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26. November 2021: Qualzucht bei Tieren: Effektives Verbot überfällig

Offiziell sind Qualzuchten bei Tieren verboten. Dennoch finden sie sich bei fast allen Tierarten. Während sogenannte Heimtiere qualgezüchtet werden, damit sie bestimmten Modetrends entsprechen, werden sogenannte Nutztiere züchterisch zu Hochleistungsproduzenten optimiert. Die entsprechende Gesetzgebung greift nicht, weil sie nur unvollständig umgesetzt oder wichtige Begriffe nie präzisiert wurden. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte beleuchtet das Thema Qualzucht in der aktuellen Ausgabe seines Magazins tierrechte und stellt konkrete Forderungen an die neue Bundesregierung, um das millionenfache Tierleid zu beenden.

Qualzuchten sind bei allen Tierarten an der Tagesordnung, sei es der Mops, der unter Herzattacken und Erstickungsanfällen leidet oder die sogenannte Milchkuh, deren Milchleistung seit 1960 um über 100 Prozent gesteigert wurde. Allen Tieren gemeinsam ist, dass sie lebenslang unter den Zuchtdefekten leiden und oft früh sterben.

Lebenslanges Leid und früher Tod
Bei „Haustieren“ müssen Defekte häufig operativ behandelt werden. Kommt es durch die Züchtung zu Verhaltensstörungen wie Aggressivität oder Angststörungen werden die Tiere oft euthanasiert oder abgegeben. Die sogenannten Nutztiere wie Kühe, Hühner, Schweine und Puten werden züchterisch auf Höchstleistung getrimmt, um immer mehr Fleisch, Eier und Milch zu produzieren. Da ihr Leben auf Leistung statt auf Langlebigkeit ausgelegt ist, ist ihr früher Tod einkalkuliert. Beispiel: Eine Kuh kann unter normalen Bedingungen 20 Jahre und älter werden. In der Milchproduktion wird sie bereits mit durchschnittlich 5,5 Jahren geschlachtet.

Verbot unvollständig umgesetzt
Wie ist es zu erklären, dass Qualzuchten trotz Verbot noch immer an der Tagesordnung sind? Seit 1986 steht der sogenannte Qualzuchtparagraph 11b im Tierschutzgesetz. Doch trotz einer Revision im Jahre 2013 wurde das Gesetz im Falle der „Heimtiere“ nur unvollständig umgesetzt. Für die sogenannten Nutztiere wurde der Begriff der Qualzucht nie präzisiert. Sogenannte Versuchstiere, die züchterisch für den Einsatz im Tierversuch optimiert werden, sind vom Verbot der Qualzucht gesetzlich sogar ausdrücklich ausgenommen. Dies führt zu einem gewaltigen Vollzugsdefizit und zu immer neuem Tierleid. Seit Langem fordern Tierschutz- und Tierrechtsverbände ein effektives Qualzuchtverbot. 2015 appellierten auch die Delegierten des 27. Tierärztetages an die Bundesregierung, den „Qualzuchtparagraphen“ durch Erlass einer Rechtsverordnung zu konkretisieren sowie die Zuchtziele landwirtschaftlicher Nutztiere zu korrigieren – bisher ohne Erfolg.

Neue Bundesregierung will Qualzucht konkretisieren
„Das gravierende Vollzugsdefizit bei Qualzuchten ist mit dem Staatsziel Tierschutz unvereinbar. Damit Tierärzte Zuchtverbote aussprechen oder eine Zuchtschau untersagen können, brauchen sie endlich eine konkrete gesetzliche Grundlage, um abgesichert zu sein. Im aktuellen Koalitionsvertrag der Ampelparteien heißt es, dass die neue Bundesregierung bestehende Lücken in der Nutztierhaltungsverordnung schließen, das Tierschutzgesetz verbessern und Qualzucht konkretisieren will. Wir nehmen den neuen Landwirtschaftsminister Cem Özdemir beim Wort, dass er die seit Jahrzehnten bestehenden und sich aufgrund der Leistungszucht stetig verschlimmernden Missstände abstellen wird“, fordert die Tierärztin Dr. Stefanie Schindler. Hintergrund für das bisherige Zögern der Politik ist nach Ansicht des Tierrechtsverbandes auch der wirtschaftliche Druck. Denn die Qualzucht von „Haus-, Nutz- oder Versuchstieren“ ist ein Milliardengeschäft.

Konkrete Forderungen an die Politik
Der Bundesverband Menschen für Tierrechte ist aktives Mitglied im neugegründeten Qualzucht-Evidenz Netzwerk (QUEN). In seinem aktuellen Magazin tierrechte beleuchtet er die Qualzucht-Problematik bei „Heim-, Nutz- und Versuchstieren“ in einem Schwerpunkt. Um das millionenfache Tierleid zu beenden, stellt der Tierrechtsverband konkrete Forderungen an die Politik:

  1. Erstellung einer Durchführungsbestimmung sowohl für Heim- als auch für Nutztiere im Sinne des 11b Absatz 4 Tierschutzgesetz
  2. Definition von Qualzuchtmerkmalen, die ein konkretes Zuchtverbot bestimmter Linien begründen
  3. Einbezug von „Versuchstieren“ in das Qualzuchtverbot
  4. Definition des Qualzuchtbegriffes bei „Nutztieren“
  5. Neubewertung der Zuchtziele bei „Nutztieren“
  6. Definition von „Obergrenzen“ beispielsweise bei der Milchleistung, die mit Gesundheit und Lebensfähigkeit der Tiere vereinbar sind
  7. Strategie einer kontrollierten Rückzucht von „Nutztieren“ auf weniger Leistung bei möglichst geringer Belastung der Nachkommen der Zwischenstufen
  8. Aufstockung des Personals bei Veterinärämtern, damit sie geltende gesetzliche Vorschriften überhaupt umsetzen können
  9. Stärkung der Gerichtsbarkeit durch Fortbildung von Richtern und Schaffung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften, die auch den Bereich Tierschutz abdecken sowie die Einführung eines bundesweiten Verbandsklagerechts für Tierschutzverbände
  10. Flankierend: Förderung einer pflanzenbasierten Ernährung und einer tierlosen Landwirtschaft

Alle Informationen zum aktuellen Magazin tierrechte sowie eine Möglichkeit zum Download des Magazins als PDF unter tierrechte.de.

Weitere Informationen:

  • Webseite des Qualzucht-Evidenz Netzwerk (QUEN)
    QUEN bietet Vollzugshilfen für Veterinärämter und Tierschützer wie Rechtsgutachten, einschlägige Urteile, Informationen zu Tierarten und relevanten Merkmalen sowie Möglichkeiten sich zu vernetzen und zu informieren.

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Pressestelle:
Christina Ledermann
Tel.: 05840/99 99 790
Mobil: 0179/450 46 80
E-Mail: ledermann@tierrechte.de

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Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Neue Geschäftsstelle: Severinusstr. 52, 53909 Zülpich
Tel: 02252/830 12 10, Internet: www.tierrechte.de


Der Bundesverband Menschen für Tierrechte setzt sich seit seiner Gründung 1982 auf rechtlicher, politischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene für die Anerkennung elementarer Tierrechte ein und kämpft gegen jeglichen Missbrauch von Tieren. Das langfristige Ziel ist eine grundsätzliche Veränderung des Mensch-Tier-Verhältnisses. Dem Dachverband mit Hauptsitz in Zülpich (früher Aachen) sind Vereine sowie private Fördermitglieder angeschlossen. Seine Stärke liegt im Zusammenwirken von Seriosität, Fachwissen und Lobbyarbeit auf höchster politischer Ebene. Dazu verfolgt der Verband einen Masterplan zum Ausstieg aus dem Tierversuch und eine Agrarwende von der tierischen zur pflanzlichen Eiweißproduktion, um das Ende der „Nutztier“-Haltung zu erreichen. Darüber hinaus ernennt der Verband beispielsweise das „Ersatzverfahren bzw. Replace des Jahres“ sowie das: „Versuchstier des Jahres“, betreibt die Wissenschaftsplattform InVitro+Jobs für eine konsequente Förderung der tierversuchsfreien Forschung und setzt sich mit dem Projekt SATIS für eine humane Ausbildung ein. Weitere Arbeitsschwerpunkte sind die Etablierung der Tierschutz-Verbandsklage, eine tierlose bio-vegane Landwirtschaft sowie die Aufnahme von Tierrechten in die Lehrpläne von Schulen. Der Verband gibt viermal im Jahr das Magazin tierrechte heraus. Neben einem Themenschwerpunkt informiert die Zeitschrift Journalisten, Wissenschaftler, Politiker, Behörden und Verbandsmitglieder über aktuelle Entwicklungen in der politischen Tierrechtsarbeit. Zudem erscheint zweimal monatlich der Tierrechte Newsletter. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte ist seit seiner Gründung als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt. Beiträge und Spenden sind steuerlich absetzbar.

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