Wahlen

Die Wende für Tiere und Klima: Die Positionen der Parteien

Zur Bundestagswahl am 26. September 2021 haben wir die Parteien zu besonders drängenden Tier- und Klimaschutzrelevanten Themen befragt1. Um Ihnen einen Überblick über die Pläne der etablierten Parteien zu geben, haben wir zusätzlich die Wahlprogramme analysiert, zusammengefasst und kommentiert.

Für den Bundesverband ist das zentrale Stichwort der „Systemwechsel“. Für Tiere, Klima und unsere Gesundheit brauchen wir dringend eine Agrar- und Ernährungswende, sowie einen Paradigmenwechsel bezüglich Tierversuche.

Der Ausstieg aus dem Tierversuch ist Programm
Im Rahmen unserer Gemeinschafts-Kampagne „Ausstieg aus dem Tierversuch. JETZT!“ hatten wir Anfang des Jahres alle Kräfte mobilisiert um dem Ausstiegskonzept einen Platz in den Wahlprogrammen der etablierten Parteien zu sichern. Mit Erfolg! Die Erstellung eines Ausstiegsplans findet sich in den finalen Wahlprogrammen der Grünen, der Linke und der SPD wieder. Alle drei Parteien wollen den Tierversuch schnellstmöglich durch innovative tierfreie Methoden ersetzen und dafür die Entwicklung tierversuchsfreier Verfahren fördern. Die Grünen betonen hierbei, auch die Zulassung tierversuchsfreier Verfahren beschleunigen zu wollen und sich für eine retrospektive Bewertung von Tierversuchsvorhaben als Teil der Genehmigungs-Regularien einzusetzen. Die Linke fordert unter anderem noch eine ausnahmslose Genehmigungspflicht aller Tierversuche, zudem die Erarbeitung eines Handbuchs mit einheitlichen Kriterien zur Genehmigung von Versuchen. Tierversuche der Kategorie „schwerst“ und „schwer“ will die Linke sofort verbieten. In den Wahlprogrammen von CDU/CSU und FDP kommen die Themen Tierversuche, Ausstiegsplan oder die Förderung von tierfreien Test- oder Forschungsmethoden überhaupt nicht vor.

Tierschutzrecht stärken
Trotz des Staatsziels Tierschutz und einem umfangreichen Tierschutzrecht schützt unser Rechtsstaat die Tiere nicht zuverlässig. Sowohl bei Gesetzgebung und Kontrolle als auch in der Strafverfolgung gibt es eklatante Defizite. Für die Strafverfolgung von Tierschutzverstößen setzt die SPD sich für mehr Schwerpunktstaatsanwaltschaften ein. Die Grünen wollen unter anderem wirkungsvolle Sanktionen im Strafrecht verankern und den Vollzug effizienter gestalten. Dazu fordern sie, wie auch die Linke, das bundesweite Verbandsklagerecht und die Einführung eine*r unabhängigen Bundestierschutzbeauftragte*n.

Übersichtstabelle der Tierschutz-Themen zur Bundestagswahl 2021

Tierschutz mit Handbremse
Viel Raum für Tiere ist im abgespeckten Wahlprogramm der Sozialdemokraten nicht gegeben. Dies fällt besonders im Vergleich zum vorherigen „Regierungsprogramm“ auf, in dem sich zahlreiche explizite tierschutzrelevante Pläne und Ziele fanden. Die SPD setzt im Bezug auf Tiere in der Landwirtschaft auf „die Verbesserung des Tierwohls“ und betont, dass Tierleid nicht zu rechtfertigen ist, „auch nicht aus wirtschaftlichem Interesse“. Verbesserungen für sogenannte Nutztiere sollen durch eine flächenbezogene Haltungsobergrenze erzielt werden. Im Hinblick auf den Klimawandel will die SPD weg von einer Flächenförderung, hin zu einer „Förderung, die an Kriterien für Klima, Natur- und Umweltschutz und Tierwohl gebunden ist“. Investitionen in Klima-, Umwelt und Artenschutzprogramme sollen die Klimakrise lösen. Ähnlich verhält es sich mit CDU/CSU und FDP: Ökosysteme sollen geschützt, Pestizide reduziert und klimaschonende Produktionsprozesse gefördert werden. Zugeständnisse zu einer echten Agrar- und Ernährungswende sucht man jedoch vergeblich.

Grüne und Linke: Klare Ansagen
Zum Thema Tierschutz und Agrarwende positionieren sich die Grünen und die Linke hingegen sehr deutlich. Eine Anhebung der Tierhaltungsstandards ist selbstverständlich Teil ihrer Programme, aber auch Haltungsobergrenzen gekoppelt an die vorhandene Fläche zählen zu den ersten Schritten. Auch tierquälerische Hochleistungszüchtung, Amputationen, qualvolle Betäubungsmethoden sowie Käfig- und Anbindehaltung wollen Grüne und Linke beenden. Beide Parteien setzen sich für eine EU-Agrarpolitik ein, in der Zahlungen konsequent an öffentliche Leistungen wie Klima-, Umwelt- und Tierschutz gebunden sind. Ziel der Linken ist ein Anstieg des Ökolandbaus bis 2030 auf mindestens 25 Prozent, die Grünen setzen sich sogar 30 Prozent als Marke. Die SPD will zwar ebenso besonders klein-bäuerliche und agrarökologische Betriebe fördern, konkrete Meilensteine benennt sie jedoch nicht.

Grausame Tiertransporte beenden
Beim Thema Tiertransporte geben die Konservativen an, zukünftig Fleisch statt lebenden Tieren zu transportieren zu wollen und bis dahin die Regeln für Lebendtiertransporte zu verschärfen. Konkrete Einschränkungen werden allerdings nicht aufgelistet. Die SPD will den Transport von lebenden Tieren auf acht Stunden begrenzen, während Grüne und Linke eine Begrenzung auf 4 Stunden und ein Verbot für Transporte in Drittstaaten fordern. Während die Grünen und Linken sich für ein Verbot Wildtieren in Zirkussen, dem Handel mit Pelz, Exoten und Wildtieren, dem Verbot von Patenten auf Tieren sowie den Schutz bedrohter Arten einsetzen, wollen CDU/CSU und FDP sogar den Schutzstatus des Wolfes lockern und seine Bejagung vereinfachen.

Ernährungswende im Schleichtempo
Um den Fleischkonsum zu reduzieren, wählen Grüne, Linke und SPD den Weg, besonders bei der öffentlichen Gemeinschaftsverpflegung mehr auf vegetarische Gerichte zu setzen und so die Akzeptanz in der Gesellschaft zu erhöhen. Die Grünen wollen zudem die Entwicklung und Markteinführung pflanzlicher Nahrungsmittel fördern und solche Produkte steuerlich besserstellen. Während Grüne und SPD eine Halbierung des Fleischkonsums als klimarelevante Maßnahme sehen, setzt die Linke auf eine Reduktion um ein Viertel. Ein Fokus auf bio-vegane Landwirtschaft ist bei keiner der etablierten Parteien zu erkennen. Für die FDP sollen die zügige Zulassung von In-vitro-Fleisch und neue Möglichkeiten in der Futterversorgung von Schweinen und Geflügel dazu beitragen, Importe von Eiweißpflanzen zu reduzieren.

Höchste Zeit für einen Paradigmenwechsel
In der Summe legen die Grünen und die Linke – unter den etablierten Parteien – die konkretesten Pläne und Maßnahmen in Sachen Tier- und Klimaschutz vor. Die Grünen widmen der Thematik den meisten Raum, besonders im Hinblick auf pflanzliche Ernährung und Agrarwende. Ihnen folgen die Linken und die SPD, die dem Tierschutz deutlich mehr Raum einräumen als in der Vergangenheit. Im Gegensatz dazu enttäuschen CDU/CSU und FDP. Außer „Tierwohl-Allgemeinplätzen“ enthalten ihre Programme keine überzeugenden Pläne, Maßnahmen und Instrumente, um den Paradigmenwechsel in unserem Umgang mit Tieren, Klima und Umwelt einzuleiten. Ihr wirtschaftsfreundlicher Kurs macht sie eher zu Bremsern in diesem Prozess. Es ist zu hoffen, dass sich die Wähler:innen für den dringend benötigten Wandel aussprechen. Die Zeit ist reif für einen echten Wandel im Umgang mit unseren Mitgeschöpfen und unserer Umwelt und wir hoffen, dass der Mut dieser Parteien belohnt wird und so die dringend benötigte Wende eingeleitet werden kann.

Die detaillierten Antworten der Parteien auf die Wahlprüfsteine finden Sie hier.

Zur Bundestagswahl haben wir die Parteien zudem zu besonders drängenden tier- und klimaschutzrelevanten Themen befragt. Mehr dazu lesen Sie hier.

1) CDU/CSU und FDP haben unsere Wahlprüfsteine bisher nicht beantwortet. Sobald die Antworten vorliegen, aktualisieren wir die Übersichten.