Allgemein Presse/Magazin Pressemitteilungen Tierversuche

09. Dezember: Die Versuchstierzahlen steigen – höchste Zeit für einen Ausstiegsplan

Gestern veröffentlichte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) die Versuchstierzahlen für das Jahr 2019. Die Bilanz ist erschütternd: Die Zahl der leidenden Tiere ist 2019 um mehr als 77.000 auf rund 2.9 Mio. gestiegen. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte übt scharfe Kritik und erneuert seine Forderung an die  Bundesregierung für einen Ausstiegsplan aus dem Tierversuch.

Der Statistik zufolge wurden im Jahr 2019 in der Bundesrepublik 2.202.592 Tiere lebend in Versuchen eingesetzt, über 50.000 davon mehrfach. Dazu kommen 699.756 Tiere, die für wissenschaftliche Zwecke getötet wurden, um ihnen Gewebe oder Organe zu entnehmen. So steht eine Gesamtzahl von rund 2,9 Mio. Tieren im Raum, die im letzten Jahr für die Wissenschaft leiden mussten. Das sind 77.282 mehr als im Vorjahr.

Trend in die falsche Richtung
„Der erneute Anstieg der Zahlen ist auch eine Konsequenz davon, dass die Bundesregierung noch immer kein Konzept für einen Ausstieg aus dem Tierversuch hat. Aufgrund der Coronakrise und der damit verbundenen Impfstoffforschung ist 2020 mit einer noch drastischeren Zunahme der Tierzahlen zu rechnen“, kritisiert Biologin Carolin Spicher, Fachreferentin beim Bundesverband zum Thema Tierversuche. „Trotz zahlreicher Bekenntnisse zu Ersatzverfahren zum Tierversuch und vereinzelten Bemühungen, bleibt uns die Regierung eine Gesamtstrategie für einen systematischen Abbau der Tierversuchszahlen immer noch schuldig. Die steigenden Zahlen zeigen, wie dringend ein echter Systemwechsel ist“, sagt Spicher.

Hohe Dunkelziffer
Wie in den Vorjahren führt die Maus die Statistik mit 1.438.336 Tieren an, wobei die Zahl der Tiere hier etwas gesunken ist. Insgesamt werden 65 Prozent aller Versuche mit Mäusen durchgeführt. Mehr als die Hälfte dieser Tiere wurde zudem gentechnisch verändert. Hinter dieser Zahl steht eine hohe Dunkelziffer, denn solche Tiere, die nur zur Weiterzucht oder, für die Entnahme von Organen getötet oder bei der Herstellung genetischer Mutanten nicht die gewünschten Merkmale aufwiesen, sind in diesen Zahlen nicht eingeschlossen. Fast 80 Prozent der Versuchstiere in der Grundlagenforschung sind Mäuse, vornehmlich für die Erforschung menschlicher Krankheiten. Die „Krebsmaus“ spielt noch immer eine große Rolle. Sie werden zudem oft zur Erforschung des Nervensystems sowie des Immunsystems eingesetzt.

Auffällig: Zuwachs an Fischen
Wie auch im letzten Jahr ist ein weiterer Rückgang bei der Zahl der Ratten zu verzeichnen. Mit 196.973 Tieren stehen diese nunmehr auf Platz drei der am häufigsten verwendeten Tiere. Ihren Platz haben Fische eingenommen. Mit einer Gesamtzahl von 347.543 Tieren kamen 2019 80 Prozent mehr Fische zum Einsatz als im Vorjahr – der Großteil davon in sogenannten Versuchen zur „Erhaltung der Art“, laut BMEL „insbesondere im Rahmen der Untersuchung der Auswirkungen von Wasserkraftanlagen“.

Leiden in gesetzlich vorgeschriebenen Tests: Ratten und Kaninchen
Der Großteil der Ratten (69 Prozent) und fast alle Kaninchen (97,3 Prozent) wurden dagegen in gesetzlich vorgeschriebenen Tierversuchen verwendet. Auffällig ist, dass noch immer 6.457 Kaninchen bei Qualitätskontrollen in der Pyrogentestung und 74.520 Kaninchen für auf Blutbasis produzierte Produkte, wie zum Beispiel der Antikörperproduktion eingesetzt wurden. Angesichts der schon vor Jahren entwickelten, tierfreien Methoden in dem Bereich sind diese Zahlen besonders besorgniserregend. Sollte doch laut EU-Richtlinie 63/2010 zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere das letztendliche Ziel sein, Tierversuche auf lange Sicht zu beenden und wenn möglich, alternative, tierfreie Methoden zum Einsatz kommen zu lassen.

Mehr als ein Viertel der Versuche mittel- oder schwerstbelastend
Zwar ist die Zahl der Hunde in Versuchen etwas gesunken auf 3.519 Tiere. Dennoch litt die Hälfte von ihnen immer noch in gesetzlich vorgeschriebenen Versuchen, wie Giftigkeitstests, um beispielsweise den Einfluss eines Arzneimittels auf den Organismus zu untersuchen sowie in der Routineproduktion. Rund 22 Prozent dieser Versuche befinden sich in den Kategorien „Mittel“ oder „Schwer“. Insgesamt sind diese Versuche im Vergleich zum letzten Jahr leicht gesunken. Da bekanntermaßen jedoch die Einordnung in diese Kategorien sehr subjektiv verlaufen kann und oft vom zuständigen Personal zu gering eingestuft wird, ist dies nur ein kleiner Trost.

Mehr Versuche an domestizierten Tieren
Einen Anstieg gab es auch bei den in Versuchen eingesetzten Katzen, Vögeln sowie sogenannten Nutztieren wie Rindern, Schweinen, Schafen und Pferdeartigen. Die Verwendung von Affen blieb mit 3.276 Tieren nahezu konstant, jedoch wurden 2.280 Javaneraffen aus dem außereuropäischen Ausland importiert. Tierschutzorganisationen kritisieren schon lange die katastrophalen Missstände in „Produktionsfarmen“ auf Mauritius oder China.

Überfällig: Gesamtstrategie für einen Systemwechsel
Unter der Federführung des Bundesverbandes Menschen für Tierrechte und des Vereins Ärzte gegen Tierversuche und startete zu Jahresbeginn ein Bündnis aus insgesamt 15 Tierschutz- und Tierrechtsvereinen die gemeinsame Kampagne „Ausstieg aus dem Tierversuch. JETZT!“. Die Verbände fordern von der Bundesregierung eine Gesamtstrategie für einen Systemwechsel vom wissenschaftlich fragwürdigen Tierversuch hin zu einer modernen, humanrelevanten Wissenschaft des 21. Jahrhunderts. Dabei ist eine Umschichtung der Fördergelder dringend erforderlich. Zudem bedarf es umgehender Sofortverbote, konkreter Zielvereinbarungen mit Ausstiegsdaten und schnellerer Anerkennungsverfahren für tierversuchsfreie Systeme.

Mehr zu den Forderungen unter: www.ausstieg-aus-dem-tierversuch.de

———————————————————————

Pressestelle:
Christina Ledermann
Tel.: 05840/99 99 790
Mobil: 0179/450 46 80
E-Mail: ledermann@tierrechte.de

———————————————————————

Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Neue Geschäftsstelle: Severinusstr. 52, 53909 Zülpich
Tel: 02252/830 12 10, Internet: www.tierrechte.de

———————————————————————

Der Bundesverband Menschen für Tierrechte setzt sich seit seiner Gründung 1982 auf rechtlicher, politischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene für die Anerkennung elementarer Tierrechte ein und kämpft gegen jeglichen Missbrauch von Tieren. Das langfristige Ziel ist eine grundsätzliche Veränderung des Mensch-Tier-Verhältnisses. Dem Dachverband mit Hauptsitz in Zülpich (früher Aachen) sind Vereine sowie private Fördermitglieder angeschlossen. Seine Stärke liegt im Zusammenwirken von Seriosität, Fachwissen und Lobbyarbeit auf höchster politischer Ebene. Dazu verfolgt der Verband einen Masterplan zum Ausstieg aus dem Tierversuch und eine Agrarwende von der tierischen zur pflanzlichen Eiweißproduktion, um das Ende der „Nutztier“-Haltung zu erreichen. Darüber hinaus ernennt der Verband beispielsweise das „Ersatzverfahren bzw. Replace des Jahres“ sowie das: „Versuchstier des Jahres“, betreibt die Wissenschaftsplattform InVitro+Jobs für eine konsequente Förderung der tierversuchsfreien Forschung und setzt sich mit dem Projekt SATIS für eine humane Ausbildung ein. Weitere Arbeitsschwerpunkte sind die Etablierung der Tierschutz-Verbandsklage, eine tierlose bio-vegane Landwirtschaft sowie die Aufnahme von Tierrechten in die Lehrpläne von Schulen. Der Verband gibt viermal im Jahr das Magazin tierrechte heraus. Neben einem Themenschwerpunkt informiert die Zeitschrift Journalisten, Wissenschaftler, Politiker, Behörden und Verbandsmitglieder über aktuelle Entwicklungen in der politischen Tierrechtsarbeit. Zudem erscheint zweimal monatlich der Tierrechte Newsletter. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte ist seit seiner Gründung als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt. Beiträge und Spenden sind steuerlich absetzbar.

Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V. sind Mitglied bei: