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20. November 2020: Streit um Tierversuchskommissionen: Behörden stärken, statt Tierschutz zu schwächen

Mäuse sind die am häufigsten im Tierversuch eingesetzten Tiere. Foto: iStock/filo

Im aktuellen Streit um die Besetzung der Berliner Tierversuchskommissionen meldet sich der Bundesverband Menschen für Tierrechte zu Wort. Er begrüßt ausdrücklich die Initiative von Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) für eine transparente und ausgewogene Besetzung der Tierversuchskommissionen und widerspricht dem Vorwurf, dass dies die Genehmigung von Tierversuchen verzögere. Statt mit populistischen Behauptungen Stimmung gegen überfällige Verbesserungen im Sinne des Tierschutzes zu machen, ist nach Ansicht des Verbandes eine bessere Ausstattung der Genehmigungsbehörden nötig.

Im Berliner Senat tobt derzeit ein heftiger Streit um die Besetzung der Berliner Tierversuchskommissionen. Hintergrund sind die Bemühungen des grünen Justizsenators Dirk Behrendt um eine transparente und ausgewogene Besetzung der Kommissionen mit Wissenschaftlern und Tierschützern.

Wissenschaftseinrichtungen und die Vorstände großer Pharmafirmen hatten sich kürzlich an den Berliner Senat gewandt und davor gewarnt, dass Behrendts Bemühen um mehr Tierschutz die Medizinforschung, insbesondere die Corona-Impfstoffentwicklung in Berlin, gefährden könnte. Daraufhin erklärte Regierungschef und Wissenschaftssenator Michael Müller (SPD) Tierversuche in der Medizinforschung zur Chefsache und kündigte an, die Arbeit von Behrendt überprüfen zu wollen. Hauptvorwurf ist, dass es durch die paritätische Besetzung der Tierversuchskommissionen zu Verzögerungen bei Genehmigungen von Experimenten kommen könnte.

Kommissionen verhindern keinen Tierversuch
„Wir begrüßen ganz ausdrücklich die Initiative von Justizsenator Behrendt für mehr Tierschutz in den Tierversuchskommissionen. Ihm deswegen vorzuwerfen, dass er damit die Medizinforschung blockiere, ist schlicht Populismus. Die Kommissionen können praktisch keinen beantragten Tierversuch verhindern. Ihr Votum ist lediglich eine Empfehlung für die Genehmigungsbehörde“, sagt Christina Ledermann, Vorsitzende von Menschen für Tierrechte.

Nach der Tierschutz-Versuchstierverordnung (TierSchVersV) müssen mindestens ein Drittel der Mitglieder der Tierversuchskommissionen von Tierschutzverbänden vorgeschlagen werden. Es ist demnach grundsätzlich möglich, die Kommissionen ausgewogen zu besetzen. Doch bisher ist dies die Ausnahme. Die meisten sogenannten §15-Kommissionen sind mehrheitlich mit Personen besetzt, die selbst Tierversuche durchführen oder diese befürworten.

„Pandemiesituation wird genutzt, um Tierschutz auszuhebeln“
„Das Problem ist aktuell, dass die meisten Kommissionen überwiegend mit Tierversuchskundlern besetzt sind. Die Tierschutzvertreter sind in der Regel in der Minderheit. Behrend hat lediglich versucht, dieses Ungleichgewicht zu korrigieren. Das war richtig und überfällig und entspricht letzlich dem, was Grüne, SPD und Linke in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt haben. Es ist unredlich, die aktuelle Pandemiesituation zu nutzen, um den Tierschutz auszuhebeln. Wenn etwas die Genehmigungsfristen für Tierversuchsvorhaben in die Länge zieht, dann ist es die unzureichende Ausstattung der Genehmigungsbehörden. Wenn Regierungschef Müller tatsächlich etwas zur Beschleunigung der Antragsbearbeitung beitragen will, dann muss er die Behörde stärken, statt den Tierschutz zu schwächen“, appelliert Ledermann.

Der Verband hat sich intensiv mit den Genehmigungsverfahren für Tierversuche beschäftigt. Eine aktuelle Analyse zeigt, dass das Verfahren zahlreiche gravierende Missstände aufweist. Beispiele: Die Tierversuchskommissionen sind mehrheitlich mit Tierversuchsbefürwortern besetzt. Die Belastungen der Tiere werden oft als zu gering eingestuft. Es gibt keine einheitlichen Kriterien und keine praxistauglichen Datenbanken für die schwierige Güterabwägung. Der Bundesverband fordert deswegen eine umfassende Reform des gesamten Genehmigungsverfahrens.

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Pressestelle:
Christina Ledermann
Tel.: 05840/99 99 790
Mobil: 0179/450 46 80
E-Mail: ledermann@tierrechte.de

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Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Neue Geschäftsstelle: Severinusstr. 52, 53909 Zülpich
Tel: 02252/830 12 10, Internet: www.tierrechte.de

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Der Bundesverband Menschen für Tierrechte setzt sich seit seiner Gründung 1982 auf rechtlicher, politischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene für die Anerkennung elementarer Tierrechte ein und kämpft gegen jeglichen Missbrauch von Tieren. Das langfristige Ziel ist eine grundsätzliche Veränderung des Mensch-Tier-Verhältnisses. Dem Dachverband mit Hauptsitz in Zülpich (früher Aachen) sind Vereine sowie private Fördermitglieder angeschlossen. Seine Stärke liegt im Zusammenwirken von Seriosität, Fachwissen und Lobbyarbeit auf höchster politischer Ebene. Dazu verfolgt der Verband einen Masterplan zum Ausstieg aus dem Tierversuch und eine Agrarwende von der tierischen zur pflanzlichen Eiweißproduktion, um das Ende der „Nutztier“-Haltung zu erreichen. Darüber hinaus ernennt der Verband beispielsweise das „Ersatzverfahren bzw. Replace des Jahres“ sowie das: „Versuchstier des Jahres“, betreibt die Wissenschaftsplattform InVitro+Jobs für eine konsequente Förderung der tierversuchsfreien Forschung und setzt sich mit dem Projekt SATIS für eine humane Ausbildung ein. Weitere Arbeitsschwerpunkte sind die Etablierung der Tierschutz-Verbandsklage, eine tierlose bio-vegane Landwirtschaft sowie die Aufnahme von Tierrechten in die Lehrpläne von Schulen. Der Verband gibt viermal im Jahr das Magazin tierrechte heraus. Neben einem Themenschwerpunkt informiert die Zeitschrift Journalisten, Wissenschaftler, Politiker, Behörden und Verbandsmitglieder über aktuelle Entwicklungen in der politischen Tierrechtsarbeit. Zudem erscheint zweimal monatlich der Tierrechte Newsletter. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte ist seit seiner Gründung als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt. Beiträge und Spenden sind steuerlich absetzbar.

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