Allgemein Margrits Kolumne

Margrits Kolumne: Entwaldung

Shakespeare hätte seine Freude an den neuen Wörtern, die wie Pilze aus dem Boden schießen, zum Beispiel dass jetzt Rehe den deutschen Forst „entwalden“. Dazu nagen sie an den zarten Trieben junger Bäume, die „klimaresistent“ sind und frisch gepflanzt wurden. Um die entwaldenden Rehe zu dezimieren, wurde die Initiative „Hunting 4 Future“ gegründet – auch so ein neuer Pilz.

Ralf Straußberger*, Wald- und Jagdreferent in der Landesfachgeschäftsstelle Nürnberg, vergleicht die hohe Anzahl Rehe mit Massentierhaltung. Je weniger Platz, desto größer das Gedränge, denn das Roden der Wälder ist in vollem Gange. Deshalb lautet auch der Hauptwunsch bei der Novellierung des Bundesjagdgesetzes: „Stärkere Anpassung der Schalenwildbestände“, mit anderen Worten mehr Rehe abknallen als bisher. Wolfgang Kornder*, Vorsitzender des Ökologischen Jagdverbandes in Bayern, ergänzt: „Wenn man vernünftig jagt, ist das etwas für die Zukunft der gesamten Gesellschaft“.

Ist im deutschen Wald kein Platz mehr für Rotkäppchen, den Wolf und die sieben Geißĺein? Haben die Rehe die Klimakrise verursacht? Baumschützer verteidigen nun nach dem Hambi (Hambacher Forst) auch den Danni (Dannenröder Wald), der kein kranker Wald ist, sondern ein wahres Vorzeigeprojekt mit seinen imposanten Buchen und Eichen, Hainbuchen, Eiben, Wildkirschen, Ulmen und anderen seltenen Baumarten. Ein intakter Mischwald mitten in Hessen und der Bundesrepublik, der die Trinkwasserversorgung einer ganzen Region sichert. Sogar drei Jahre Dürre hat er bis jetzt gut überstanden – doch wie geht es mit ihm weiter?

Planungen, die 40 Jahre alt sind, werden nicht geprüft und der Corona-Zeit entsprechend angepasst, sondern mit Gewalt umgesetzt. Für den Weiterbau der A 49 sollen 300 Jahre alte Bäume gefällt werden. Ein verzweifelter Kampf um die Erhaltung der Bäume ist entbrannt, Baumhäuser in 25 Metern Höhe gebaut, Menschenketten gebildet und zu Demos in Berlin aufgerufen. 80.000 Bäume wären todgeweiht, es gibt Initiativen wie „Wald statt Asphalt“, „Students for Future“ und „Aktionsbündnis Keine A49“. Der Wald hat Verbündete. Sie fordern unisono: Alter Wald statt neue Autobahnen.

Dringend müssen die Milliarden für Schiene und Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs umgewidmet werden. Aufgabe der zerstörerischen Verkehrspolitik. Mehr Einfluss auf die Novellierung des Bundesjagdgesetzes, weil die Gefahr besteht, dass die Weichen jetzt falsch gestellt werden. Rehe und Wald sich selbst überlassen, die Zukunft liegt in der Natur selbst. Letztlich gilt noch immer „der Wald steht schwarz und schweiget….“

© Margrit Vollertsen-Diewerge November 2020

*Namen aus “Der Wald steht unter Stress“ von Julian Hörndlein, Erlanger Nachrichten,
Region & Bayern, 29. September 2020, Seite 12