Ein Mensch, der „munter wie ein Fisch im Wasser“ im Strom des Lebens schwimmt, ist gesund, tatkräftig, stark und einfach gut drauf. Ernest Hemingway schrieb 1951 in seiner Novelle „Der alte Mann und das Meer“, die mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde, dass der Blaue Marlin sein „Bruder“ sei.
Nun haben die Fische, die aus den kleinen, mittleren und großen Gewässern Deutschlands gezogen werden, kaum Ähnlichkeit mit einem über drei Meter großen Marlin. Dennoch ist Angeln ein beliebter Sport und beginnt schon für Kinder mit „Schnupperangeln“. Dabei lernen sie, dass der Angelhaken den Fischen nicht wehtut.
Wenn der Gruß „Petri Heil“ des Fischers Petrus Erfolg gehabt hat und der Fluss-Angler seine Beute aus dem Wasser zieht, kann er das damit rechtfertigen, dass er lieber einen einheimischen, in Freiheit groß gewordenen Fisch isst als etwa einen Lachs aus der industriellen Massenproduktion. Ein Beispiel: In einer einzigen norwegischen Zuchtstation – und davon gibt es etliche – werden pro Jahr zehn Millionen Lachse „hergestellt“.
Haben Angler recht, wenn sie behaupten, dass ein am Fluss still dasitzender Mensch weit friedlicher ist als ein Jäger im Wald, der keine Angel, sondern ein Gewehr über der Schulter trägt? Doch wie bei der Jagd gibt es einen großen Markt für dieses lautlose Hobby, von Gummifischen und Wobblern mit Glitzer oder kleinen Popern und Stickbaits hat ein Nichtangler keine Ahnung.
Kleine Fische werden zwar nicht geangelt, sind aber als „Kieler Sprotten“ eine deutsche Spezialität, erhältlich in kleinen handlichen Dosen: „Kopp un Steert sünt nix weert“ heißt es bei diesem heringsartigen Seefisch von 10 cm Größeund 25 g Gewicht, bei dem nach dem Räuchern der Schwanz mit der Hauptgräte herausgezogen wird und er in voller Größe gegessen werden kann.
Viele Angler zieht es in das Angler-Paradies Norwegen. Hochseefischen und Uferangeln ist dort ohne Angelschein möglich. Zwar benötigt man in bestimmten Gegenden einen Erlaubnisschein, doch den bekommt man bequem in Supermärkten oder an Tankstellen. Ob in Norwegen, in Deutschland oder anderswo, eines ist überall gleich. Auf Fotos sieht man ihn strahlend, den erfolgreichen Angler: Er hält seine Beute hoch, der Fisch hat das Maul weit aufgerissen – sendet er einen unhörbaren Schrei gen Himmel?
Margrit Vollertsen-Diewerge, 21. Juli 2020