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09. Juli 2021: Tierversuche: EU-Abgeordnete fordern Ausstiegsplan

In der gestrigen Plenarsitzung des EU-Parlaments debattierten die Abgeordneten über Pläne und Maßnahmen, um den Einsatz von Tieren in Forschung, Ausbildung und im Bereich der gesetzlich vorgeschriebenen Tierversuche zu beenden. Es bestand fraktionsübergreifend Einigkeit, dass mehr getan werden muss, um das in der EU-Richtlinie 63/2010 letztendlich festgelegte Ziel – den Ausstieg aus dem Tierversuch – zu erreichen. Die Abgeordneten forderten einen Aktionsplan, um diesen bereits im Jahre 2010 geforderten Paradigmenwechsel in Richtung einer tierversuchsfreien Wissenschaft einzuleiten.

Die EU-Abgeordneten hatten die EU-Kommission parteiübergreifend aufgefordert, zu erklären, wie sie konkret ihrer Zusage nachkommen will, den Einsatz von Tieren im Versuch zu reduzieren und eine Perspektive für deren kompletten Ersatz zu entwickeln. EU-Kommissarin Adina Ioana Vălean sagte in ihrem Eingangsstatement, Tiere hätten einen (von Nützlichkeitserwägungen unabhängigen) Eigenwert. Die EU-Kommission sei überzeugt, dass Versuche mit Tieren in Europa auslaufen müssten, Alle nationalen Gesetzgebungen mit sämtlichen untergeordneten Sektoren, seien es die Prüfungen von Chemikalien, Pharmazeutika, Lebensmitteln, etc., hätten sich dem Ersatz von Tierversuchen zu verpflichten. Bei Kosmetika sei der entsprechende Durchbruch bereits gelungen.

Taskforce soll Ausstiegsplan erarbeiten
Die Abgeordneten waren sich einig, dass die EU im Hinblick auf dieses Ziel zu langsam vorankäme und forderten einen koordinierten Aktionsplan. Dazu müsse eine hochrangige Taskforce eingerichtet werden, die gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und den relevanten Stakeholdern einen EU-weiten Plan zu einem schrittweisen Ausstieg ausarbeitet. Die EU-Kommission will ihre weitere Vorgehensweise offiziell im September festlegen.

Bisherige Maßnahmen reichen nicht aus
„Wir begrüßen das klare Bekenntnis der Kommission für eine tierversuchsfreie Zukunft. Die Debatte hat jedoch deutlich gezeigt, dass die bisherigen, eher passiven Maßnahmen zur Förderung der tierversuchsfreien Forschung nicht ausreichen, um dieses Ziel zu erreichen. Was wir brauchen, ist eine umfassende Gesamtstrategie, die Maßnahmen, feste Zielvorgaben, Fristen und Verantwortlichkeiten festlegt. Wir erwarten, dass der für September angekündigte Fahrplan der EU-Kommission, endlich den Weg in eine tierversuchsfreie Zukunft ebnet“, sagt Christina Ledermann, Vorsitzende des Bundesverbandes Menschen für Tierrechte.

Tierversuche: Fast drei Viertel der EU-Bürger fordern Abschaffung
Einer aktuellen repräsentativen EU-weiten Umfrage zufolge sprechen sich fast drei Viertel der EU-Bürger für verbindliche Ziele und Fristen für die Abschaffung von Tierversuchen aus (1). 66 Prozent fordern sogar, dass die EU sofort alle Tierversuche beenden sollte. Darüber hinaus sind 70 Prozent der Erwachsenen in der EU der Meinung, dass der vollständige Ersatz von Tierversuchen durch tierversuchsfreie Methoden Priorität haben sollte.

Starkes Bündnis für einen EU-weiten Ausstiegsplan
Fünf Tierschutzbündnisse – bestehend aus der Eurogroup for Animals, der European Coalition to End Animal Experiments (ECEAE), Cruelty Free Europe, Humane Society International/Europe und PETA, unterstützen einen EU-weiten Ausstiegsplan aus dem Tierversuch. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte ist als Mitglied der ersten beiden Organisationen Teil dieses EU-weiten Bündnisses.

Kommentare EU-Abgeordneten zum Thema:

Katalin Cseh, Renew „Tierversuche sind langsam, ineffizient und verursachen immenses Leid. Das hat in der Wissenschaft des 21. Jahrhunderts keinen Platz. Die EU schneidet traditionell besser ab als der Rest der Welt, aber selbst hier sind die Fortschritte zu langsam. Wir brauchen einen glaubwürdiger Plan ‒ einen Plan mit Maßnahmen, Zielvorgaben und einem verbindlichen, ehrgeizigen Zeitplan. Wir müssen tierversuchsfreie Alternativen fördern und finanzieren. Das fordern wir von der Europäischen Kommission.“

Tilly Metz, Grüne „Die EU-Bürger haben schon zu oft ihre Forderung nach einer tierfreien Wissenschaft geäußert, aber die EU-Investitionen sind zu gering und zu verstreut, um Wirkung zu zeigen. Die Kommission muss eine hochrangige dienststellenübergreifende Taskforce einrichten, die mit den Mitgliedstaaten und relevanten Interessenträgern zusammenarbeitet, um einen EU-weiten Aktionsplan zu erstellen, der einen effizienten Ausstieg aus der Verwendung von Tieren zu wissenschaftlichen Zwecken bewirken kann.“

Anja Hazekamp, GUE/NGL „Wissenschaftlicher Wandel braucht wie jeder von uns angestrebte Wandel eine politische Strategie. Die EU hat Strategien für den Klimawandel, die Gleichstellung der Geschlechter und sogar für Forschung und Innovation. Aber sie geht noch nicht auf die wissenschaftlichen und ethischen Probleme ein, die Tierversuche seit Jahrzehnten mit sich bringen. Ein EU-Aktionsplan zur Beschleunigung des Übergangs zur tierfreien Wissenschaft kann das ändern.“

Jytte Guteland, S&D „Die heutige Wissenschaftslandschaft ist nicht mehr dieselbe wie vor 50 Jahren. Heute verfügen wir über das Wissen und die Technologie, um eine humanrelevante Wissenschaft zu etablieren, in der der Tierversuch nicht mehr der Goldstandard sind. Um dorthin zu gelangen, muss die Kommission jedoch eine Reihe von Schritten und Zielen festlegen, um den Ersatz von Tieren in bestimmten Bereichen zu erreichen.“

Michal Wiezik, EVP „Wir fordern von der Kommission, mehr von dem zu tun, was sie bereits tut, aber koordiniert und mit konkreten Zielvorgaben, um Tiere in bestimmten wissenschaftlichen Bereichen ersetzen zu können. Gezielte Finanzierung, Bildung und breite Kooperationen sind der Schlüssel, um innovative fortschrittliche Modelle und Technologien zur neuen Normalität zu machen.“

Hier können Sie das Statement von EU-Kommissarin Adina Ioana Vălean ansehen: multimedia.europarl.europa.eu

(1) In der von Savanta ComRes im Juni 2020 repräsentativen durchgeführten Umfrage stimmten 72% der Befragten in 12 EU-Ländern zu, dass die EU verbindliche Ziele und Fristen für die Abschaffung von Tierversuchen festlegen sollte. 76% der Erwachsenen in EU-Ländern wünschen, dass Tierversuche für Haushaltsreinigungsprodukte in Europa verboten werden sollten. 74% sprechen sich dafür aus, dass Tierversuche für Kosmetika und Inhaltsstoffe inakzeptabel sind. 66% stimmen zu, dass die EU sofort alle Tierversuche beenden sollte.

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Pressestelle:
Christina Ledermann
Tel.: 05840/99 99 790
Mobil: 0179/450 46 80
E-Mail: ledermann@tierrechte.de

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Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Neue Geschäftsstelle: Severinusstr. 52, 53909 Zülpich
Tel: 02252/830 12 10, Internet: www.tierrechte.de


Der Bundesverband Menschen für Tierrechte setzt sich seit seiner Gründung 1982 auf rechtlicher, politischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene für die Anerkennung elementarer Tierrechte ein und kämpft gegen jeglichen Missbrauch von Tieren. Das langfristige Ziel ist eine grundsätzliche Veränderung des Mensch-Tier-Verhältnisses. Dem Dachverband mit Hauptsitz in Zülpich (früher Aachen) sind Vereine sowie private Fördermitglieder angeschlossen. Seine Stärke liegt im Zusammenwirken von Seriosität, Fachwissen und Lobbyarbeit auf höchster politischer Ebene. Dazu verfolgt der Verband einen Masterplan zum Ausstieg aus dem Tierversuch und eine Agrarwende von der tierischen zur pflanzlichen Eiweißproduktion, um das Ende der „Nutztier“-Haltung zu erreichen. Darüber hinaus ernennt der Verband beispielsweise das „Ersatzverfahren bzw. Replace des Jahres“ sowie das: „Versuchstier des Jahres“, betreibt die Wissenschaftsplattform InVitro+Jobs für eine konsequente Förderung der tierversuchsfreien Forschung und setzt sich mit dem Projekt SATIS für eine humane Ausbildung ein. Weitere Arbeitsschwerpunkte sind die Etablierung der Tierschutz-Verbandsklage, eine tierlose bio-vegane Landwirtschaft sowie die Aufnahme von Tierrechten in die Lehrpläne von Schulen. Der Verband gibt viermal im Jahr das Magazin tierrechte heraus. Neben einem Themenschwerpunkt informiert die Zeitschrift Journalisten, Wissenschaftler, Politiker, Behörden und Verbandsmitglieder über aktuelle Entwicklungen in der politischen Tierrechtsarbeit. Zudem erscheint zweimal monatlich der Tierrechte Newsletter. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte ist seit seiner Gründung als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt. Beiträge und Spenden sind steuerlich absetzbar.

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