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Tier- und Artenschutzverbände kritisieren Affenhaus-Neubaupläne des Krefelder Zoos

Elf Tier- und Artenschutzverbände kritisieren Affenhaus-Neubaupläne des Krefelder Zoos in gemeinsamer Stellungnahme scharf

Verbände gegen neues Affengefängnis: Bereits kurz nach dem Brand des Krefelder Affenhauses in der Silvesternacht 2019/20 gaben die Verantwortlichen des Zoos Krefeld bekannt, ein neues Primatenhaus zu bauen. Die Kosten für die Gehege, in denen bis zu 40 Menschenaffen und weitere Tierarten zur Schau gestellt werden sollen, werden bislang auf mindestens 20 Millionen Euro angesetzt. Der Beschluss des Krefelder Zoos, weiterhin Menschenaffen zu halten, wird von elf Tier- und Naturschutzverbänden in einer gemeinsamen Stellungnahme als gravierende Fehlentscheidung für den Tier- und Artenschutz kritisiert.

„In Zoos eingesperrte Menschenaffen begreifen, dass sie in einer ausweglosen Situation stecken, und zerbrechen daran. Verhaltensstörungen in Zoos sind allgegenwärtig, was darauf hindeutet, dass die Gefangenschaft an sich für die kognitiv hoch entwickelten Tiere belastend ist – und nicht etwa die jeweiligen Haltungsbedingungen ausschlaggebend für ihr Leid sind“, so Biologin Dr. Yvonne Würz, Fachreferentin für Tiere in der Unterhaltungsindustrie bei PETA Deutschland e.V.

Artgerechte Haltung von Menschenaffen in Gefangenschaft unmöglich
Die unterzeichnenden Verbände weisen darauf hin, dass Menschenaffen trotz intensiver Bemühungen in Gefangenschaft Verhaltensstörungen entwickeln, die psychischen Erkrankungen bei Menschen gleichen. Diese sind durch wissenschaftliche Studien vielfach belegt [1-3] und wurden auch in zahlreichen deutschen Zoos dokumentiert. So wurden bei einer großangelegten Beobachtung der Großen Menschenaffen in deutschen Zoos bei jedem zweiten Tier augenfällige Symptome von Verhaltensstörungen wie Bewegungsstereotypien, Agitiertheiten, Essstörungen, Hyperaggressivität, Selbstmutilation, Angststörungen oder Apathie dokumentiert [4]. Zum Teil verabreichen Zoos den Tieren sogar Psychopharmaka, damit sie die lebenslange Gefangenschaft überhaupt ertragen [5].

Verbände fordern Artenschutzmaßnahme im natürlichen Lebensraum
Deutsche Zoos haben bisher keinen einzigen Menschenaffen ausgewildert, da die Tiere Verhaltensweisen, die für ein Überleben in der Natur unverzichtbar sind, in Gefangenschaft nicht oder nur schwer erlernen. Hinzu kommt, dass in ihren Heimatländern bereits mehrere Hundert rehabilitierte Menschenaffen in Auffangstationen auf Wiederauswilderung warten. Trotzdem investieren zoologische Einrichtungen Millionen Euro an Steuergeldern in teure Nachzuchtprogramme und kostenintensive Bauprojekte. Durch Maßnahmen zum Erhalt des natürlichen Lebensraums der Tiere könnten weitaus mehr Menschenaffen geschützt werden, als das in Zoos je möglich sein wird.

„Eine zweistellige Millionensumme zu investieren, ist unverantwortliche Verschwendung. Mit finanziellen Mitteln in solcher Höhe könnten im natürlichen Lebensraum der Menschenaffen in Asien und Afrika riesige Gebiete unter Schutz gestellt werden, was gleichzeitig einer Vielzahl an Tier- und Pflanzenarten zugutekäme. Das zur Schau stellen der Tiere in Krefeld trägt garantiert nicht zum Artenschutz bei“, kritisiert Undine Kurth, Vizepräsidentin des Deutschen Naturschutzrings.

Menschenaffenhaltungen abbauen statt neu bauen
Die Verbände betonen zudem, dass der Plan, weiterhin Menschenaffen zu halten, wissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert. Noch dazu missachtet das Vorhaben die schwindende gesellschaftliche Akzeptanz dafür, Tiere zu Unterhaltungszwecken einzusperren. Laut einer von PETA Deutschland e.V. in Auftrag gegebenen INSA-Meinungsumfrage vom April 2020 befürwortet mit 41 Prozent die relative Mehrheit der Befragten ein Ende der Zucht und Haltung von Menschenaffen in deutschen Zoos. Im Schweizer Kanton Basel soll zudem in Kürze über eine Volksinitiative entschieden werden, die Grundrechte für Primaten fordert.

„Ein Neubau in Krefeld würde nicht nur dem Tier- und Artenschutz zuwiderlaufen, sondern auch den aktuellen ethischen Diskurs ignorieren: Die heutige Gesellschaft fordert zunehmend ein, dass Tieren zumindest gewisse Grundrechte zugesprochen werden – angefangen bei unseren nächsten Verwandten im Tierreich, den Menschenaffen. Zoos sollten die Haltungen deshalb auslaufen lassen, anstatt neue Tiergefängnisse zu bauen“, gibt Laura Zodrow, Vorsitzende von animal public e.V., zu bedenken.

Die folgenden Verbände lehnen daher den Bau einer neuen Menschenaffenhaltung im Krefelder Zoo aus ethischen Gründen entschieden ab: animal public e.V., Bund gegen Missbrauch der Tiere e.V., Bundesverband Tierschutz e.V., Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht e. V., Deutscher Naturschutzring e.V., Heinz Sielmann Stiftung, Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V., PETA Deutschland e.V., TASSO e.V., VIER PFOTEN Deutschland, Vogelschutz-Komitee e.V.

[1] Akers, J. & Schildkraut, D. (1985). Regurgitation/Reingestion and coprophagy in captive gorillas. Zoo Biology. ZOO BIOL. 4. 99-109. 10.1002/zoo.1430040203.
[2] Birkett, L.P. & Newton-Fisher, N.E. (2011). How Abnormal Is the Behaviour of Captive, Zoo-Living Chimpanzees? PLoS ONE 6(6): e20101. doi:10.1371/journal.pone.0020101.
[3] Jacobson, S.L. et al. (2016). Characterizing abnormal behavior in a large population of zoo-housed chimpanzees: prevalence and potential influencing factors. PeerJ 4: e2225 https://doi.org/10.7717/peerj.2225
[4] Goldner, C. (2014): Lebenslänglich hinter Gittern, (S. 213-216), Aschaffenburg
[5] SWR Odysso (09.12.2015): Psychopharmaka bei Menschenaffen, https://www.swr.de/wissen/odysso/broadcastcontrib-swr-33484.html