Allgemein Margrits Kolumne Tierversuche

Margrits Kolumne: Moribundus

Moribundus hieß früher ein im Sterben liegender Mensch, heute bedeutet moribund ein „versuchsspezifisches Symptom“ für ein Versuchstier, das dem Tode nahe ist. Wenn es Glück hat, wird sein Keuchen, seine Lähmungen oder andere typische Symptome erkannt – elendes Leben, elendes Sterben.

Seit den 1980er Jahren gibt es an Unis und an Einrichtungen, die Tierversuche machen, einen m/w/d „Tierschutzbeauftragten“, den „Beauftragten für den Schutz der Tiere“. Er arbeitet nach dem 3R-Prinzip, reduce – weniger Tierversuche, refine – Leiden vermindern, replace – sie ersetzen.

Doch es geht gar nicht mehr darum, die zunehmende Anzahl der Tiere zu reduzieren. Der Tierschutz- (oder sollte man eher sagen, der Tiernutz-?)-beauftragte soll die „Mindestanzahl der Tiere“ ermitteln, die „eine statistisch gesicherte Aussage“ liefert. Er soll dafür sorgen, dass für jeden Versuch die am besten geeignete Tierart eingesetzt wird, dass nur „zweckgezüchtete Tiere“ zum Einsatz kommen und dass jeder Antrag sämtliche Vorschriften erfüllt. Auch die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse bei Haltung und Pflege sollen berücksichtigt werden, außerdem muss jedem Tierversuch eine genaue interne und externe Prüfung vorausgehen. Verhindert werden Tierversuche nicht.

Im Grundgesetz bestimmt Artikel 5 Absatz 3: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“ Doch gerade die beschämende, unsinnige Qual von Tierversuchen, so auch von Primaten zur Hirnforschung in Bändigungsapparaten, waren einer der Gründe dafür, dass es durch Initiative und wesentlichen Einfluss des Rechtsanwalts Dr. Eisenhart von Loeper und eine großartige Bürgerbewegung gelang, in Art. 20 a GG den staatlichen Schutzauftrag für „die Tiere“ zu ergänzen.

Amtlich heißt das:
„Der ethische Tierschutz hat dadurch Verfassungsrang erhalten“. Die gleichartige Leidensfähigkeit zwischen Mensch und dem in „Obhut“ des Menschen befindlichen Tier verlangt nach einem „Quantensprung“. Das Ziel kann nicht sein, Tierversuche erträglicher zu machen oder dafür gezüchtete Tiere einzusetzen. Erst wenn der Beruf des m/w/d -Tierschutzbeauftragten überflüssig wird, wenn sie vor leeren Käfigen stehen, wenn der „Ausstieg! Jetzt!“ vollzogen ist – werden die Tierschutzbeauftragten jubeln dürfen. Denn dann ist das Ziel „ethischer Tierschutz“ erreicht.

© Margrit Vollertsen-Diewerge, Januar 2021