Haustiere Qualzucht: Tierleid für Forschung, Profit und Eitelkeit

Qualzucht bei “Haustieren”: Modetrend mit Leidenspotenzial 

Offiziell verbieten das Tierschutzgesetz und das Europäische Übereinkommen zum Schutz von Heimtieren Qualzuchten. Dennoch finden sich qualgezüchtete Tiere unter fast allen sogenannten Haus- und Heimtieren. Oft werden sie so gezüchtet, dass sie bestimmten Modetrends entsprechen – und leiden dafür ein Leben lang.

Die Liste von Qualzuchtmerkmalen bei sogenannten Haustieren ist lang. Besonders prominente Beispiele sind die französische Bulldogge und der Mops. Mit ihren niedlichen runden Gesichtern, ihren flachen Nasen und den Kulleraugen erfüllen sie alle Kindchenschema-Eigenschaften. Doch diese haben zur Reduktion des Gesichtsschädels vor allem im Bereich von Nase und Unterkiefer geführt. Von den französischen Bulldoggen leidet deswegen mehr als die Hälfte an Atemnot, an Augen- und Ohrenproblemen und an Hautinfektionen. Beim Mops führt dies zu Deformationen an den oberen Atemwegen, Gebiss, Mittelohr und am Gehirn. Derartig deformierte Tiere haben verkleinerte schlecht belüftete Nasenmuscheln. 

Herzattacken und Erstickungsanfälle
Betroffene Möpse können die Wärme im Sommer nicht regulieren, wodurch sie leicht kollabieren. Über die Jahre verändert sich das Gewebe in Rachen und Kehlkopf und behindert zunehmend die Atmung bis hin zu Erstickungsanfällen. Außerdem kommt es zu Augenschäden und Herzattacken. Eine Qualzucht muss jedoch nicht immer mit einer deutlich sichtbaren Gesichtsschädeldeformation verbunden sein. Der Norwich Terrier beispielsweise leidet an Atemproblemen durch zu enge Nasenlöcher, verlängerte Gaumensegel und vergrößerten Gaumenmandeln. 

Britisch Kurzhaar-Katzen leiden häufig unter Atemnot, Angstzuständen und Entzündungen

Atemnot und Angstzustände
Bei Katzen sind derartige Qualzuchtmerkmale beispielsweise bei der Perserkatze, bei der British Kurzhaar sowie der Unterrasse British Langhaar zu finden. Schon der Geburtsvorgang ist aufgrund des vergrößerten Kopfes qualvoll. Ohne menschliche Hilfe würden Muttertier und Nachkommen bei der Geburt sterben. Später kann es bei diesen Rassen je nach Ausprägung zu Atembeschwerden, Atemnot oder Maulatmung kommen. Weitere Symptome sind Angstzustände, Haut- und Hornhautentzündungen und Schlafstörungen. 

Merle-Faktor: Taub, blind und verhaltensgestört
Ein weiteres häufiges Qualzuchtmerkmal ist der sogenannte Merle-Faktor. Das Zuchtziel ist eine blaugraue Farbaufhellung. Das Zuchtziel ist eine blaugraue Farbaufhellung. Allein davon sind 13 Hunderassen betroffen, unter ihnen die Modehunde Australian Shepherd, Collie oder Border Collie. Die harmlos klingende genetische Mutation betrifft neben der Fellfarbe auch die Regenbogenhaut im Auge. Bei reinerbiger Weitergabe dieser Gene kann es zu Fehlbildungen des Innenohrs mit Taubheit oder zur Erblindung kommen. Diese können mit Behinderungen oder Verhaltensstörungen wie Aggressivität oder Angststörungen einhergehen. So geschädigte Tiere werden oft euthanasiert oder abgegeben, was wiederum zu einer Überlastung der Tierheime führt. 

Extreme Zuchtform: Albinismus
Eine andere extreme Zuchtform ist der sogenannte Albinismus. Dabei soll ein reduziertes oder fehlendes Pigment zu einer Aufhellung des Felles und der Iris führen. Besonders bei kurz- oder unbehaarten Tieren kann dieses Zuchtmerkmal zu Hautentzündungen, Allergien, Problemen bei der Wärmeregulierung und Sonnenbrand bis hin zu bösartigem Hautkrebs führen. Dies ist häufig bei sogenannten Point-Katzen, aber auch bei Siam- oder Zuchtvarianten der Türkischen Angorakatze der Fall. Bei den letzteren kommt es zudem zu Sehschwächen, Taubheit, Gleichgewichtsproblemen und Zahnanomalien. 

Lang- oder Krüppelohren gefällig?
Weitere typische Qualzuchtmerkmale sind Langohrigkeit sowie ein kurzer oder komplett fehlender Schwanz bei Hund oder Katze. Langohrige Hunde wie der Basset können unter Ohrenentzündungen und einem ständigen Ausrollen des Unterlids leiden, was zu Augenentzündungen führt. Ein zu kurzer oder fehlender Schwanz („rumpy“ cat), kann Stuhl- und Harninkontinenz hervorrufen. Verkrüppelte Ohren bei Katzen, wie sie beispielsweise bei der Rasse Scottish Fold vorliegen, können zu Schäden an Knochen und Gelenken sowie zu Schmerzen und zu Kommunikationsproblemen mit Artgenossen führen. 

Falten und Knickschwanz
Bei “Faltenhunden“, wie dem Shar Pei, führt die überflüssige Haut zu Hautrötungen und Juckreiz. Da die Hautfalten oft über den Augen hängen, kann dies zudem zu Augenproblemen, im schlimmsten Fall zu Erblindung führen. Ein weiteres häufiges Qualzuchtmerkmal ist eine verkrüppelte Wirbelsäule, die Stummelschwänzigkeit oder eine Deformation des Schwanzes (Korkenzieherschwanz, Knickschwanz) bedingt. Diese kommt unter anderem bei englischen und französischen Bulldoggen, Mops, Dackel, Bobtail, Cocker Spaniels und Rottweilern vor. Aufgrund der Vielzahl der Qualzuchtmerkmale bei Hunden und Katzen können in diesem Artikel nicht alle angesprochen werden. Weitere typische Beispiele sind Zwergwuchs, Hüftdysplasie bei Schäferhunden und anderen Rassen, Dermoidzysten (Hauteinstülpungen am Rücken) bei Rhodesian Ridgebacks sowie Haarlosigkeit bei Schopf- und Nackthunden. 

Haarloses Leid
Auch bei Maus und Ratte sind haarlose Zuchtvarianten beliebt. Dies macht sie jedoch extrem empfindlich für Verletzungen und Sonneneinstrahlung. Ohne schützendes Fell fehlt den Tieren die Möglichkeit zur Wärmeregulation. Die Vergesellschaftung mit normalen Farbratten ist wegen der großen Verletzungsgefahr zudem fast unmöglich. Dies führt dazu, dass die Rudeltiere einzeln gehalten werden, obwohl dies nicht artgerecht ist. 

Sogenannter Farbzwerg mit Kugelkopf, der zu starken Zahnproblemen führt

Hörbehinderte Kaninchen
Auch Kaninchen sind von Qualzucht betroffen. Rassen, wie englische Schecken und deutsche Riesenschecken, leiden häufig unter schweren Darmstörungen mit geringer Lebenserwartung. Widderkaninchen mit ihren langgezüchteten Ohren haben verengte oder abgeknickte Gehörgänge, wodurch sie hörbehindert sind. Ohrschmalzdrüsen-Sekrete können nicht nach außen wandern, die Tiere sind für eitrige Gehörgangentzündungen prädestiniert. Der stark verkürzte Schädel von Zwergkaninchen ist für das Auftreten schwerer Zahnprobleme verantwortlich. Ober- oder Unterkiefer ist gegenüber dem anderen verkürzt, wodurch kein ausreichender Abrieb der Schneidezähne möglich ist. Kugelköpfige Tiere leiden zudem häufig unter Tränenabflussstörungen. 

Schädeldefekte bei Enten

Bei fast 40 Prozent der Haubenenten kommt es zu Schädelbeschädigungen

Auch Vögel sind von Qualzucht nicht ausgenommen. Beispiel: Die große Federhaube der Haubenenten ist mit Schädeldefekten verbunden. Teilweise gibt es offene Knochenspalten zwischen den Schädelknochen. Dies kann zu Verwachsungen der Hirnhäute, einer Verdrängung des Gehirns und Störungen des zentralen Nervensystems kommen. Eine Dissertation belegt, dass bei Haubenenten-Nachzuchten die charakteristische Federhaube häufig in Zusammenhang mit schwerwiegenden Schädel- und Gehirnveränderungen steht. Ein Landkreis in Hessen hatte 2002 ein Zuchtverbot ausgesprochen. Der Züchter klagte in mehreren Instanzen dagegen und bekam 2009 Recht vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die Begründung war unter anderem, dass die Schädigungen auch andere Ursachen haben könnten. 

Fische: Blasenaugen und Löwenköpfe
Auch Fische werden Opfer von Qualzucht. Beispiele sind fehlende Rückenflossen bei Goldfischen, wodurch sich die Tiere nur noch schaukelnd fortbewegen können sowie Veränderungen an den Fortpflanzungsorganen, die die Tiere steril machen. Da Fische Schmerzen und Leiden nicht durch Lautäußerung kundtun können, ist in der Fachwelt zwar umstritten, ob es sich in diesen Fällen um Qualzuchten handelt. Unstrittig ist jedoch, dass Blasenaugen bei Goldfischen mit eingeschränktem oder verändertem Sichtfeld eine Qualzucht darstellen. Auch die sogenannten „Löwenköpfe“ mit Gewebewucherungen über den Augen gehören eindeutig dazu. Die Sehfähigkeit kann hier häufig nur durch einen Eingriff wiederhergestellt werden. 

Nervenschäden bei Reptilien
Da besondere Farbausprägungen auch bei Reptilien gefragt sind, wird auch bei ihnen der Albinismus hineingezüchtet. Die aus der hellen Hautfarbe resultierende Überempfindlichkeit auf UV-Strahlen, kann zu lebensgefährlichen Verbrennungen und Tumoren bei tagaktiven und sonnenliebenden Echsen führen. Bei Leopardengeckos und Königspythons kann die Züchtung auf bestimmte Farbformen zu neurologischen Anomalien führen. Eine weitere Qualzucht bei Reptilien betrifft die Zucht auf Veränderungen des Schuppenkleids oder sogar die Schuppenlosigkeit. Darunter leiden die betroffenen Tiere gleich mehrfach: Sie sind einerseits schutzlos der UV-Strahlung ausgesetzt, andererseits schränkt dies ihr arttypisches Verhalten bei der innerartlichen Kommunikation und der Verteidigung ein.


Weitere Informationen: Was fällt unter Qualzucht? 

Folgende Kriterien erfüllen u.a. die Merkmale einer Qualzucht (nach Paragraf 11b Absatz 1 Tierschutzgesetz (TierSchG)): 

 – Die Zucht mit Wirbeltieren ist verboten, wenn bei den Tieren oder ihren Nachkommen Körperteile oder Organe fehlen, sie untauglich sind oder umgestaltet wurden und dadurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten. Auch der frühzeitige Tod gilt als Schaden. 

– Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass in der Folge der Zucht Qualzucht entsteht; entsprechende Erkenntnisse sind wissenschaftlich fundiert. 

– Den Züchterkreisen sind diese Erkenntnisse bekannt, beziehungsweise diese Kenntnisse können erwartet werden. 

Zusatz: Artikel 5 des Europäischen Übereinkommens zum Schutz von Heimtieren von 1987 besagt, dass bei der Zucht von Heimtieren darauf geachtet werden sollte, die körperliche und geistige Gesundheit der Nachkommen und der weiblichen Eltern nicht zu gefährden. Bei der Zuchtexemplar-Auswahl soll die Übertragung von Verhaltensmustern wie abnormale Aggressivität und erbliche Defekte vermieden werden.