Die gelernte Landwirtin Sarah Heiligtag betreibt seit 2013 den veganen Hof „Narr“ nahe Zürich, auf dem circa 100 ehemalige „Nutztiere“ ein Zuhause gefunden haben. Aber Sahra Heiligtag leistet noch mehr: Sie berät Landwirte in der Schweiz beim Ausstieg aus der Tierhaltung.
Auch in der Schweiz täuscht der Eindruck der ländlichen Idylle mit zufriedenen Kühen und Kälber auf den Weiden. Denn auch hier überträgt sich der immense Druck auf die Produzenten auf direktem Weg auf die Tiere. Gerade die junge Generation der Landwirte, die noch „Milchkühe“, „Masthühner“ oder sogenannte Legehennen hält, möchte es anders machen. Sie wenden sich an Sarah Heiligtag, die nicht nur gelernte Landwirtin ist, sondern auch studierte Philosophin.
Viele zweifeln seit Langem
Es sind nicht in erster Linie ökonomisch begründete Interessen, die die Fragesteller umtreiben, berichtet Heiligtag. Es sind die Zweifel, die sie teilweise seit langem beschäftigen: Ob das alles „wirklich sein muss“ wie man es ihnen ihr gesamtes Leben lang erzählt hat: die Schlachtungen, die künstlichen Besamungen, die Trennung der Kälber von ihren Müttern. Die LandwirtInnen erhoffen sich von Sahra Heiligtag Hilfe bei der Erfüllung ihres Wunsches, darauf zu verzichten und trotzdem ökonomisch wirtschaften zu können.
Begriff des Landwirts neu definieren
„Hier geht es nicht darum, Tiere zu vermenschlichen. Es geht darum, eine Landwirtschaft zu schaffen, die Mensch, Tier und Umwelt gleichermaßen guttut,“ erklärt Heiligtag. Dies könnte einen Paradigmenwechsel einleiten und den Begriff des Landwirtes neu definieren. Nicht alle sähen das gerne. Die Änderungswilligen würden teilweise wie „Abtrünnige“ behandelt und einzelne sogar angefeindet. Aber am Ende des Tages sei jeder selbst für seine eigene Gesundheit und die seiner Familie sowie für eine wirklich nachhaltige Bewirtschaftung seines Hofes verantwortlich.
Vorhandenes Potenzial erkennen
Doch wie geht Sahra Heiligtag vor? “Wenn ein Landwirt oder eine Landwirtin mich kontaktiert, höre ich mir zunächst ihre Motivation an, mache Notizen und dann fahre ich so schnell es geht auf den Hof, um den Ort und die Menschen zu sehen. Dort erkenne ich dann schnell das vorhandene Potenzial, die Talente und Wünsche. Im Anschluss an ein langes Gespräch schicke ich ihnen eine Liste mit Eckpfeilern Richtung Lebenshof und dann packen wir das zusammen an“, berichtet Heiligtag.
Nachzucht beenden
Sofort ändern könne man die Zucht, sagt Heiligtag. Keine neuen Besamungen oder Bestellungen bedeute keine neuen Geburten. Dann müsse man das Laufende zum Abschluss bringen, in dem man beispielsweise die Kühe ausmelke und die vorhandenen Tiere gut unterbringe. So könne innerhalb von ein paar Monaten von einem konventionellen Produktionsbetrieb auf einen Lebenshof umgestellt werden.
Soziale Herausforderung
Grundsätzlich müsse entschieden werden, ob es ein Hof mit oder ohne Lebenshoftieren sein soll. Sind entsprechende Umbauten zur artgerechten Haltung nötig? Wenn größere Investitionen für neue Produktionsformen notwendig seien, dann brauche die Umstellung mehr zeitlichen Vorlauf. Sie habe aber die Erfahrung gemacht, dass sich die Umstellung finanziell immer stemmen ließe. Vorhandene Äcker können so schnell wie möglich für die menschliche Ernährung genutzt werden. Auf die Frage, welche Probleme besonders häufig vorkommen entgegnet Heiligtag, typische Probleme lägen im sozialen Umfeld. Es könne eine Herausforderung sein, wenn unterschiedliche Anschauungen aufeinanderprallten, beispielsweise zwischen Vater und Sohn, unter Berufskollegen oder einfach im Rahmen des Dorfklatschs.
Nahrungsanbau ersetzt Tierproduktion
Auf unseren Einwand, dass es jedoch keine Lösung sei, wenn jetzt alle Landwirte auf Lebenshof umstellen, entgegnet die Landwirtin: „Die Umstellung auf das Lebenshof-Konzept beinhaltet einen produzierenden landwirtschaftlichen Teil des Hofes. Es wird also konkret Nahrung angebaut und damit die Tierproduktion ersetzt. Und weil die bio–vegane Landwirtschaft so zukunftsfähig wie keine andere ist, liegt genau darin die Lösung vieler unserer heutigen ethischen, ökologischen und klimarelevanten Probleme.“