Allgemein Margrits Kolumne

Margrits Kolumne: Therapie-Balkon

In diesem Jahr des Zuhause-Bleibens wird ein Balkon immer wichtiger. Er lässt sich zu einem kleinen Garten ausbauen, Anregungen gibt es genug. Man kann darauf aber auch ein Sandarium bauen. Was das ist? Ein Sandhaufen, der den „Förmchen-Test“ bestanden hat. Er sollte 50×50 cm groß und mindestens 50 cm tief sein. Denn die Wildbienen, für die er bestimmt ist, graben sich Löcher und Röhren, in denen ihre Brut geschützt ist.

„Deutschland summt“ heißt eine bundesweite Initiative, die sogar Urkunden als Anerkennungspreis vergibt. Damit werden bestehende Natur-Balkone gewürdigt, die Insekten und Vögeln in unserer verbauten Welt ein Überleben sichern. Bis zu hundert Arten Insekten wohnen auf einem solchen Therapie-Balkon in Erlangen.

14 Vogelarten hat die Naturfreundin auf ihrem Therapie-Balkon schon gezählt, darunter den selten gewordenen Kernbeißer. Auf den Ästen, die malerisch drapiert wurden, sitzen sogenannte „Ästlinge“, also die Jungvögel, die keine „Nestlinge“ mehr sind, aber noch nicht fliegen können und von den Vogeleltern gefüttert werden. Das hat den Vorteil, dass herausgefallene Ästlinge wieder auf den Ast gesetzt werden können, ohne dass eine Katze sie erwischt.

Futterpflanzen werden angebaut, Erde aus einem Maulwurfshügel geholt, um damit für die nötige Feuchtigkeit zu sorgen. So ein Sandarium ist zwar nur klein, aber viele Sandarien auf vielen Balkonen in vielen Städten retten auch Leben. Es kann sogar zu einer Lebensaufgabe werden, wenn man allein in seiner Wohnung sitzt und virusbedingt nicht zu kleinen oder großen Veranstaltungen gehen kann. Unsere Zeit ist nun mal anders als vor 50 Jahren, als Handtuchgärten an den Reihenhäusern für Steingarten und kurz gehaltene Rasenstücke angelegt wurden.

Schlimm nur, wenn es dem Nachbarn nicht gefällt. Immer noch soll es Leute geben, die die Zeichen der Zeit nicht erkannt haben. Denen eine Ringeltaube auf dem Baum gegenüber auf die Nerven geht. Die mit dem Golfschläger drohen, wenn ein Spatz auf seiner Markise sitzt. Und die Polizei rufen wollen, wenn eine Stadttaube von dem angebotenen Vogelfutter pickt. Da muss man wohl nicht lange überlegen, welche Spezies die Evolution als nächstes verschwinden lassen sollte.

Margrit Vollertsen-Diewerge, © Februar 2021