Pierre Zocher arbeitete seit der Lehre in der Milchwirtschaft. Doch im letzten Jahr entschied er sich zum Ausstieg und wandelte seinen Hof in einen Lebenshof für Kühe um. Der Bundesverband sprach mit dem jungen Landwirt darüber, wie sich sein Verhältnis zu den Tieren seitdem verändert hat, wie die anderen Landwirte darüber denken und was er sich für seine (und andere) Tiere wünscht.
tierrechte: Pierre, gab es einen bestimmten Moment, an dem du dachtest, dass es andere Wege geben muss, als Kühen bis zu 50 Liter Milch am Tag abzutrotzen und die männlichen Kälber quasi als Abfallprodukt in die Mast zu geben?
Bis ich meine jetzige Lebensgefährtin Irina kennenlernte war das normal für mich und ich habe mich meinem inzwischen 79-jährigen Arbeitgeber nicht widersetzt. Wir haben viele Jahre gut mit den Tieren gearbeitet, auch wenn mir das ein oder andere nicht gefiel. Natürlich habe ich mich aufgelehnt, wenn er die Katzenwelpen der Stallkatzen mit der Schaufel erschlug. Erst mit Irina gelang es mir aber, richtig über den Tellerrand zu schauen. Mir wurde immer klarer, dass es so nicht weitergeht.
tierrechte: Hat der Entschluss, die Milchwirtschaft aufzugeben und den Hof in einen Lebenshof für Kühe umzuwandeln, dein Verhältnis zu den Tieren verändert?
Ja, das Verhältnis hat sich völlig verändert. Da wir die Kühe nun wie unsere Kinder behandeln, tanzen sie mir auf der Nase rum (lacht). Sie sind mir nach wie vor vertraut, aber die Freiheit lässt ihre Lebensfreude ungezügelter werden. Es macht mir eine riesige Freude, diese Wesensveränderung zu erleben. Wenn wir abends unseren zufrieden mümmelnden Kühen zuschauen, ist das ein kleines Stück heile Welt. Die Kälber wurden im vergangenen Jahr draußen auf den Weiden bei ihrer Herde groß. Sie wissen zwar, dass ich als Futtermeister irgendwie dazugehöre, aber sie lassen sich nicht bändigen. Früher haben wir sie durch die Haltung in Kälberboxen und durch die frühe Abnabelung von den Müttern sehr schnell gerbrochen. Das wird mir jetzt sehr deutlich bewusst.
tierrechte: Wie war die Resonanz auf eure Entscheidung? Da wird es sicher Unterschiede geben vom alternativen Städter bis zum Bauern nebenan.
Von den Bauern nebenan kommen Aussagen wie „Berufstand gefährden“, „Tiere vermenschlichen“ und „keiner ehrlichen Arbeit nachgehen“. Da ist man schnell bei einer Grundsatzdiskussion über „Nutztierhaltung“. Weil viele Menschen aber durch die Berichte über die skandalösen Zustände in der Tierhaltung mittlerweile sensibilisiert sind, fanden sich schnell Unterstützer, die für das große Tierleid nicht mehr mitverantwortlich sein wollten. Besonders gut kommt es an, dass die Menschen unsere Kühe besuchen können.
tierrechte: Wäre das eventuell auch ein Weg für andere Landwirte?
Es ist auf jeden Fall ein mutiger Weg und es wäre absolut wünschenswert, dass auch andere Bauern umstellen. Aber das wird nur funktionieren, wenn man seine Tiere aufrichtig liebt. Da dies nicht immer der Fall ist, haben wir momentan Bedenken, dass Lebenshöfe als lukratives Geschäftsmodell entdeckt werden. Schlimmstenfalls bliebe das Leid der Tiere dann hinter geschlossenen Türen das Gleiche.
tierrechte: Was wünscht ihr für euch und eure Tiere?
Kühe atmen und genießen, ein „Nutztier“ als Lebewesen begreifen und dies vielen Menschen nahebringen. Außerdem wollen wir uns mehr Zeit für jedes einzelne Tier nehmen. Denn sie geben uns unwahrscheinlich viel. Wir sind innerlich zufriedener, auch ohne den Komfort und den vielen unnützen Dingen der heutigen Konsumgesellschaft. Gleichzeitig arbeiten wir an uns selbst, hinterfragen unsere eigene Ernährung und sind dabei, sie umzustellen.
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