Die EU-Vorschriften zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlicher Haltung blieben bisher auf einem minimalen Niveau und weisen seit Jahrzehnten enorme Vollzugsdefizite auf. Daher begrüßt der Bundesverband – Menschen für Tierrechte, dass die Europäische Kommission im Rahmen der Farm-to-Fork-Strategie die Überprüfung der gesamten EU-Tierschutzvorschriften in einem sogenannten Fitness Check begonnen hat. Gemeinsam mit weiteren Organisationen, fordern wir die Kommission auf, die sieben betroffenen Verordnungen und Richtlinien grundlegend im Sinne des Tierschutzes und unter Berücksichtigung des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zu überarbeiten. In Artikel 13 ist festgelegt, dass Union und Mitgliedstaaten die Bedürfnisse von Tieren als fühlende Wesen in vollem Umfang zu berücksichtigen haben.
Dass die europäischen Tierschutzvorschriften weder dem AEUV, noch wissenschaftlichen Erkenntnissen oder gesellschaftlichen Anforderungen genügen, zeigt beispielsweise ein aktuelles Ranking mit dem Titel „Wie nah sind wir einem käfigfreien Europa?“. In der gesamten EU fristen noch über 300 Millionen Schweine, Hennen, Kaninchen, Gänse, Enten, Wachteln und Kälber ihr Leben eingesperrt in Käfigen. In Deutschland betrifft das ca. 8,75 Millionen Tiere. Eine grausame und nicht akzeptable Praxis.
Das neue Ranking, vorgestellt im Rahmen der Europäischen Bürgerinitiative End the Cage Age, veranschaulicht, wie nah (oder fern) ein kompletter Ausstieg aus der Käfighaltung in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten ist. Darüber hinaus erlaubt es Interessierten einen Tweet an die verantwortlichen Ministerinnen und Minister der Mitgliedstaaten zu senden und sie zum Einsatz gegen Käfighaltung aufzufordern.
Christina Ledermann, Vorsitzende vom Bundesverband Menschen für Tierrechte, sagt: „Über 1,5 Millionen EU-Bürgerinnen und Bürger haben sich im Rahmen von End the Cage Age mit uns für Tiere in landwirtschaftlicher Haltung eingesetzt. Die EU muss endlich sicherstellen, dass Tiere nicht nur auf dem Papier als fühlende Lebewesen anerkannt werden. In ausnahmslos allen Mitgliedstaaten gibt es Nachholbedarf. Das sieht man zum Beispiel an der Position Deutschlands in diesem Ranking: wenn 15% der Tiere in Käfigen gehalten werden, bedeutet das hier, dass circa neun Millionen fühlende Lebewesen jedes Jahr unbeschreibliches Leid durchstehen. Wie groß die Widerstände in der Regierung und der Industrie sind, beim Thema Käfige echten Wandel anzustoßen, haben wir während der Debatte um den Kastenstand zu spüren bekommen. Hier brauchen wir eine Kursänderung und müssen die Ratspräsidentschaft der EU mit deutlich höheren Ambitionen antreten.“
Im Jahr 2018 schloss sich der Bundesverband einem breiten Netzwerk von über 170 Tier-, Natur- und Verbraucherschutzorganisationen aus ganz Europa an, um mit vereinten Kräften die Europäische Bürgerinitiative End the Cage Age für ein Ende der Käfighaltung auf den Weg zu bringen. Der Erfolg der Kampagne zeigt deutlich, dass eine käfigfreie Zukunft eine Priorität für Menschen auf dem gesamten Kontinent ist und auch deshalb eine Priorität für die EU und nationale Regierungen sein sollte. Eine Überprüfung der EU-Tierschutzvorschriften ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung und muss endlich einen Paradigmenwechsel in der europäischen Tierhaltung herbeiführen.
Noch bis zum 29. Juli können EU-Bürgerinnen und Bürger sowie Interessengruppen ihre Rückmeldung zum vorgeschlagenen Fahrplan des Fitness Checks einreichen.
Das Ranking und mehr Informationen zur Kampagne finden Sie hier.
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Pressestelle:
Christina Ledermann
Tel.: 05840/99 99 790
Mobil: 0179/450 46 80
E-Mail: ledermann@tierrechte.de
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Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Neue Geschäftsstelle: Severinusstr.52, 53909 Zülpich
Tel: 02252/830 12 10, Internet: www.tierrechte.de
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Zusätzliche Informationen:
- Im Rahmen der Farm-to-Fork-Strategie führt die Europäische Kommission in diesem und dem kommenden Jahr einen sogenannten Fitness Check aller sieben auf EU-Ebene existierenden Verordnungen und Richtlinien, die den Tierschutz betreffen, durch und überprüft diese auf ihre Eignung und Wirksamkeit, ihre Relevanz und Übereinstimmung mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und der öffentlichen Meinung. In einem ersten Schritt steht der Fahrplan der Kommission für diesen Prozess („Roadmap“) der Öffentlichkeit mit der Möglichkeit zur Rückmeldung noch bis zum 29. Juli 2020 zur Verfügung. Darauf folgen über einen Zeitraum von ca. 1,5 Jahren Konsultationen, Studien, Umfragen und Konferenzen mit verschiedenen Interessengruppen.
- In Artikel 13 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), wobei in den Artikeln 1-17 die Grundsätze der Union stehen, heißt es: „Bei der Festlegung und Durchführung der Politik der Union in den Bereichen Landwirtschaft, Fischerei, Verkehr, Binnenmarkt, Forschung, technologische Entwicklung und Raumfahrt tragen die Union und die Mitgliedstaaten den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere als fühlende Wesen in vollem Umfang Rechnung […]“.
- Die Europäische Bürgerinitiative (EBI) End the Cage Age hat ein Netzwerk von über 170 Organisationen aus Tier-, Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz zusammengebracht. Es ist das erste Mal, dass sich eine so große Anzahl von europäischen Organisationen gemeinsam für Tierschutz in der Landwirtschaft einsetzt. Die EBI wurde von einer der weltweit führenden Organisationen für den Schutz von Tieren in landwirtschaftlicher Haltung, Compassion in World Farming, initiiert.
- Die Gesamtzahlen der Tiere in Käfighaltung und die jeweiligen Anteile im Ranking wurden mit Daten aus verschiedenen Quellen berechnet, einschließlich Statistiken der Industrie und nationaler Regierungen. In die Gesamtzahl der Tiere, die noch in Käfigen gehalten werden, und die Berechnung der Prozentsätze fließen Wachteln und Kälber nicht mit ein, da es für diese Spezies keine konsistenten Daten in allen Mitgliedstaaten gibt. Die Daten zu den Tierzahlen pro Jahr stammen aus den folgenden Quellen und enthalten die aktuellsten Berechnungen: Sauen – Eurostat 2017; Legehennen – CIRCABC 2017; Kaninchen – European Commission (DG Santé) 2016; Enten und Gänse – ITAVI 2016 und SSP, Eurofoiegras 2016. An den Stellen, an denen offizielle Daten fehlten, wurden Schätzungen der Tiere in Käfighaltung auf Basis von Rohdaten und verschiedenen geprüften Quellen berechnet.
Der Bundesverband Menschen für Tierrechte setzt sich seit seiner Gründung 1982 auf rechtlicher, politischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene für die Anerkennung elementarer Tierrechte ein und kämpft gegen jeglichen Missbrauch von Tieren. Das langfristige Ziel ist eine grundsätzliche Veränderung des Mensch-Tier-Verhältnisses. Dem Dachverband mit Hauptsitz in Zülpich (früher Aachen) sind Vereine sowie private Fördermitglieder angeschlossen. Seine Stärke liegt im Zusammenwirken von Seriosität, Fachwissen und Lobbyarbeit auf höchster politischer Ebene. Dazu verfolgt der Verband einen Masterplan zum Ausstieg aus dem Tierversuch und eine Agrarwende von der tierischen zur pflanzlichen Eiweißproduktion, um das Ende der „Nutztier“-Haltung zu erreichen. Darüber hinaus ernennt der Verband beispielsweise das „Ersatzverfahren bzw. Replace des Jahres“ sowie das: „Versuchstier des Jahres“, betreibt die Wissenschaftsplattform InVitro+Jobs für eine konsequente Förderung der tierversuchsfreien Forschung und setzt sich mit dem Projekt SATIS für eine humane Ausbildung ein. Weitere Arbeitsschwerpunkte sind die Etablierung der Tierschutz-Verbandsklage, eine tierlose bio-vegane Landwirtschaft sowie die Aufnahme von Tierrechten in die Lehrpläne von Schulen. Der Verband gibt viermal im Jahr das Magazin tierrechte heraus. Neben einem Themenschwerpunkt informiert die Zeitschrift Journalisten, Wissenschaftler, Politiker, Behörden und Verbandsmitglieder über aktuelle Entwicklungen in der politischen Tierrechtsarbeit. Zudem erscheint zweimal monatlich der Tierrechte Newsletter. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte ist seit seiner Gründung als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt. Beiträge und Spenden sind steuerlich absetzbar.
Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V. sind Mitglied bei: