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21. August 2020: Studie belegt Risiken genetisch veränderter Tiere

Die Zahl der genetisch veränderten Tiere wächst seit Jahren. Haupttreiber dieses regelrechten Gentechnik-Booms sind technische Fortschritte bei der Veränderung des Erbguts. Nun belegt eine neue Studie die möglichen Risiken dieses sogenannten Genome-Editings. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte macht auf das millionenfache Tierleid im Zusammenhang mit der genetischen Manipulation von Tieren aufmerksam und fordert eine Fokussierung auf tierleidfreie, human-spezifische Krankheitsmodelle.

Nach aktuellen Statistiken der Europäischen Union (EU) werden Millionen genetisch veränderter Tiere (vornehmlich Mäuse) in Tierversuchen eingesetzt (1). Hauptauslöser dieses regelrechten Gentechnik-Booms sind technische Fortschritte bei der Veränderung des Erbguts, des sogenannten Genome-Editings. Besonders die sogenannte Crispr/Cas-Methodik, mit der Genabschnitte eingefügt, entfernt, verändert oder ausgeschaltet werden, führt dazu, dass immer mehr sogenannte Tiermodelle geschaffen werden. Für die biomedizinische Forschung sollen anhand der Manipulationen in diesen Tiermodellen menschliche Krankheiten simuliert werden.

Studie bringt scheinbare Unfehlbarkeit ins Wanken
Besonders interessant an der neuen Studie (2) ist der systematische Überblick über die unbeabsichtigten Effekte, die bei diesen Veränderungen des Erbguts auftreten können. Die Studie berichtet über ungewollte Veränderungen in der Zielregion als auch an anderen Stellen im Genom. Durch solche ungewollten Veränderungen können beispielsweise zusätzliche DNA-Sequenzen eingebaut oder auch ganze Bereiche verändert oder gelöscht werden. Die Studie bezieht sich zwar hauptsächlich auf den landwirtschaftlichen Bereich. In diesem Kontext wird jedoch auch an Tieren geforscht, entweder um deren Leistung zu erhöhen oder um sie an die Bedingungen in der industriellen Tierhaltung anzupassen.

Der Sockel der Tiermodelle bröckelt
„Die Studie zeigt deutlich wie leicht solche unbeabsichtigten Effekte auftreten können. Schon kleinste Veränderungen können sich auf den ganzen Organismus auswirken, beispielsweise beim Stoffwechsel. Zum Leid bei der „Herstellung“ solcher veränderten Tiere kommt die Tatsache, dass mittlerweile sogar Tierversuchsbefürworter die Übertragbarkeit der Ergebnisse aus diesen sogenannten Tiermodellen bezweifeln. Wir brauchen dringend ethische Grenzen, die die genetische Integrität von Tieren schützen,“ fordert die Biologin Carolin Spicher, Fachreferentin beim Bundesverband Menschen für Tierrechte. Der Verband weist zudem auf das millionenfache Tierleid hin, dass in den offiziellen Statistiken nicht auftaucht.
Dies betrifft die Tiere, die nur zur Weiterzucht eingesetzt werden oder bei der Herstellung genetischer Mutanten nicht die gewünschten Merkmale aufweisen. Nach Schätzungen sind es nochmals einige Millionen Tiere, die unregistriert als Teil der Dunkelziffer jährlich in der EU sterben.

Die Zukunft liegt in tierfreien, humanrelevanten Methoden
Statt für „Tiermodelle“ können die Techniken des Genome-Editing auch auf humane Zellkulturen und sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen (iPS) angewendet werden. Hier kann die Gentechnik nach Ansicht des Tierrechtsverbandes ein Segen sein. Denn sie ermöglicht, tierleidfreie, human-spezifische Krankheitsmodelle zu entwickeln und die molekularen Vorgänge in menschlichen Zellen zu erforschen – auch nicht gewollte gentechnische Veränderungen können hier schnell erkannt werden. In den richtigen Händen kann die moderne Gentechnik so einerseits die Humanrelevanz der biomedizinischen Forschung verbessern und gleichzeitig Tierversuche ersetzen.
„Gerade vor dem Hintergrund der neuen Studienergebnisse sollten Versuche mit genetisch veränderten Tieren besonders kritisch hinterfragt und möglichst nicht genehmigt werden. Das Ziel müssen tierleidfreie, human-spezifische Krankheitsmodelle sein,“ schließt Spicher. Für einen echten Systemwechsel fordert der Verband seit Jahren einen Ausstiegsplan aus dem Tierversuch nach dem Vorbild der Niederlande (3).

 

(1) BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT: Bericht 2019 über die statistischen Daten über die Verwendung von Tieren für wissenschaftliche Zwecke in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union in den Jahren 2015-2017; https://op.europa.eu/de/publication-detail/-/publication/04a890d4-47ff-11ea-b81b-01aa75ed71a1
(2) Kawall, K., Cotter, J. & Then, C. Broadening the GMO risk assessment in the EU for genome editing technologies in agriculture. Environ Sci Eur 32, 106 (2020). https://doi.org/10.1186/s12302-020-00361-2
(3) Das Bündnis aus insgesamt 15 Tierschutz- und Tierrechtsvereinen hat 2020 die gemeinsame Kampagne „Ausstieg aus dem Tierversuch. JETZT!“ gestartet. Nachdem die Niederlande bereits 2016 einen umfassenden Ausstiegsplan mit konkreten Meilensteinen vorgelegt haben, ist die Zeit überfällig, dass Deutschland endlich nachlegt. Die Verbände fordern von der Bundesregierung eine Gesamtstrategie für einen Systemwechsel vom grausamen, überholten Tierversuch zu einer Wissenschaft des 21. Jahrhunderts. Unter www.ausstieg-aus-dem-tierversuch.de kann die Forderung online unterschrieben werden

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Pressestelle:
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Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
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Der Bundesverband Menschen für Tierrechte setzt sich seit seiner Gründung 1982 auf rechtlicher, politischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene für die Anerkennung elementarer Tierrechte ein und kämpft gegen jeglichen Missbrauch von Tieren. Das langfristige Ziel ist eine grundsätzliche Veränderung des Mensch-Tier-Verhältnisses. Dem Dachverband mit Hauptsitz in Zülpich (früher Aachen) sind Vereine sowie private Fördermitglieder angeschlossen. Seine Stärke liegt im Zusammenwirken von Seriosität, Fachwissen und Lobbyarbeit auf höchster politischer Ebene. Dazu verfolgt der Verband einen Masterplan zum Ausstieg aus dem Tierversuch und eine Agrarwende von der tierischen zur pflanzlichen Eiweißproduktion, um das Ende der „Nutztier“-Haltung zu erreichen. Darüber hinaus ernennt der Verband beispielsweise das „Ersatzverfahren bzw. Replace des Jahres“ sowie das: „Versuchstier des Jahres“, betreibt die Wissenschaftsplattform InVitro+Jobs für eine konsequente Förderung der tierversuchsfreien Forschung und setzt sich mit dem Projekt SATIS für eine humane Ausbildung ein. Weitere Arbeitsschwerpunkte sind die Etablierung der Tierschutz-Verbandsklage, eine tierlose bio-vegane Landwirtschaft sowie die Aufnahme von Tierrechten in die Lehrpläne von Schulen. Der Verband gibt viermal im Jahr das Magazin tierrechte heraus. Neben einem Themenschwerpunkt informiert die Zeitschrift Journalisten, Wissenschaftler, Politiker, Behörden und Verbandsmitglieder über aktuelle Entwicklungen in der politischen Tierrechtsarbeit. Zudem erscheint zweimal monatlich der Tierrechte Newsletter. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte ist seit seiner Gründung als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt. Beiträge und Spenden sind steuerlich absetzbar.

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