Sie stehen schweigend vor den Einfahrten zu den Schlachthöfen und halten Plakate hoch, auf denen Sätze stehen wie „Wenn du dies liest, bin ich tot“ oder „Wenn die Wände der Schlachthöfe aus Glas wären, würde niemand mehr Fleisch essen“.
Mehrere Stunden lang halten sie aus, bei Regen, Schnee, kaltem Wind, heißer Sonne. Es sind Menschen, die ihre Lebenszeit dafür hergeben, um auf die Rechtlosigkeit der Schlachttiere aufmerksam zu machen.
Ab und zu hält ein Radfahrer an, manchmal wird ein Autofenster herunter gedreht und ihnen zugewinkt, manchmal werden sie gefragt, was sie sich denn von ihrem Einsatz versprechen. Aber manchmal müssen sie sich auch unfreundliche Worte anhören, etwa: Na, ihr müsst ja viel Zeit haben, um hier herum zu stehen.
Doch im letzten Winter geschah etwas Außergewöhnliches. Ein Lieferauto fuhr am Schlachthof vorbei, hielt an, der Fahrer stieg aus. Er fragte die dort stehenden Tierfreunde nach einer Hausnummer, die er vergebens suche. Er war schon mehrmals im Kreis gefahren, ohne das Haus zu finden. Doch niemand kannte diese Hausnummer. Einer fragte schließlich, ob er mal die Lieferadresse sehen könne. Da kramte der Pizza-Bote in seiner Tasche und zog einen Zettel hervor, auf dem stand: „Die Pizzas sind für die netten Menschen, die für die Tiere auf die Straße gehen.“
Und – kaum zu glauben: Alle zehn Pizzas waren vegan!
Margrit Vollertsen-Diewerge, Juni 2020