieren. Das langfristige Ziel ist eine grundsätzliche Veränderung des Mensch-Tier-Verhältnisses. Dem Dachverband mit Hauptsitz in Zülpich (früher Aachen) sind Vereine sowie private Fördermitglieder angeschlossen. Seine Stärke liegt im Zusammenwirken von Seriosität, Fachwissen und Lobbyarbeit auf höchster politischer Ebene. Dazu verfolgt der Verband einen Masterplan zum Ausstieg aus dem Tierversuch und eine Agrarwende von der tierischen zur pflanzlichen Eiweißproduktion, um das Ende der „Nutztier“-Haltung zu erreichen. Darüber hinaus ernennt der Verband beispielsweise das „Ersatzverfahren bzw. Replace des Jahres“ sowie das: „Versuchstier des Jahres“, betreibt die Wissenschaftsplattform InVitro+Jobs für eine konsequente Förderung der tierversuchsfreien Forschung und setzt sich mit dem Projekt SATIS für eine humane Ausbildung ein. Weitere Arbeitsschwerpunkte sind die Etablierung der Tierschutz-Verbandsklage, eine tierlose bio-vegane Landwirtschaft sowie die Aufnahme von Tierrechten in die Lehrpläne von Schulen. Der Verband gibt viermal im Jahr das Magazin tierrechte heraus. Neben einem Themenschwerpunkt informiert die Zeitschrift Journalisten, Wissenschaftler, Politiker, Behörden und Verbandsmitglieder über aktuelle Entwicklungen in der politischen Tierrechtsarbeit. Zudem erscheint zweimal monatlich der Tierrechte Newsletter. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte ist seit seiner Gründung als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt. Beiträge und Spenden sind steuerlich absetzbar.

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